Nationalsozialistengesetz
Das Nationalsozialistengesetz vom 6. Februar 1947, das am 18. Februar in Kraft trat, stellte eine Erneuerung des Verbotsgesetzes von 1945 dar. Es wurde unter der Alliierten Besatzung (1945-1955) nach dem Zweiten Weltkrieg im Zuge der Entnazifizierung nach Verhandlungen mit den Alliierten erlassen.
Das Gesetz löste die Einteilung des Verbotsgesetzes von ehemaligen NationalsozialistInnen in ‘Illegale‘ und ‘Sonstige’ ab und vollzog eine neue Kategorisierung in ‘Belastete’ und ‘Minderbelastete’. Zu den ‘Belasteten’ zählten Angehörige und FunktionärInnen der NSDAP und ihrer Organisationen, die eine höherer Funktion inne gehabt hatten. Bei der SS genügte eine bloße Angehörigkeit, um als ‘belastet’ zu gelten. Zudem zählten dazu TrägerInnen von Auszeichnungen, ‘Illegale’ und Personen, die für die Teilnahme an Kriegsverbrechen verurteilt waren. ‘Minderbelastete’ stellten einfache Mitglieder der NSDAP ohne bestimmte Funktionen oder Ehrenabzeichen dar. Nach dem Nationalsozialistengesetz galten 42.000 von ca. 540.000 registrierten NationalsozialistInnen als ‘belastet’.
Weiters legte das Gesetz Maßnahmen für die Registrierten sowie Sühneabgaben – einmalige oder laufende Geldzahlung für ‘Belastete’ bis 1950 und für ‘Minderbelastete’ bis 1948 – und Sühnepflichten für ‘Belastete’ und ‘Minderbelastete’ fest, wobei Abstufungen zwischen den beiden Gruppen stattfanden. Die Konzentration lag somit nicht mehr auf der Illegalität, sondern auf der Hierarchie der NSDAP und deren Organisationen. Mit der Registrierung konnten demnach Arbeitsverpflichtungen, Vermögensabgaben, der Verlust von Wohnungen und Pensionsansprüchen, die fehlende Möglichkeit für gehobenen Posten oder Entlassungen einhergehen, wobei diese Maßnahmen später abgeändert und entschärft wurden.
Die Sühnepflichten waren folgende: ‘Belastete’ und deren Verwandte sollten aus dem öffentlich-rechtlichen Dienst entlassen werden und keine leitenden Position in der Wirtschaft einnehmen können. Somit waren sie von Bereichen wie der Steuerberatung, Wirtschaftsprüfung oder Rechtsanwaltschaft ausgeschlossen. Zudem bestanden Regelungen zur politischen Aktivität: ‘Belastete’ durften das passive Wahlrecht in öffentlichen Körperschaften nicht mehr ausüben, bis zum 30. April 1950 waren sie auch vom aktiven Wahlrecht und der Möglichkeit, als SchöffInnen oder Geschworene beziehungsweise Geschworener zu agieren oder einer politischen Partei beizutreten, ausgenommen. ‘Minderbelastete’ konnten hingegen je nach ihrem politischen Verhalten während des Nationalsozialismus im öffentlichen Dienst eingesetzt werden. Der Ausschluss vom passiven Wahlrecht galt für diese Personen bis zum 30. April 1950. Durch die Unterscheidung zwischen ‘Belasteten’ und ‘Minderbelasteten’ ergab sich der Umstand, dass schwerere Strafen nur mehr für einen kleineren Personenkreis galten.
Daraufhin erfolgte im Februar und März 1947 die Prüfung aller ehemaligen NationalsozialistInnen im öffentlichen Dienst auf ihre Tragbarkeit. Dies wurde in Wien von EntnazifizierungsreferentInnen der Zentralstellen, der Magistratsabteilungen, der Magistratischen Bezirksämter und der Direktionen der städtischen Unternehmungen unter Zusammenarbeit mit Personalvertretungen vollzogen. Zudem wurde dort ein zentraler Entnazifizierungsreferent eingesetzt.
Literatur
- Siegfried Beer: Die „Befreiungs- und Besatzungsmacht“ Großbritannien in Österreich, 1945-1955. In: Die Gunst des Augenblicks. Neuere Forschungen zu Staatsvertrag und Neutralität. Hg. von Manfried Rauchensteiner, Robert Kriechbaumer. Wien / Köln / Weimar: Böhlau Verlag 2005 (Schriftenreihe des Forschungsinstituts für politisch-historische Studien der Dr.-Wilfried-Haslauer-Bibliothek, Salzburg, 24), S. 23-74, hier: 42.
- Klaus Eisterer: Österreich unter Alliierter Besatzung 1945-1955. In: Österreich im 20. Jahrhundert. Ein Studienbuch in zwei Bänden. Band 2: Vom Zweiten Weltkrieg bis zur Gegenwart. Hg. von Rolf Steininger, Michael Gehler. Wien / Köln / Weimar: Böhlau Verlag 1997, S. 147-216, hier: 169 ff., 175 f.
- Karl Fischer: Die Vier im Jeep. Die Besatzungszeit in Wien 1945-1955, Wien: Wiener Stadt- und Landesarchiv 1985 (Wiener Geschichtsblätter, Beiheft 1/1985), S. 10.
- Sonja Niederacher: Die Entwicklung der Entnazifizierungsgesetzgebung. In: Entnazifizierung zwischen politischem Anspruch, Parteienkonkurrenz und Kaltem Krieg. Das Beispiel der SPÖ. Hg. von Maria Mesner. Wien / München: Oldenbourg Verlag 2005, S. 13-36, hier: 17, 23 f.
- O.A.: Die Verwaltung der Bundeshauptstadt Wien vom 1. April 1945 bis 31. Dezember 1947. Verwaltungsbericht. Hg. vom Magistrat der Bundeshauptstadt Wien. Wien: Magistrat der Stadt Wien 1949, S. 48.