Registrierung von Nationalsozialisten in Wien

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Formularblatt zur NS-Registrierung
Daten zum Eintrag

Auf Betreiben der Alliierten sollte nach Kriegsende eine rasche Registrierung aller ehemaliger Nationalsozialistinnen und Nationalsozialisten erfolgen, um diese aus öffentlichen Behörden und Unternehmen zu entfernen. Die gesetzlichen Grundlagen der Registrierung bildeten das im Mai 1945 beschlossene Verbotsgesetz und die Registrierungsverordnung von Juli 1945. Die im Rahmen der Erfassung entstandenen NS-Registrierungsakten und Registrierungslisten der Bezirke 1-23 werden im Wiener Stadt- und Landesarchiv verwahrt.

Verbotsgesetz

Die Registrierung von ehemaligen Nationalsozialistinnen und Nationalsozialisten wurde durch das Verbotsgesetz vom Mai 1945 festgelegt, eines der ersten Gesetze, das in Folge des Zweiten Weltkriegs unter der Alliierten Besatzung (1945 bis 1955) von der neuen österreichischen Regierung verabschiedet wurde. Laut dem Verbotsgesetz waren Listen über alle Nationalsozialistinnen und Nationalsozialisten anzufertigen. Als Grundlage dafür galt nicht das Verhalten dieser Menschen im Nationalsozialismus, sondern die Mitgliedschaft bei der NSDAP oder einer ihrer Organisationen und Wehrverbände sowie die entsprechenden Funktionen. Personen, die als „illegal“ beziehungsweise ab 1947 als „belastet“ eingestuft wurden, mussten mit Rechtsfolgen wie rechnen. Von Beginn an waren Bestrafungen im Wege der Verwaltungsbehörden vorgesehen: Steuerzuschlag auf Einkommens- und Lohnsteuer, Grundsteuer sowie eine Vermögensabgabe (als Sühneabgabe bezeichnet), Berufsverbot oder Verlust des Wahlrechts.

NS-Registrierungs-Verordnung

Um die Erfassung und Registrierung von Nationalsozialistinnen und Nationalsozialisten durchzuführen, wurde am 11. Juli 1945 die NS-Registrierungs-Verordnung erlassen Zu melden hatten sich alle Personen mit dem ordentlichen Wohnsitz oder dem dauernden Aufenthalt im Gebiet der Republik Osterreich, die zwischen dem 1. Juli 1933 und dem 27.April 1945 der NSDAP zumindest zeitweise oder einer ihrer Wehrverbände angehört haben, alle Parteianwärter und Personen, die sich um eine Aufnahme in die SS beworben haben. Registrierungspflichte mussten sich bei Registrierungsstellen der Gemeinde melden und wurden in Listen erfasst, die später für die Bevölkerung öffentlich zugänglich waren.

In Wien begann die NS-Registrierung bereits im Juli 1945 und wurde von der Magistratsabteilung VII/2, beziehungsweise ab 1946 von der Magistratsabteilung 62, unter Leitung von Obersenatsrat Mauritius Stollewerk koordiniert. Für die Registrierung vor Ort wurden Meldestellen eingerichtet, die in die Bezirksämter eingegliedert waren und der Bezirksamtsleitung unterstanden. Die Fristen zur Registrierung in den Bezirken 1-21 liefen bis 3. Juli 1945, in den Bezirken 22-26, wo es aufgrund der Kriegszerstörungen noch keine geregelten Verkehrsverbindungen ins Zentrum gab, bis 10. September 1945. Diese Meldefristen wurden mehrmals verlängert: In den Bezirken 1-21 vorerst bis zum 25. August 1945 und in den Bezirken 22-26 bis 24. September 1945. Bis zu diesem Zeitpunkt ließen sich insgesamt 77.311 Personen, davon 52.664 Männer und 24.647 Frauen, in Wien registrieren. Die Zahl stieg bis 16. Februar 1946 (Heimkehrer, Außenbezirke) auf 102.209 Personen. Der Frauenanteil lag bei ca. 29%. Nicht erfasst waren geflohene Nationalsozialisten, strafrechtlich Verfolgte, solche, die sich in Anhaltelagern der Alliierten befanden, und noch nicht zurückgekehrten Kriegsteilnehmer.

