Militärschwimmschulen
Jean Jacques Rousseau (1712-1778) vertrat in seinem 1762 erschienenen Werk "Emil oder über die Erziehung" die Ansicht, dass das Baden der Kinder in kaltem Wasser eine wichtige pädagogische und medizinische Maßnahme sei. Basierend auf dieser Idee erwirkte der in österreichischen Diensten stehende preußische Offizier Hauptmann Ernst von Pfuel (1779-1866) 1810 die Errichtung der 1. Militärschwimmschule der Welt in Prag. Ihr folgten Schulen in Klosterneuburg (1811), Wien (1813), Linz (1817) und Graz (1839). Die Schwimmschulen sollen zur Abhärtung und Disziplinierung der Soldaten dienen. Mit ein Grund für die Errichtung dieser Schwimmschule ist aber auch der Umstand, dass sich unter der großen Zahl an Toten bei den Kämpfen gegen Napoleon 1809 in der Lobau ein hoher Anteil ertrunkener österreichischer Soldaten befand.
Alte k. k. Militär- und Zivil-Schwimmschule
Sie befand sich im unteren Kaiserwasser am Ende der Schwimmschulallee (Reichsbrückenstraße) in der Gegend des letzten Kohlenhoftors der Nordbahn, wurde über Anregung von Oberst Graf Bentheim von Privaten gegründet und nach Entwürfen von Feldmarschallleutnant Franz Freiherr von Schulzig 1813 errichtet. Dazu wurden floßartige Schiffe, so genannte Flussbadeschiffe, mit hölzernen Aufbauten als Umkleidekabinen am Ufer befestigt. Geschwommen wurde in aus Metallgittern gefertigten Badekörben, durch die das Donauwasser floss. Das Bassin war 76 mal 15 Meter groß. Als Probe für das "Freiwerden" war den Schwimmschülern vorgeschrieben, die Donau zu überqueren.
In Zeiten, in denen diese Schiffe nicht vom Militär benützt wurden, standen sie der männlichen Bevölkerung zur Verfügung. Nur am Sonntag durften Frauen, gegen eine kleine Eintrittsgebühr, den Männern beim "sportlichen Treiben" zusehen.
In der Nähe der Militärschwimmschule befand sich Jahudkas Gasthaus "Zur alten Schwimmschule". Die Militärschwimmschule wurde durch die Donauregulierung 1874 trockengelegt.
Neue Militärschwimmanstalt
2., Handelskai 337-339 (alt 15): Als Ersatz errichtete die Militärverwaltung der Wiener Garnison 1873-1875 in Eigenregie in der Krieau eine neue Militärschwimmschule auf einem ihr vom Donauregulierungsfonds pachtweise überlassenen Uferstreifen am rechten Ufer des "Durchstichs" unterhalb der Feuerwerksallee (Ausstellungsstraße). Die Schwimmschule wurde am 18. August 1875 eröffnet und besaß ein etwa 68 mal 19 Meter großes Bassin, das mittels eines eigenen Brunnens mit Grundwasser gefüllt wurde.
Offiziell wurde die Schwimmschule Krieau in der Zwischenkriegszeit vom Bundesheer nicht verwendet; erst von der deutschen Wehrmacht wurde die Schwimmanstalt wieder genützt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Anstalt abgetragen, das Gebäude wurde von verschiedenen Firmen für Lagerzwecke angemietet. Heute ist das Areal eine Grünfläche.
Militärschwimmschule "Alte Donau"
22., Arbeiterstrandbadstraße 93: Die Militärschwimmschule "Alte Donau" lag oberhalb der Kagraner Brücke und wurde am 20. Juni 1919 eröffnet (vorher einfacher Badeplatz für die in der nahegelegenen Militär-Schießstätte übenden Truppen). Sie wurde zu einem Familienbad ausgestaltet (100 Meter lange Sportschwimmbahn mit Sprungturm). Während des Zweiten Weltkriegs diente die Anlage der deutschen Wehrmacht als Schwimmanstalt. Das Bad besteht heute als Bundesbad "Alte Donau" (1961 Erneuerung). Donaubäder.
Schönbrunn
In der Zwischenkriegszeit (bis 1934) wurde das Bad im Schlossgarten Schönbrunn als Militärschwimmschule verwendet, ebenso von der deutschen Wehrmacht. Während der Besatzungszeit nützten die Briten das Bad in Schönbrunn unter dem Namen "Lido in Wien" bis zu ihrem Abzug 1955.
Nachkriegszeit
Seit 1955 werden die zivilen Schwimmbäder vom Bundesheer benützt.
Literatur
Ad "Alte k. k. Militär- und Zivil-Schwimmschule"
- Die Leopoldstadt. Ein Heimatbuch. Wien: Lehrer-Arbeitsgemeinschaft 1937, S. 251
- Rolf M. Urrisk-Obertyński: Wien - 2000 Jahre Garnisonsstadt. Band 4/1 (2.-6. Bezirk). Graz: Weishaupt-Verlag 2017, S. 50
Ad "Neue Militärschwimmanstalt"
- Paul Kortz: Wien am Anfang des 20. Jahrhunderts. Ein Führer in technischer und künstlerischer Richtung. Hg. vom Oesterreichischen Ingenieur und Architekten-Verein. Band 2. Wien: Gerlach & Wiedling 1906, S. 311
- Die Leopoldstadt. Ein Heimatbuch. Wien: Lehrer-Arbeitsgemeinschaft 1937, S. 251
- Militär-Adreßbuch für Wien und Umgebung. Wien: K. K. Hof- und Staatsdruckerei 1913, S. 122
- Rolf M. Urrisk-Obertyński: Wien - 2000 Jahre Garnisonsstadt. Band 4/1 (2.-6. Bezirk). Graz: Weishaupt-Verlag 2017, S. 44
Ad "Militärschwimmschule Alte Donau"
- Die Leopoldstadt. Ein Heimatbuch. Wien: Lehrer-Arbeitsgemeinschaft 1937, S. 251
Ad "Schönbrunn"
- Rolf M. Urrisk-Obertyński: Wien - 2000 Jahre Garnisonsstadt. Band 5/1 (10.-15. Bezirk). Graz: Weishaupt-Verlag (erscheint 2020)