Mitropapokal (offiziell „La Coupe de l’ Europe Centrale“) war der Name eines der bedeutendsten internationalen Fußballwettbewerbe, der von 1927 bis 1940 und von 1955 bis 1992 ausgetragen wurde. Mitropa ist ein Akronym seines Sponsors, der „Mitteleuropäischen Schlaf- und Speisewagen Aktiengesellschaft“.
Vorgeschichte
Ausgangspunkt des Mitropapokals war die Einführung des Professionalismus in Wien mit der Saison 1924/1925, mit der auch erstmals offiziell Spielerverpflichtungen/-wechsel ins Ausland geregelt wurden. Um die Abwanderung eigener Fußballer zu unterbinden, folgten 1925 die Tschechoslowakei und ein Jahr später Ungarn mit der Einführung des Profitums im Fußball. Es zeigte sich im Zuge dieser Systemänderung relativ schnell, dass der Professionalismus viele – vor allem kleinere – Vereine an die Grenzen der finanziellen Belastbarkeit führte. Während größere Vereine von finanziell attraktiven Freundschaftsspielen und Tourneen profitieren konnten, gerieten kleinere Klubs vermehrt in finanzielle Turbulenzen. Konkurse waren die Folge.
Um den Profibetrieb weiter gewährleisten zu können, war daher die Erschließung neuer Einnahmequellen unumgänglich. So kam es zur Entwicklung eines übernationalen Cup-Wettbewerbs – dem Mitropapokal – der die besten Vereine der durch das Ende des Ersten Weltkriegs staatlich separierten Nachfolgestaaten der k. u. k. Doppelmonarchie auf sportlichem Gebiet wieder zusammenführen sollte.
Gemeinschaftsprodukt
Die Idee zu diesem neuen Wettbewerb entstand in Zusammenarbeit des österreichischen Verbandskapitäns Hugo Meisl, seiner jeweiligen Pendants in der Tschechoslowakei und Ungarn, Karel Petru und Moritz Fischer, sowie Rapid-Präsident Hans Fischer gemeinsam. Neben der Stärkung der Finanzkraft durch die Zuschauereinnahmen, hoffte man auch, die Leistungsfähigkeit der einzelnen Vereine durch den internationalen Wettstreit steigern zu können.
Im Sommer 1927 wurde in Venedig der neue Bewerb für Klubmannschaften aus der Taufe gehoben. Unter den ersten Teilnehmerländern befanden sich Österreich, Tschechoslowakei, Ungarn aber auch Jugoslawien, das 1929 durch Italien ersetzt wurde. Später kam Jugoslawien wieder hinzu, 1936 traten die Schweiz und ein Jahr später Rumänien in das Turnier ein. Die entsprechende Teilnahmequalifikation erfolgte über die jeweiligen heimischen Meisterschaften und Cupbewerbe. Im Laufe der Zeit wurde deutlich, dass sich immer dieselben Vereine qualifizieren konnten. Für kleinere Klubs blieb der lukrative Wettbewerb außer Reichweite. So vergrößerte sich in der Folge die Kluft zwischen arm und reich. Die deutschen Vereine nahmen nicht am Mitropapokal teil, da ihr Amateurparagraph ein Kräftemessen mit Profimannschaften nicht zuließ. Trotz einiger Bemühungen konnten auch die französischen Klubs nicht zu einer Teilnahme bewogen werden.
Der internationale Wettbewerb war von Anfang an ein großer Erfolg, wenngleich er auch eine Bühne für die Austragung politischer Konflikte zwischen den Teilnehmerländern bot. Krawalle in Verbindung mit Zuschauerausschreitungen und vor allem die darauf folgende Berichterstattung lässt dies gut nachvollziehen. Auch der Schriftsteller Friedrich Torberg formulierte dahingehend überaus treffend: „Was ein richtiges Mitropa-Cup ist, muss auf der Botschaft zu Ende gespielt werden.“[1]
Wiener Erfolge und vorläufiges Ende
Mit der nationalsozialistischen Machtergreifung endete die Teilnahme der Wiener Vereine am Mitropapokal. Der Wiener Professionalismus wurde formal durch das NS-Regime abgeschafft und der internationale Spielverkehr drastisch eingeschränkt. Trotz des Ausscheidens seiner Miterfinder wurde der Cup noch bis 1940 fortgesetzt. In der Bilanz der ersten vierzehn Saisonen des Wettbewerbs finden sich je vier ungarische und österreichische, drei tschechoslowakische sowie zwei italienische Siege, wobei das Finale im Jahr 1940 nicht mehr ausgespielt wurde. 1930 gewann mit Rapid der erste österreichische Verein im Finale gegen Sparta Prag. Ein Jahr später konnte sich die Vienna im innerösterreichischen Duell mit dem WAC durchsetzen. Mit der Vienna gewann auch zum ersten Mal ein Klub ungeschlagen den Wettbewerb. Die internationale Bedeutung des Mitropapokals wird durch die Tatsache verdeutlicht, dass das erste Finalspiel der beiden Wiener Vereine 1931 in Zürich ausgetragen wurde. Zweimal gewann die Austria unter der Regie von Matthias Sindelar den Pokal: 1933 gegen AS Ambrosiana-Inter Mailand und 1936 gegen Sparta Prag. Mit gesamt 24 Toren ist der Wunderteamspieler auch österreichischer Rekordtorschütze des Wettbewerbs.
