Michaelerfreithof
48° 12' 29.09" N, 16° 22' 0.57" E zur Karte im Wien Kulturgut
Der Michaelerfreithof (auch "Michaelerfriedhof"; 1.) war ein mittelalterlicher Friedhof bei der Michaelerkirche.
Der Friedhof wurde wohl schon anlässlich der Erbauung der Kirche in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts angelegt, jedoch erstmals erst 1310 erweitert. Er erstreckte sich bis zur Mitte des heutigen Michaelerplatzes und über die heutigen Parzellen Kohlmarkt 11, Michaelerplatz 4 und Michaelerplatz 6, Reitschulgasse 4 und Habsburgergasse 12 bis Habsburgergasse 14. Die Friedhofskapelle St. Nikolaus wurde vermutlich durch den Stadtbrand am 30. April 1276 zerstört. Der Michaelerfreithof diente bis ins 16. Jahrhundert als Begräbnisstätte für die dem Pfarrsprengel St. Michael Zugehörigen.
Der Michaelerfreithof war von einer Mauer umgeben, durch die mehrere Tore führten. Auf dem Michaelerfreithof standen ein Karner (erwähnt 1428-1511) und ein großer Lindenbaum (erwähnt 1473, gefällt 1565). Die vielfigurige bemalte Steinskulptur "Christus am Ölberg", die Hans Hueber 1494 stiftete (Michaelerdurchgang), stand ursprünglich an der Innenseite des gegen den heutigen Platz gerichteten Teils der Friedhofsmauer und war von einem kleinen Gärtchen umgeben. Erst anlässlich der Erbauung des Kleinen Michaelerhauses wurde die Skulptur an ihren heutigen Standort an der Außenmauer der Blasiuskapelle der Michaelerkirche übertragen.
1510 ordnete Maximilian I. die Räumung und anschließende Pflasterung des Friedhofs an, die Bestattungen sollten fortan auf einem neuen Friedhof vor dem Kärntnertor stattfinden, der 1513 eröffnet wurde (Kolomanfreithof), im selben Jahr wurde der Pfarre St. Michael eine Entschädigung versprochen. Dieser Ersatzfriedhof wurde von 1513-1576 belegt.
Während der Ersten Türkenbelagerung (1529) wurden nochmals Tote im ehemaligen Michaelerfreithof bestattet, doch stellte dies Erzherzog Ferdinand I. schon am 23. Jänner 1530 ab. Das Areal diente nun Marktzwecken: Entlang der Mauer vor der Hauptfront der Kirche errichtete man Kramläden, die erstmals auf Wolmuets Stadtplan von 1547 ersichtlich sind und erst zu Beginn des 18. Jahrhunderts verschwanden.
Von den Gebäuden, die im Mittelalter den Friedhof gesäumt hatten, blieb nur das Gusterhaus (1., Habsburgergasse 14) erhalten, alle anderen gingen im 18. Jahrhundert im Großen Michaelerhaus und Kleinen Michaelerhaus auf. 1656 kauften die Barnabiten (als Inhaber der Pfarre St. Michael) zwecks Anlage eines eigenen Friedhofs Gründe "Im Schöff" (Mariahilfer Kirche). Der 1660 dort angelegte Friedhof diente bis 1784 der Pfarre St. Michael als Begräbnisstätte.
Im Zuge der Neugestaltung des Michaelerplatzes ab 2024 führt die Stadtarchäologie Wien Grabungen auf dem Gebiet des ehemaligen Friedhofs durch[1].
Literatur
- Katalog zur Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien. Wien 1959-2003. Band 113 (St. Michael 1288-1988), S. 93 ff.
- Wiener Stadtwerke - Städtische Bestattung (Hg.): Zur Geschichte der Friedhöfe in Wien, Bd. 1. Wien 1992, S. 37-39
- Peter Csendes / Ferdinand Opll [Hg.]: Wien: Geschichte einer Stadt. Band 1: Von den Anfängen bis zur Ersten Türkenbelagerung (1529). Wien: Böhlau 2001