Wiener Gemeinderat und Landtag in der Besatzungszeit
48° 12' 39.02" N, 16° 21' 26.27" E zur Karte im Wien Kulturgut
Der Wiener Gemeinderat und der Wiener Landtag (1., Rathaus, Rathausplatz 1, Felderstraße 1, Friedrich-Schmidt-Platz 1, Lichtenfelsgasse 2) formierten sich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs unter der Alliierten Besatzung neu. Zuerst wurde von der sowjetischen Besatzung ein provisorischer Wiener Stadtsenat (siehe: Verwaltung Wiens in der Besatzungszeit) eingesetzt, bevor am 25. November Gemeinderat und Landtag – am gleichen Tag wie der österreichische Nationalrat – das erste Mal seit der Zeit des Nationalsozialismus wieder gewählt wurden.
Die Einsetzung eines provisorischen Stadtsenats 1945
Im April 1945 bestellte Alexej W. Blagodatow nach Vorschlägen von SPÖ, ÖVP und KPÖ eine provisorische Gemeindeverwaltung mit Theodor Körner (SPÖ) als provisorischem Bürgermeister und Leopold Kunschak (ÖVP) sowie Karl Steinhardt (KPÖ) als Stellvertretern.
Im Juli 1945 folgte das von der provisorischen Staatsregierung unter Karl Renner erlassene ‘Gesetz vom 10. Juli 1945 über das neue Wirksamwerden der Verfassung der Stadt Wien in der Fassung von 1931‘ (Wiener Verfassungsüberleitungsgesetz). Dadurch wurde Paul Speiser (SPÖ) als zusätzlicher Vizebürgermeister eingesetzt und die Bestellung der Mitglieder des Stadtsenats bestätigt. Dies besiegelte die offizielle Einsetzung des Wiener Stadtsenats, der bis zur Wahl des Gemeinderats als gesetzgebendes Organ tätig war.
Die Wahlen zum Wiener Gemeinderat und Landtag 1945
Am 25. November 1945 fanden schließlich neben den Nationalratswahlen auch Wahlen zu den Landtagen und somit auch zum Wiener Landtag und Gemeinderat statt. Gewählt wurden 100 Abgeordnete für Gemeinderat und Landtag. Die Wahlen waren – wie vom Wiener Stadtsenat im Gesetz vom 30. Oktober 1945 festgesetzt – nicht mehr nach Bezirken, sondern nach sieben Wahlkreisen organisiert. 925.891 Personen waren wahlberechtigt, davon stellten 65 % Frauen dar. Trotzdem wurden insgesamt nur 14 Frauen zu Mitgliedern des Gemeinderats und Landtags gewählt, zwölf davon bei der SPÖ und zwei bei der ÖVP. Die Wahlbeteiligung lag bei 89,73 %.
Die konstituierende Sitzung des Wiener Landtages fand am 13. Dezember 1945 unter dem Vorsitzenden Leopold Kunschak statt, dem ältesten Abgeordneten des Hauses. Am Tag darauf, dem 14. Dezember, erfolgte die konstituierende Sitzung des Wiener Gemeinderats.
Die Wiener Verwaltung wurde somit von Beginn an von der SPÖ dominiert. Diese stellte die amtsführenden StadträtInnen für Finanzen, Kultur, Wohlfahrt, Bauen und Wohnen und verfügte damit über Einfluss in Schlüsselbereichen der Verwaltung. Die ÖVP übernahm die Ressorts Gesundheit, Märkte, Baubehörde und Städtische Unternehmungen.
Die Entnazifizierung
Da sich unter den während der Zeit des Nationalsozialismus in Wien tätigen Ratsherren viele Parteimitglieder und -funktionäre befanden, wurden nach 1945 im Zuge der Entnazifizierung nach dem Verbotsgesetz und dem Kriegsverbrechergesetz viele Verfahren vor dem Wiener Volksgericht gegen diese vollzogen. Von 67 Ratsherren waren 49 von strafrechtlichen Verfahren betroffen, in 26 Fällen führten diese zu Schuldsprüchen. Dies erfolgte vor allem wegen "Hochverrat" – was beispielsweise durch eine Parteimitgliedschaft vor 1938 im Zusammenhang mit anderen Faktoren begründet wurde. Zudem kam bei acht Verurteilungen zusätzlich das Kriegsverbrechergesetz zum Tragen. 18 Ratsherren wurden nach dem Nationalsozialistengesetz 1947 als ‘minderbelastet’ eingestuft. Von den Verurteilungen ausgenommen waren Vertreter der nationalsozialistischen Wissenschaft und Kultur, auch von Unternehmern und Wirtschaftsmanagern wurde insgesamt nur ein Ratsherr verurteilt.
Literatur
- Gustav Bihl, Gerhard Meißl, Lutz Musner: Vom Kriegsende 1945 bis zur Gegenwart. In: Wien. Geschichte einer Stadt. Bd. 3: Von 1790 bis zur Gegenwart. Hg. Von Peter Csendes, Ferdinand Opll. Wien / Köln / Weimar: Böhlau Verlag 2006, S. 545-815, hier: 603.
- Barbara Steininger: Der Wiener Gemeinderat und der Wiener Landtag – Eine Zeitreise 1848-2013. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 2013 (Wiener Geschichtsblätter, Beiheft 2/2013), S. 14 f., 18 f., 21, 26.