Porträtsammlung
Porträtsammlung (Österreichische Nationalbibliothek), ursprünglich Teil der nicht zur Hofbibliothek gehörigen habsburgischen Familien-Fideikommißbibliothek, 1921 der Österreichischen Nationalbibliothek einverleibt und als selbständige Sammlung eingerichtet, 1947 mit dem Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek zur Sammlung Bildarchiv und Grafiksammlung vereint. Den Grundstock bildeten rund 150.000 graphische Blätter.
Erzherzogs Franz I. (späterer Kaiser Franz I. von Österreich) Sammelleidenschaft war der Initiator für die Porträtsammlung und Fideikommißbibliothek. Sein Erzieher, Graf Franz de Paula Colloredo-Wallsee schrieb am 19. Februar 1785: "Er hat den Gedanken gefaßt, sich eine Bibliothek zusammen zu setzen."[1] Bis 1806 war Franz I. sein eigener Bibliothekar, legte selbst Kataloge zu seinen Sammlungen an. Für die Porträtsammlung verwendete er zwei große Foliobände: Ein "genealogischer" Teil umfasst die Bildnisse europäischer und einiger außereuropäischer Regentendynastien, der weit größere Sammlungsteil gliedert sich in 73, teils historische, Berufsstände beziehungsweise soziale Gruppen, von A wie Abgeordnete bis Z wie Zoologen. Darunter finden sich auch wertende Begriffe wie "Aufrührer", "Irrlehrer" oder "Missgestalten". Innerhalb dieser Gruppen waren die Namen der vorhandenen Porträts alphabetisch verzeichnet.
Die Bibliothek verwahrte Kaiser Franz I. in seinen Privatgemächern und als diese 1806 drohte, über die Räumlichkeiten hinauszuwachsen, wurden sie im zweiten und dritten Stockwerk im Schweizerhof in vier große Zimmer, einen Saal und vier kleine Zimmer übersiedelt. Im selben Jahr betraute er seinen Privatsekretär Peter Thomas Young mit der Betreuung seiner Sammlungen. Das Budget der Bibliothek betrug jährlich 12.000 bis 15.000 Gulden Konventionsmünze, was aus kaiserlichen Privatmitteln bestritten wurde. Von manchen Werken subskribierte Kaiser Franz I. bis zu zwölf Exemplare, die er an österreichische Bibliotheken verteilte.
Im Jahr 1809 erbte Kaiser Franz I. 2.174 Werke der schönen Literatur des 18. Jahrhunderts von seiner Tante, der Erzherzogin Maria Elisabeth. Im Jahr 1813 wurde die 150 Bände umfassende Manuskriptsammlung der Erbin von Sartory, Katharina Hefelin, gegen eine jährliche Leibrente von 200 Gulden übernommen. Dieser gehörten auch Kupferstiche, Porträts, Landkarten und Vues (Ansichten) an. Aber erst 1880 wurde diese ins Inventar der kaiserlichen Privatbibliothek aufgenommen. Young war ebenso wie der Kaiser selbst darauf erpicht, der Bibliothek wertvolle Zuwächse zu bringen. 1811 erwarb er den Nachlass des Baron Brandausch und auch an der Birkenstockischen Bücherauktion im nächsten Jahr beteiligte er sich tatkräftig.
Das erste Aktenstück des Archivs, datiert mit dem 7. Dezember 1809, enthält eine Bestandsauflistung über die Porträtsammlung, die von Young aufgestellt worden war, um auf die Evakuierung der Sammlung vor Napoleons I. Heer Richtung Wien vorbereitet zu sein. 678 Portefeuilles waren am 3. Mai 1809 von der Hofburg in das k. k. Waisenhaus in Alsergrund gebracht worden.
1813 drohte der so gut und beeindruckend gediegenen kaiserlichen Bibliothek abermals die Plünderung durch Napoleons I. Männer, ganz wie sie sich in Wien bereits 1805 und 1809 zugetragen hatten. Am 4. Juli 1813 erhielt Young von Kaiser Franz I. den Auftrag, die kostbarsten und seltensten Werke zu bergen. Einige wertvolle Kupferstiche wurden von Young vergraben, der größte Teil des kaiserlichen Eigentums in 236 Verschlägen auf Schiffen im Donaukanal in Sicherheit vor den Plünderungen gebracht, die glücklicherweise ausblieben, nachdem Napoleon die Schlacht bei Leipzig verloren hatte. In weiterer Folge erhielten andere Wiener Sammlungen die Objekte, die ihnen von Frankreich geraubt worden waren, 1815 wieder zurück.
Das rasche Anwachsen der Bibliothek hatte eine erhöhte bibliothekarische Arbeitsleistung zur Folge, der Young als hauptberuflicher Privatsekretär des Kaisers nicht mehr alleine nachkommen konnte. Deswegen wurden 1811 der Kanzlist Franz Thein und 1815 Wenzel Kissler als Skriptor bestellt. Nach Kisslers plötzlichen Tod 1821 war die Skriptorstelle freigeworden, auf die sich unter anderem Franz Grillparzer bewarb. Die Stelle ging am 27. Februar 1822 mit Dekret an Josef Khloyber. Als Youngs späterer Nachfolger blieb er bis zu seinem Tod 1869 Vorstand der kaiserlichen Privatbibliothek.
