Lucie Gordian
Lucie Gordian, * 21. Jänner 1918 Wien, † 14. September 2000 Melbourne, Schwimmerin.
Biografie
Lucie Goldner, verheiratete Gordian, kam am 21. Jänner 1918 als Tochter von Heinrich Goldner und dessen Ehefrau Risa, geborene Klein, in Wien zur Welt. Ihre Eltern hatten im Juli 1917 geheiratet, ihr Bruder Peter wurde im November 1920 geboren.
Im Alter von 13 Jahren begann Lucie Goldner ihre Karriere als Schwimmerin. 1933 kam sie zum Schwimmklub Hakoah, bei dem sie 1937 auch als Schriftführer-Stellvertreterin aufscheint. Zuvor schwamm sie in der Schwimmsektion des Wiener Athletiksport-Clubs (WAC). Unter ihrem Trainer Zsigo Wertheimer wurde Lucie Goldner rasch zu einer der besten Rückenschwimmerinnen Österreichs. Sie nahm an vielen Schwimmbewerben der Hakoah-Damen teil und feierte 1935 in Tel Aviv bei der Makkabiade, der größten internationalen jüdischen Sportveranstaltung, große Erfolge.
1936 war Lucie Goldner eine von acht jüdischen Sportlerinnen und Sportlern, die vom Österreichischen Olympischen Comité in die Olympia-Mannschaft berufen wurden. Sechs davon, mit ihr die Schwimmerinnen Judith Deutsch und Ruth Langer, boykottierten als Zeichen des Protests gegen die Rassenpolitik und Judenverfolgung im nationalsozialistischen Deutschland die in Berlin ausgetragenen Spiele. Die drei Schwimmerinnen wurden vom Österreichischen Schwimmverband lebenslänglich gesperrt sowie aller Titel und Medaillen für verlustig erklärt. Erst massive internationale Proteste führten dazu, dass die Sperre auf zwei Jahre reduziert wurde. Nicht aufgehoben wurde die Tilgung ihrer Namen aus der Liste der Bestleistungen. Eine Rehabilitierung der Sportlerinnen durch den Österreichischen Schwimmverband erfolgte erst Mitte der 1990er Jahre.
Nach dem Anschluss wurde Lucie Goldner verhaftet, doch gelang ihr kurz vor der geplanten Deportation die Flucht aus der Gestapo-Kaserne. Über Berlin kam sie nach London, wo sie Ende April 1938 – vermutlich mit Unterstützung des Hakoah-Funktionärs Valentin Rosenfeld – Aufnahme fand. In London heiratete sie den tschechischen Emigranten Henry Gordian, an ihre sportlichen Erfolge konnte sie nicht mehr anknüpfen. Ihr Bruder und Vater überlebten den Zweiten Weltkrieg im Exil, ihre Mutter wurde Opfer des Holocaust.
Nach dem Krieg gingen Lucie und Henry Gordian mit ihrer gemeinsamen Tochter in die Tschechoslowakei, verließen aber nach der kommunistischen Machtübernahme 1948 Prag und emigrierten nach Australien. Gordian trainierte mehrere Jahre lang das Schwimmteam des Bundesstaats Victoria und engagierte sich in der Women’s International Zionist Organisation.
Literatur
- Ilse Korotin [Hg.]: biografiA. Lexikon österreichischer Frauen. Band 1: A-H. Wien / Köln / Weimar: Böhlau 2016, S. 1049 f.
- Ignaz H. Körner: Lexikon jüdischer Sportler in Wien 1900-1938. Mandelbaum: Wien 2008, S. 79 f.
- Sandra Schmoliner: Boykott der Olympischen Spiele 1936. Zu den Biographien von Judith Deutsch, Ruth Langer und Lucie Goldner vor dem Hintergrund antisemitischer Tendenzen gegen jüdische Sportlerinnen. Dipl.-Arb. Univ. Wien. Wien 2005
- Academic dictionaries and encyclopedias [Stand: 04.11.2021]
- Österreich 1918 plus: Protest jüdischer Schwimmerinnen [Stand: 04.11.2021]
- Jüdische Sportfunktionäre. Wien 1918–1938: Lucie Goldner [Stand: 04.11.2021]
- Datenbank des DÖW: Abfrage Goldner, Risa [Stand: 04.11.2021
- Wikipedia: Lucie Gordian [Stand: 04.11.2021]
- Nachruf auf Lucie Gordian in: H-Net Online [Stand: 04.11.2021]
- GenTeam. Die genealogische Datenbank: Abfragen: Goldner, Lucie; Klein, Risa, Goldner, Heinrich (kostenfrei, Registrierung notwendig) [Standt. 04.11.2021]