NS-Registrierungsakten
NS-Registrierungsakten sind Unterlagen, die im Rahmen der Entnazifizierung ab Mai 1945 angelegt wurden und die gesetzlich verpflichtende Registrierung von Nationalsozialisten, etwaige Einsprüche der betroffenen Person, Stellungnahmen, Streichungen und Sachverhaltsdarstellungen enthalten. Sie gehören zu den zentralen NS-Quellen, die im Rahmen biografischer Forschung zu Personen in der NS-Zeit genutzt werden.
Voraussetzungen
Mit dem Verbotsgesetz, das nach der Kapitulation des nationalsozialistischen „Dritten Reichs“ am 8. Mai 1945 von der Provisorischen Staatsregierung erlassen wurde, wurden die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei und ihre angeschlossenen Organisationen verboten. Um die Erfassung und Registrierung von Nationalsozialistinnen und Nationalsozialisten durchzuführen, wurde am 11. Juli 1945 die NS-Registrierungs-Verordnung erlassen. In ihr wurde eine verpflichtende Registrierung für alle Personen, die zwischen 1. Juli 1933 und 27. April 1945 Mitglieder der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiter Partei oder ihrer Wehrverbände SA (Sturmabteilung), SS (Schutzstaffel), NSFK (Nationalsozialistisches Fliegerkorps), NSKK (Nationalsozialistisches Kraftkorps) waren, beschlossen.
Die Registrierungspflicht galt auch für Personen, die einen Antrag auf Mitgliedschaft bei der NSDAP gestellt hatten. Registrierungspflichte mussten sich bei Entnazifizierungskommissionen der Gemeinde registrieren lassen und wurden in Listen aufgenommen, die später für die Bevölkerung öffentlich zugänglich waren.
In Wien begann die NS-Registrierung im Juli 1945, umgesetzt durch die Magistratsabteilung VII/2, ab 1946 durch die Magistratsabteilung 62. In den Bezirksämtern wurden insgesamt 13 Meldestellen eingerichtet, die in die Bezirksämter eingegliedert waren. Im August 1945 wurde zusätzlich ein Zentralregisterkataster beim Magistrat geschaffen.
Aufbau und Inhalt
Die Fristen zur Registrierung in den Bezirken eins bis elf galt bis 3. Juli 1945, in den Bezirken zwölf bis 16, wo es aufgrund der Randlage noch keine geregelte Verkehrsverbindungen gab, bis 10. September 1945. Diese Meldefristen wurden mehrmals verlängert: In den Bezirken eins bis elf bis zum 25. August 1945 und in den Bezirken zwölf bis 16 bis 24. September 1945. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden insgesamt 77.311 Personen, davon 52.664 Männer und 24.647 Frauen, in Wien registriert.
Aufgrund der hohen Anzahl – in Wien insgesamt rund 90% – von Registrierten, die Nachsichtsgesuche einreichten, um ihre Registrierung zu löschen, verzögerte sich die Listenerstellung jedoch. Für die Nachsichtsgesuche mussten kommissionelle Gutachten erstellt werden, woraufhin die Listen nicht vor Jänner 1946 fertiggestellt werden konnten. Infolgedessen veröffentlichte der Bürgermeister die Liste am 25. April 1946, die daraufhin bis zum 22. Mai 1946 von der Bevölkerung eingesehen werden konnte. Informationen über die Registrierten mit Alters- und Berufsstatistik wurden überdies im ‘Amtsblatt der Stadt Wien’ Nr. 14/1946 und im Statistischen Jahrbuch der Stadt Wien 1943-1945 veröffentlicht.
Aufgrund der anfangs unerwartet vielen Einspruchsverfahren ergab sich für das Magistrat viel Arbeitsaufwand. Auch das schleppende Vorgehen bei der Registrierung in Wien, verhinderte eine flächendeckende Registrierung von NationalsozialistInnen. Besonders im ersten Bezirk, der die Interalliierte Zone darstellte, gestaltete sich die Entnazifizierung der BeamtInnenschaft kompliziert, da diese unter der Mitarbeit aller vier Besatzungsmächte geschehen musste. Bis August 1947, als die Ergebnisse der Registrierung zusammengestellt wurden, hatten sich 108.673 Personen gemeldet, wovon insgesamt 108.405 Personen – 77.134 Männer und 31.271 Frauen – registriert hatten. 21.081 Personen wurden als ‘Illegale‘ aufgenommen. Von den in Wien registrierten Personen reichten 91.010 Gesuche auf Entregistrierung ein.
Benutzung der Akten
Die Akten sind nach Bezirk und Aktenzahl geordnet. Eine alphabetisch geordnete Namenskartei ([Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 119, K7] erschließt die Akten. Die Bestellung der Akten erfolgt daher über Angabe des vollständigen Namens sowie des Geburtsdatums als identifizierenden Merkmals.
Akten, auf die nur mit Angabe eines Bezirks ohne fortlaufende Zahl, bzw. mit anderen Aktenzahlen verwiesen wird, können sich in der Serie A43, "Schreibstücke", befinden.
Die Bücher, die die NS-Registrierungsakten erschließen (B7, B8, B9), waren bereits vor der Archivierung öffentlich zugänglich und können daher unbeschränkt benützt werden.
Bestandsgeschichte
Der größte Teil der Unterlagen wurden von der Magistratsabteilung 62 im Mai 1957 an das Wiener Stadt- und Landesarchiv übergeben, kleinere Übergaben erfolgten noch in den Monaten darauf. Akten der 1954 wieder ausgegliederten Gemeinden (ehemalige Bezirke 24 bis 26), auf die verwiesen wird, sind nicht vorhanden.
Quellen
Literatur
- Sonja Niederacher: Die Entwicklung der Entnazifizierungsgesetzgebung. In: Entnazifizierung zwischen politischem Anspruch, Parteienkonkurrenz und Kaltem Krieg. Das Beispiel der SPÖ. Hg. von Maria Mesner. Wien / München: Oldenbourg Verlag 2005, S. 13-36, hier: 13, 25 ff.
- O.A.: Die Verwaltung der Bundeshauptstadt Wien vom 1. April 1945 bis 31. Dezember 1947. Verwaltungsbericht. Hg. vom Magistrat der Bundeshauptstadt Wien. Wien: Magistrat der Stadt Wien 1949, S. 436 ff., 487 f.
- Brigitte Rigele: Entnazifizierung in Wien. In: Entnazifizierung im regionalen Vergleich. Hg. von Walter Schuster, Wolfgang Weber. Linz: Archiv der Stadt Linz 2004, S. 321-335, hier: 321 f.
- Walter Schuster, Wolfgang Weber: Entnazifizierung im regionalen Vergleich: Der Versuch einer Bilanz. In: Entnazifizierung im regionalen Vergleich. Hg. von Walter Schuster, Wolfgang Weber. Linz: Archiv der Stadt Linz 2004, S. 15-41, hier: 30.
- Bernd Vogel: NS-Registrierung in Wien. In: Entnazifizierung im regionalen Vergleich. Hg. von Walter Schuster, Wolfgang Weber. Linz: Archiv der Stadt Linz 2004, S. 337-361, hier: 338 f.