1826 erteilte der Kaiser an alle k. k. Gesandten und Minister an den Höfen strikte Anordnungen, nach welchen Kriterien Porträts und ähnlich geartete Kunstwerke zu sammeln und zu kaufen und von "merkwürdigen" Porträts zumindest Kopien anzustellen wären. Es entwickelten sich rege Korrespondenzen mit dem Ausland im Hinblick auf etwaige Kaufabschlüsse. Ergebnis dieser Unternehmung war ein gesamter Umfang von 46.448 Bildnissen der Porträtsammlung. 1828 kaufte Kaiser Franz I. die Sammlung (über 22.000 Blätter) des Schweizers Johann Kaspar Lavater (1741-1801) um 2.000 Gulden Konventionsmünze, ein Bestand, der auch heute noch große Aufmerksamkeit genießt. Auch chinesische Malerien des österreichischen Gesandten Watts fanden ihren Weg in die kaiserliche Privatsammlung.
Am 1. März 1835 verfügte Kaiser Franz I. testamentarisch, dass seine Privatsammlungen ein Primogenitur-Fideikommiss bilden sollten. Am 7. November 1852 wurde Bibliotheksvorstand Khloyber darüber verständigt, dass in Zukunft die die Fideikommiss-Bibliothek betreffenden Angelegenheiten über Graf Bombelles aus Reichstadt zu erledigen wären. Damit war die direkte Kommunikation zwischen Bibliotheksvorstand und Kaiser unterbrochen und der Vorstand war auch nicht länger des Kaisers wissenschaftlicher Berater, wie er es bis dahin gewesen war. Am 30. Juni 1858 wurde das Obersthofmarschallamt zur Führung der amtlichen Obsorge über das Primogenitur-Fideikommiss eingesetzt. 1869 folgte Moritz Alois Becker als Bibliotheksvorstand, der mit den neuen Verhältnissen zwischen Bibliothek und Kaiser besser umgehen konnte als Khloyber, den die Neuorganisation verbitterte. 1887 wurde Josef Ritter von Zhisman sein Nachfolger.
1894 musste die Privatbibliothek aufgrund des Baus der Neuen Burg in den Augustinergang übersiedelt werden. Hier genoss sie seit langem wieder adäquate Platzverhältnisse. Doch auch diese Räumlichkeiten erwiesen sich wegen Feuchtigkeit als ungeeignet. Unter Franz Schnürer, Leiter seit 1906, wurden die Bestände in die Neue Burg im zweiten Stock in 20 Räumen untergebracht. Kustos Jureczek hatte die Übersiedlungsarbeiten und Neuaufstellung der Sammlung anlässlich des 60-jährigen Regierungsjubiläums Kaiser Franz Josephs I. zwischen 2. April und 15. Juni 1908 gewissenhaft durchgeführt. Neues Zuhause der Sammlung war für die nächsten hundert Jahre das westliche Eckrisalit des Corps de Logis.
Die Porträtsammlung war immer Kern der k. k. Familien-Fideikommißbibliothek gewesen, 1921 wurde sie zur "Porträtsammlung der Nationalbibliothek" umbenannt. Im 150. Jahr ihres Bestandes kam die Bildnissammlung von über 260.000 Porträts (33.000 davon waren Militärbildnisse, 27.000 Blätter stammten aus der Sammlung des Prinzen Eugen Savoyen).
Leitende Personen
Vorstände, beziehungsweise Direktoren der ehemaligen k. u. k. Familien-Fideikomißbibliothek
- Peter Thomas Young (1806-1829)
- Leopold Wilhelm Khloyber (1829-1869)
- Alois Moritz Ritter von Becker (1869-1887)
- Joseph Ritter von Zhismann (1887-1894)
- Alois Theodor Karpf (1894-1906)
- Franz Schnürer (1906-1918)
- Rudolf Payer von Thurn (1818-1921)
Vorstände der Porträtsammlung der Nationalbibliothek
- Rudolf Payer von Thurn (1921-1923)
- Heinrich Röttinger (1923-1932)
- Wilhelm Beetz (1932-1945/1948?)
Literatur
- Wilhelm Beetz: Die Porträtsammlung der Nationalbibliothek in ihrer Entwicklung. Zur Erinnerung an die vor 150 Jahren erfolgte Gründung der ehemaligen K. u. K. Familien-Fideikommiss-Bibliothek durch Kaiser Franz I. von Österreich. Graz: Verlag der Deutschen Vereins-Druckerei A. G. 1935
- Irina Kubadinow: Die Österreichische Nationalbibliothek. München [u.a.]: Prestel 2004
- Hans Petschar [Hg.]: Die Porträtsammlung Kaiser Franz' I. Zur Geschichte einer historischen Bildsammlung der Österreichischen Nationalbibliothek. Wien [u.a.]: Böhlau 2011
- Die Österreichische Nationalbibliothek. Geschichte, Bestände, Aufgaben. Wien: Österreichische Nationalbibliothek 41969 (Biblos-Schriften, 50), S. 68 ff.
- Österreichische Nationalbibliothek: Porträtsammlung [Stand: 15.12.2017]
Einzelnachweise
- ↑ Wilhelm Beetz: Die Porträtsammlung der Nationalbibliothek in ihrer Entwicklung. Zur Erinnerung an die vor 150 Jahren erfolgte Gründung der ehemaligen K. u. K. Familien-Fideikommiss-Bibliothek durch Kaiser Franz I. von Österreich. Graz: Verlag der Deutschen Vereins-Druckerei A. G. 1935, S. 5.