Schaubude für die Zweiköpfige Nachtigall
48° 12' 38.61" N, 16° 24' 16.46" E zur Karte im Wien Kulturgut
Die Schaubude für die „Zweiköpfige Nachtigall“ (2., Prater Hauptallee 11) befand sich anlässlich der Weltausstellung 1873 in der Nähe des Weltausstellungsgeländes in der Hauptallee. Hier wurden die als "Zweiköpfige Nachtigall" ("Two-headed Nightingale") bezeichneten "siamesischen" Zwillinge Millie und Christine (Christie) McKoy (auch McCoy, *11. Juli 1851 Whiteville, North Carolina, † 8. Oktober 1912 ebenda) vorgeführt.
Die Eltern von Millie und Christine (Christie) McKoy, Jacob und Monoemia McKoy, waren Sklaven des Schmiedes Jabez McKoy, der die beiden Mädchen mit zehn Monaten an John C. Pervis verkaufte, der sie gegen Geld ausstellte und dafür Jabez McKoy prozentuell beteiligte. 14 Monate später verkaufte Pervis die Kinder an den Schausteller Brower, der sie als "freaks of nature" ausstellte. Nachdem er jedoch von einem texanischen Abenteurer, der die Zwillinge für 45.000 Dollar kaufen wollte, betrogen worden war, gingen die beiden Mädchen an Joseph Pearson Smith über, dem Brower Geld geschuldet hatte. Sie wurden fortan von verschiedenen Managern zu Auftritten in sogenannten "Freakshows" in den Vereinigen Staaten, Kanada und schließlich Großbritannien gezwungen, bevor Smith sie 1857 in Großbritannien zurückforderte. Als mit 1. Jänner 1863 ihr Sklavenstatus endete, holte Smith sie gemeinsam mit ihrer Mutter Monoemia zurück und ermöglichte den Zwillingen eine Ausbildung, in der sie fünf Sprachen, tanzen, musizieren und singen lernten. In den folgenden Jahren zogen sie als "Die zweiköpfige Nachtigall" ("Two-headed Nightingale") durch Amerika und Europa, wobei Millie Alt und Christine Sopran sang. Im Rahmen der Weltausstellung 1873 kamen sie auch nach Wien. In den 1880er Jahren zogen sie sich auf die Farm ihres früheren Besitzers Jabez McKoy zurück, die ihr Vater von ihm gekauft hatte. Dort starben Millie und zwölf Stunden später Christine McKoy am 8. Oktober 1912 an Tuberkulose.
In Wien (und vermutlich nicht nur hier) wurde in der Presse jedoch nicht ihr Gesang rezipiert, sondern sie wahrgenommen als "eine der wenigen unbestrittenen Naturmerkwürdigkeiten, deren Anblick und Studium dem wißbegierigen Fremden nicht genug empfohlen werden kann. Seit dem Auftreten der siamesischen Zwillinge ist nichts Aehnliches gesehen worden und wen das Naturspiel als solches nicht besonders interessiert, wird sich an dem zweistimmigen Gesange und dem vierfüßigem Tanze des Phänomens ergötzen."[1]
In etlichen Wiens Zeitungen waren für ihre Auftritte Annoncen geschaltet.[2] Am 19. Februar 1873 hielt Rudolf Virchow in der Berliner medicinischen Gesellschaft einen Vortrag "Ueber die sogenannte 'zweiköpfige Nachtigall'"[3]
Quellen
- "Die zweiköpfige Nachtigall". In: Neue Freie Presse, 24.8.1873, S. 5-6
- Wr. Weltaustellungs-Zeitung / Int. Austellungs-Zeitung, 7.10.1873, S. 2
- Der Floh, 12.7.1873, S. 10
- Situationsplan der Weltausstellung 1873
Literatur
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Der Floh, 12.7.1873, S. 10.
- ↑ Der Floh, 12.7.1873, S. 12.
- ↑ Rudolf Virchow: Vortrag gehalten in der Berliner medicinischen Gesellschaft am 19. Februar 1873. Separat-Abdruck aus der Berliner klinischen Wochenschrift 9 (1873).