Nachleben
1951 kam es zu einer einmaligen Wiederbelebung als Zentropapokal in Turnierform. Dabei konnte sich Rapid gegen SC Wacker im Finale durchsetzen konnte. 1955 folgte eine Fortsetzung des Turniers unter seinem ursprünglichen Namen, wenngleich in geänderter Form im Tabellenmodus. Bedingt durch die neue Nachkriegsordnung und durch den sich prächtig entwickelnden Europacup als Konkurrenten konnte der Bewerb aber nicht mehr an seine erfolgreiche Anfangsära anknüpfen. Bis zu seiner Einstellung 1992 führte er ein Schattendasein, an dem nur zweit- oder drittklassige Mannschaften teilnahmen. 1984 siegte mit dem SC Eisenstadt letztmals ein österreichischer Vertreter.
Finalpaarungen
Jahr | Finalist | Finalist | Resultat |
1927 | Sparta Prag (Sieger) | SK Rapid Wien | 6:2 / 1:2 |
1928 | Ferencváros Budapest (Sieger) | SK Rapid Wien | 7:1 / 3:5 |
1929 | Újpesti FC (Sieger) | Slavia Prag | 5:1 / 2:2 |
1930 | Sparta Prag | SK Rapid Wien | 0:2 / 3:2 |
1931 | Wiener AC | First Vienna FC 1894 (Sieger) | 2:3 / 1:2 |
1932 | AGC Bologna (Sieger)[2] | First Vienna FC 1894 | 2:0 / 0:1 |
1933 | AS Ambrosiana-Inter Mailand | FK Austria Wien (Sieger) | 2:1 / 1:3 |
1934 | SK Admira Wien | AGC Bologna (Sieger) | 3:2 / 1:5 |
1935 | Ferencváros Budapest | Sparta Prag (Sieger) | 2:1 / 0:3 |
1936 | FK Austria Wien (Sieger) | Sparta Prag | 0:0 / 1:0 |
1937 | Ferencváros Budapest (Sieger) | Lazio Rom | 4:2 / 5:4 |
1938 | Slavia Prag (Sieger) | Ferencváros Budapest | 2:2 / 2:0 |
1939 | Ferencváros Budapest | Újpesti FC (Sieger) | 1:4 / 2:2 |
1940 | Ferencváros Budapest | FC Rapid Bukarest | nicht ausgetragen[3] |
Literatur
- Andreas Hafer/Wolfgang Hafer: Hugo Meisl oder Die Erfindung des modernen Fußballs. Eine Biographie. Göttingen: Verlag Die Werkstatt 2007
- Matthias Marschik/Doris Sottopietra: Erbfeinde und Haßlieben. Konzept und Realität Mitteuropas im Sport. Münster: Lit Verlag 2000
- Matthias Marschik/Clemens Zavarsky: Das Symbol Mitteleuropas. In: Ballesterer Fußballmagazin 99/2015, S. 16-26
- Friedrich Torberg: Die Tante Jolesch oder Der Untergang des Abendlandes in Anekdoten und Die Erben der Tante Jolesch. München: Langen Müller 2008
- Clemens Zavarsky: Der letzte Cup. In: ballesterer Fußballmagazin 99/2015, S. 27
Weblinks
*Verein für Geschichte der ArbeiterInnenbewegung, Wiberal: W1/63: Mitropacupsitzung im ÖFB-Verbandsheim in der Wiener Berggasse, um 1937. 4.v.l. Josef Gerö, ganz rechts: Hugo Meisl |
Einzelnachweise
- ↑ Friedrich Torberg: Die Tante Jolesch oder Der Untergang des Abendlandes in Anekdoten und Die Erben der Tante Jolesch. München 2008, S.493
- ↑ Bologna wurde als Halbfinalsieger gegen die Vienna zum Sieger erklärt, nachdem die Teams des anderen Semifinals disqualifiziert wurden.
- ↑ Aufgrund des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs wurde der Wettbewerb abgebrochen.