Roßauer Kaserne
48° 13' 4.70" N, 16° 22' 1.09" E zur Karte im Wien Kulturgut
Rossauer Kaserne (ursprünglich Kronprinz-Rudolph-Kaserne, vor 1999 Schreibung Roßauer Kaserne; 9., Schlickplatz 6, Maria-Theresien-Straße 21-23, Türkenstraße 22-22a, Roßauer Lände 1), ein ausgedehnter Ziegelrohbau von festungsartigem Charakter (verbaute Fläche 17.940 Quadratmeter auf einem Grundstück von 43.293 Quadratmetern, Länge 270 Meter, Breite 140 Meter, an der Außenfront rund 1.300 Fenster) im Windsorstil (veralteter Nachläufer des romantischen Historismus), als "Defensivkaserne" 1865-1869 nach Plänen des Obersten des Geniestabs Karl Pilhal und des Majors Karl Markl erbaut und am 17. August 1870 der Benützung übergeben.
Die Kaserne, die einen Teil des nach der niedergeschlagenen Revolution 1848 entworfenen Kasernenbaukonzepts bildete (zwischen Innenstadt und Vorstädten sollte ein Gürtel von [nicht zur Gänze realisierten] Militärstützpunkten entstehen, um künftig revolutionäre Bewegungen der Bevölkerung schon im Keim ersticken zu können; als Pendant war bereits 1852-1857 die Franz-Joseph-Kaserne am Stubenring errichtet worden), besitzt in der Mitte jeder Front je zwei zinnenbekrönte (achtgeschossige) Türme, an deren Schmalseiten sich halbkreisförmige Vorbauten für Geschützstände befinden sowie schwach vorstehende Eckrisalite (mit normannischen Zinnen); die Zinnen der Türme, von kleinen Türmchen eingefasst, springen vor und werden von einem konsolartigem Rundbogenfries getragen; unter dem Fenstersims des ersten Stocks zieht sich ein romanisches Zackenfries um das ganze Gebäude, das eine durchgehende Attika mit Brustwehr besitzt. Im Südtrakt war die Kapelle "Zur heiligen Elisabeth" untergebracht (geweiht am 16. August 1876). Die noch von Richard Groner kolportierte "Spezialität", man habe beim Bau der Kaserne auf die Aborte vergessen, ist falsch: die Mannschaftsaborte befanden sich allerdings ausschließlich (um zentrale Fallrohre gruppiert) in zwei Türmen in den Ecken der beiden äußeren Höfe. Vor der Kaserne befand sich der Tandelmarkt.
In der Ersten Republik waren in der Rossauer Kaserne 1927 ein Obdachlosenasyl und das Deutschmeistermuseum untergebracht; 1936 wurden die Stallungen in Garagen umgebaut.
Nach dem Zweiten Weltkrieg musste der stark beschädigte Nordtrakt (ehemals Infanterie-Offizierstrakt) wiederhergestellt werden; 1959 wurde (nachdem verschiedene andere Umbauten vorgenommen worden waren) der gesamte Nordhof überdacht. In die Rossauer Kaserne zogen Dienststellen des Bundesministeriums für Inneres und der Bundespolizeidirektion Wien ein (unter anderem auch die Kraftfahrzeuganmeldestelle). Als der Bauzustand sich verschlechterte, wurde 1977 der Abbruch erwogen, doch entschied man sich schließlich aus Denkmalschutzerwägungen für die Erhaltung des Bauwerks. Daraufhin wurde mit Umbau- und Nutzungsüberlegungen begonnen (zur Debatte standen beispielsweise die Einrichtung eines dritten Opernhauses sowie die Umwandlung in ein Universitätzentrum); nach Ausschreibung eines Wettbewerbs, dessen Ergebnisse im Jänner 1989 vorgestellt wurden, fiel die Entscheidung zugunsten einer gemischten Nutzung (Universität, Handel und Wohnen), Ende 1989 begann der Auszug der Polizeidienststellen, 1990 die Restaurierung der Fassaden am Schlickplatz).
Quellen
Literatur
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