Stadtphysikat

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Daten zur Organisation
Art der OrganisationArt der Organisation Sonstige Organisation
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Ab 1501 waren die Mitglieder der medizinischen Fakultät der Universität Wien, die neben der Ausbildung der zukünftigen Ärzte auch das Sanitätswesen der Stadt zu betreuen hatten, zur unentgeltlichen Behandlung der Armen verpflichtet. 1540 wurde die erste Infektionsordnung erlassen; im selben Jahr schuf die Fakultät die Stelle eines "magister sanitatis", für deren Finanzierung bis zur Übernahme durch den Magistrat (1870) die Regierung aufkam. Dem Magister Sanitatis stand ein Consilium Sanitatis, eine Art Seuchenbehörde, zur Seite. Im Lauf der Zeit setzte sich die Bezeichnung Stadtphysikus durch. Zu seinen Aufgaben gehörten die Totenbeschau (Totenbeschauprotokolle), die Rezeptüberwachung der Pestkranken und die Untersuchung von Verdachtsfällen. Neben dem "magister sanitatis" gab es noch einen "chirurgus sanitatis" (Infektionschirurg) und einen "inspector mortuum" (Totenbeschauer), wobei die beiden letztgenannten Funktionen meist von einer Person ausgeübt wurden.

Ein organisierter öffentlicher Sanitätsdienst existierte in Wien seit 1710; an dessen Spitze stand die Sanitäts-Hofdeputation. Ab 1713 gab es zwei beamtete Ärzte: einen für die Stadt und einen für die Vorstädte. In ein einheitliches System wurde der öffentliche Gesundheitsdienst 1770 durch das Hauptsanitätsnormativ (Gesundheitsordnung) gebracht. Das Stadtphysikat, das im Ämterschematismus von 1845 angeführt ist, setzte sich dort aus zwei Stadtphysici (davon einer Alois Stuhlberger), zwei Stadtarmenärzten und Stadtarmenwundärzten, einer Stadthebamme und zahlreichem Infektionspersonal zusammen. Erst 1864 führte der Gemeinderat schließlich die Organisierung des Stadtphysikus zu einem Amt im eigentlichen Sinn durch. Die Zurverfügungstellung eines Büros und eines ehemaligen Laboratorium sowie [Gemeinderats-Beschluss vom 24. Juni 1864] die Anstellung von zwei Stadtphysici, Dr. Franz Innhauser (1815-1898) und Dr. E. Nusser (1817-1891), mit gleichem Rang, von denen einer die chemisch-hygienischen, der andere die medizinisch-praktischen [also ärztlichen] Untersuchungen durchzuführen hatte, standen am Beginn dieser Gründung. Bereits 1880 unterstanden den Stadtphysikern 16 städtische Ärzte die vor allem die Totenbeschau zu besorgen hatten. Von 1866 bis 1913 veröffentlichte das Stadtphysikat regelmäßig Jahresberichte in denen es über seine Agenden berichtete. Erst mit der Neuorganisation des städtischen Gesundheitswesens durch das Reichssanitätsgesestz vom 30. April 1870 wurden der Stadtarzt (Stadtphysikus) und seine beiden Stellvertreter (die bis dahin von der Regierung besoldet worden waren) als städtische Beamte dem Magistrat unterstellt (Bezügeregelung 1872, Instruktion für die städtischen Ärzte 1880). Ihre Hauptaufgabe bestand bis zum Ersten Weltkrieg in der Organisation des Seuchenbekämpfungsdiensts und des Infektionswesens der Stadt. 1884 wurde das Stadtphysikat im Zuge einer Reform organisatorisch umgestaltet und der Aufgabenbereich in zwei Gruppen eingeteilt. Dem Stadtphysikus unterstanden zwei Stellvertreter und die städtischen Ärzte in den Bezirken. Am 5. Oktober 1895 erfolgte die Einführung des Oberstadtphysikus (als Titel ab 1898 bei Dr. Emil Kammerer, ab 1902 bei Dr. Theodor Szongott). Mit der Geschäftseinteilung des Magistrats der Stadt Wien 1902 übernahm die Magistratsabteilung X (Gesundheitspolizei, Stadtphysikat) die Aufgaben des bisherigen Departements VIII (Sanitätswesen); am 1. September 1918 wurde die Gesundheitspolizei aus der Magistratsabteilung X gelöst und mit dem Stadtphysikus in die Magistratsabteilung "Städtisches Gesundheitsamt" umgewandelt, mit deren Leitung der Oberstadtphysikus betraut wurde. Am 1. Jänner 1922 übernahm er auch die Agenden des Landessanitätsdirektors in sanitären Angelegenheiten des Bundeslandes Wien (Magistratsdirektions-Erlass vom 21. Mai 1920). Schon 1904 wurde eine erste Desinfektionsanstalt in Betrieb genommen, dem eine zweite 1907 folgte. 1908 erfolgte die Gründung einer städtischen Untersuchungsstelle mit hygienischen Aufgaben an der Universität Wien. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges sorgte für eine Erweiterung der Aufgaben durch Schaffung einer "Städtischen Zentralstelle für Tuberkulose-Bekämpfung" und einer "Städtischen Beratungsstelle für Ernährung der Kranken während des Krieges".

Literatur

  • Ermar Junker: Vom Pestarzt zum Landessanitätsdirektor. Wien: Literas Universitätsverlag 1998
  • Rudolf Till: Geschichte der Wiener Stadtverwaltung in den letzten 200 Jahren. 1957, S. 90
  • Ferdinand Lettmayer [Hg.]: Wien um die Mitte des XX. Jahrhunderts - ein Querschnitt durch Landschaft, Geschichte, soziale und technische Einrichtungen, wirtschaftliche und politische Stellung und durch das kulturelle Leben. Wien: 1958, S. 536 ff
  • Wiener Schriften. Hg. vom Amt für Kultur, Schulverwaltung der Stadt Wien. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1955-1981, S. 11, S. 213
  • Felix Czeike / Peter Csendes: Die Geschichte der Magistratsabteilungen der Stadt Wien 1902-1970. Wien: Jugend und Volk 1971–1972. Band 1 (Wiener Schriften, 33), S. 144, S. 34, S. 99
  • Elfriede Sheriff: Die Ämter der Stadt Wien von 1783-1848 in verwaltungsgeschichtlicher und personeller Hinsicht. Diss. Univ. Wien. Wien 1977, S. 117-119