Matthias Marenzeller
Marenzeller Matthias, * 15. Februar 1765 Pettau, Untersteiermark (Ptuj, Slowenien), † 6. Jänner 1854 Leopoldstadt 396 (2, Praterstraße 67), Militärarzt, Homöopath. Als Sohn eines armen Handwerkers kam Marenzeller völlig unbemittelt nach Wien, wo er zunächst im 1784 gegründeten Allgemeinen Krankenhaus Wien anatomische und chirurgische Demonstrationen abhielt. Nachdem er dabei dem Kaiser aufgefallen war, konnte Marenzeller 1785-1788 an der medizinisch-chirurgischen Militärakademie (Josephinum) studieren. Danach wirkte Marenzeller am Militärhauptspital in Agram, wo er sein ärztliches Können während einer Skorbutepidemie unter Beweis stellte. Nach dem Ende der Napoleonischen Kriege wirkte er als dirigierender Stabsarzt des lombardischen Generalkommandos und ab 1816 als Stabsarzt am Prager Invalidenhaus; damals erfolgte auch Marenzellers erste Begegnung mit der neuen homöopathischen Lehre von Samuel Hahnemann, der sich Marenzeller begeistert anschloss. Bald praktizierte Marenzeller die neue Lehre nicht nur im Prager Invalidenhaus, sondern auch an der ihm rasch sehr zahlreiche zuströmenden Prager Zivilbevölkerung aller Schichten. Bis 1819 wurde durch Marenzellers unermüdliche Tätigkeit die Homöopathie in ganz Böhmen verbreitet. Dies erregte allerdings das Missfallen des kaiserlichen Leibarztes und Protomedicus der österreichischen Erblande Joseph Andreas Freiherr von Stifft, der als oberster Leiter des österreichischen Sanitätswesens die Selbstverfertigung von Arzneien und die Heilung innerlicher Krankheiten bei der Zivilbevölkerung durch Militärärzte verbot; 1819/1820 wurde darüber hinaus auf kaiserlichen Befehl eine Untersuchungskommission gegen Marenzeller tätig, die allerdings niemals zu einem endgültigen Urteil gelangte. 1820 gestattete der Kaiser Marenzeller sogar, Carl Fürst Schwarzenberg zu einem Konsiliarbesuch bei Hahnemann nach Leipzig zu begleiten, wobei Marenzeller nun endlich auch die persönliche Bekanntschaft seines Meisters machen konnte. 1828 konnte Marenzeller von Prag nach Wien zurückkehren, wo er eine behördliche Prüfung des von ihm angewendeten Heilverfahrens an einer eigens dafür im Militärspital eingerichteten Klinik (zwölf Betten) erwirken konnte; obwohl wegen zu geringer Patientenzahl der Wert des Therapieverfahrens nicht schlüssig beurteilt werden konnte, wurde das öffentliche Interesse geweckt, und Marenzeller gelangte in Wien zu großer Popularität. Einer seiner bedeutendsten Schüler war Johann Emanuel Veith, der aus dem Kreis von Clemens Maria Hofbauer stammte. Auch während der 1831/1832 in Wien herrschenden Choleraepidemie erzielte Marenzeller mit Veith gute Erfolge. Dennoch wurde 1833 wieder eine Untersuchung gegen Marenzeller eingeleitet. Erst nach dem Tod Kaiser Franz' I. (1835) und Stiffts (1836) gelang es, bei Ferdinand I. 1837 die Aufhebung des 1819 verfügten Verbots der homöopathische Heilart zu erwirken. Marenzeller, der später auch Leibarzt Erzherzog Johanns war, durfte schließlich den Verein homöopathischer Ärzte gründen.
Literatur
- Agathon Wernich / August Hirsch: Biographisches Lexikon der hervorragenden Aerzte aller Zeiten und Völker. Wien [u.a.]: Urban u. Schwarzenberg 1884-1888
- Wilhelm Kosch: Das katholische Deutschland. Biographisch-bibliographisches Lexikon. Augsburg: Literarisches Institut von Haas und Grabherr 1938
- Neue deutsche Biographie. Hg. von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Berlin: Duncker & Humblot 1953 - lfd.
- Österreichisches biographisches Lexikon 1815–1950. Hg. von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften / Wien/Graz: Böhlau 1954-lfd.
- Constantin von Wurzbach: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich. Enthaltend die Lebensskizzen der denkwürdigen Personen, welche 1750 bis 1850 im Kaiserstaate und in seinen Kronländern gelebt haben. 60 Bände. Wien: Verlag der typografisch-literarisch-artistischen Anstalt 1856-1891. Register 1923
- Erna Lesky: Die Wiener medizinische Schule im 19. Jahrhundert. Wien [u.a.]: Böhlau 1965 (Studien zur Geschichte der Universität Wien, 6), S. 37, 49 f.
- Erna Lesky: Matthias Marenzellers Kampf für die Homöopathie in Österreich. In: Sudhoffs Archiv. Zeitschrift für Wissenschaftsgeschichte 38 (1954), S. 110 ff.
- Salomon Kirchenberger: Lebensbilder hervorragender österreichisch-ungarischer Militär- und Marineärzte. Wien / Leipzig: Šafář 1913, S. 117 ff.
- Wiener medizinische Wochenschrift 4 (1854), S. 27
- Zeitschrift des Vereins der homöopathischen Ärzte Österreichs 1 (1857), S. 142