Niederösterreichische Elektrizitätswirtschafts-Aktiengesellschaft
1907 gründete das Land Niederösterreich ein eigenes Landes-Elektrizitätswerk, das der Stromversorgung der Mariazellerbahn dien sollte. Im Zuge der Loslösung Wiens von Niederösterreich einigten sich beide Teile im Trennungsgesetz von Dezember 1921 in Artikel 10, dieses Werk in eine Aktiengesellschaft für Elektrizitätswirtschaft unter Beteiligung beider Bundesländer zu gleichen Teilen umzuwandeln. Die Gründungs-Hauptversammlung der nunmehrigen "Niederösterreichischen Elektrizitätswirtschafts-AG" (NEWAG) fand im Mai 1922 statt. Am 2. Juni des Jahres wurde die Gesellschaft ins Handelsregister eingetragen. Als Firmensitz fungierte bis 1963 die Zentrale in Wien-Innere Stadt, Löwelstraße 18 (heute Sitz der SPÖ-Bundesparteizentrale).
Noch im Jahr 1922 brachte die Stadt Wiener Neustadt ihr städtisches Elektrizitätsunternehmen in die NEWAG ein, womit sie zum dritten Großaktionär wurde. Mit drei Aktienemissionen in den Jahren 1922 und 1923 öffnete sich die Gesellschaft auch Kleinaktionären. Sie hatte zu diesem Zeitpunkt kein Monopol auf die Stromversorgung des Landes Niederösterreich, sodass es zunächst vordringliche Aufgabe war, die isolierten kleineren Stromnetze mit einem landesweiten Übertragungsnetz zu verbinden und noch unversorgte Landesteile zu elektrifizieren. Wichtige Investitionen in den 1920er Jahren waren der Bau des Speicherkraftwerks Erlaufboden und einer Hochversorgungsleitung zwischen St. Pölten und Wiener Neustadt. 1933 belieferte die NEWAG bereits 900 Gemeinden. Eine auf den Strompreis aufgeschlagene Länderabgabe diente der Tilgung von Schulden der Gesellschaft.
In der Zeit des Nationalsozialismus erfuhr die NEWAG eine Umbenennung in "Gauwerke Niederdonau", die zahlreiche kommunale Elektrizitätswerke (darunter jene von Krems, Horn und St. Pölten) übernahmen.Im März 1940 tauschten die Reichsgaue Wien und Niederdonau die Anteile Wiens an den "Gauwerken" gegen Grundbesitz Niederdonaus in Wien. Damit schied der Gründungaktionär Wien nach 18 Jahren aus der Gesellschaft aus. 1947 bestimmte das Zweite Verstaatlichungsgesetz, dass die Landes-Elektrizitätsgesellschaften zu 100 Prozent in das jeweilige Landeseigentum übergingen, wodurch Niederösterreich zum Alleineigentümer des nun wieder NEWAG heißenden Unternehmens wurde und bis zur Teilprivatisierung ab 1989 auch blieb.
Eine weitere Konsequenz der NS-Zeit war die Übertragung von rund 30 Ortsnetzen, die durch die Stadterweiterung 1938 nun zu "Groß-Wien" gehörten, an die Wiener E-Werke im Jahr 1941. Die von der NEWAG nach 1945 begehrte Rückstellung dieser Anlagen zog einen langjährigen Rechtsstreit nach sich, der 1969 zugunsten der nunmehrigen Wiener Stadtwerke endete.
1986 wurde der niederösterreichische Erdgas-Versorger NIOGAS mit der NEWAG verschmolzen. Seit 1988 firmiert die Aktiengesellschaft unter dem neuen Namen "Energieversorgung Niederösterreich" (EVN). Die Europäische Binnenmarktrichtlinie für Elektrizität (1996) beendete sukzessive das regionale Versorgungsmonopol, das heißt Stromkunden können seit 2001 ihren Stromversorger frei wählen.
Literatur
- Georg Rigele: Die Trennung Wiens von Niederösterreich, die Gründung der NEWAG und die Folgen. In: Bernard Hachleitner/Christian Mertens [Hg.]: Wien wird Bundesland. Die Wiener Stadtverfassung und die Trennung von Niederösterreich. Salzburg/Wien: Residenz 2020, S. 145-153