Nachsichtsgesuche und Einspruchsverfahren

Rund 90% der Registrierten machten von der gesetzlich eigentlich nur im Ausnahmefall vorgesehen Möglichkeit, um eine Ausnahmegenehmigung/Streichung anzusuchen, Gebrauch. Ausnahmen waren vorgesehen, wenn „der Betreffende seine Zugehörigkeit zur NSDAP oder einer ihrer Wehrverbände niemals missbraucht hat“. Die Einspruchskommissionen, die bei den Bezirksämtern unter der Leitung von aus der Pension rückgeholten Juristen arbeiteten, schickten die Einsprüche mit den Begründungen über die Magistratsabteilung 62 an eine Beschwerdekommission beim Bundesministerium des Inneren oder die Sonderoberkommission beim Bundeskanzleramt, die darüber entscheiden sollten. Das mehrstufige Verfahren verzögerte die Erstellung der bezirksweise nach Straßen erstellten Listen der Registrierten. Am 24. April 1946 endete schließlich die Eintragungsfrist. Danach ließ der Bürgermeister die Listen von 25. April bis 22. Mai 1946 erstmals zur Einsicht durch die Bevölkerung veröffentlichen. Informationen über die Registrierten mit Alters- und Berufsstatistik wurden überdies im ‘Amtsblatt der Stadt Wien’ Nr. 14/1946 und im Statistischen Jahrbuch der Stadt Wien 1943-1945 veröffentlicht.

Nach der Neuregelung der Registrierung durch das Nationalsozialistengesetz 1947 erfolgte eine weitere öffentliche Auflegung im September 1947. Nachtragslisten folgten - wie gesetzlich vorgesehen - halbjährlich. Mit der NS-Amnestie vom 29. März 1957 endete die Registrierungspflicht.

Ergebnisse

Bis August 1947, als die Ergebnisse der Registrierung zusammengestellt wurden, hatten sich 108.673 Personen gemeldet, wovon insgesamt 108.405 Personen – 77.134 Männer und 31.271 Frauen – registriert hatten. Von den in Wien registrierten Personen reichten 91.010 Nachsichtsgesuche bzw. Einsprüche ein.

Siehe auch:

Quellen

Literatur

  • Sonja Niederacher: Die Entwicklung der Entnazifizierungsgesetzgebung. In: Entnazifizierung zwischen politischem Anspruch, Parteienkonkurrenz und Kaltem Krieg. Das Beispiel der SPÖ. Hg. von Maria Mesner. Wien / München: Oldenbourg Verlag 2005, S. 13-36, hier: 13, 25 ff.
  • O.A.: Die Verwaltung der Bundeshauptstadt Wien vom 1. April 1945 bis 31. Dezember 1947. Verwaltungsbericht. Hg. vom Magistrat der Bundeshauptstadt Wien. Wien: Magistrat der Stadt Wien 1949, S. 436 ff., 487 f.
  • Brigitte Rigele: Entnazifizierung in Wien. In: Entnazifizierung im regionalen Vergleich. Hg. von Walter Schuster, Wolfgang Weber. Linz: Archiv der Stadt Linz 2004, S. 321-335, hier: 321 f.
  • Walter Schuster, Wolfgang Weber: Entnazifizierung im regionalen Vergleich: Der Versuch einer Bilanz. In: Entnazifizierung im regionalen Vergleich. Hg. von Walter Schuster, Wolfgang Weber. Linz: Archiv der Stadt Linz 2004, S. 15-41, hier: 30.
  • Bernd Vogel: NS-Registrierung in Wien. In: Entnazifizierung im regionalen Vergleich. Hg. von Walter Schuster, Wolfgang Weber. Linz: Archiv der Stadt Linz 2004, S. 337-361, hier: 338 f.