Tiefer Graben 19
1, Tiefer Graben 19, (Konskriptionsnummern 169).
Wunderburg
Tiefer Graben 169 ist ein historisch interessantes und in seiner Geschichte weit zurückreichendes Haus, hier befand sich die sogenannte Wunderburg, die bereits im Jahr 1314 erwähnt wird. Damals zinste "Lebmannus iudeus de balneo, quod dicitur wunderburch".
Zwischen 1376 und 1390 war die Wunderburg verödet und Eigentum des Schottenstifts. In späterer Zeit findet sich der Name für das Objekt nicht mehr. Die Ausdrücke "wunderburc, wunderhus" weisen auf ein Haus oder auf ein verwunschenes Schloss hin, in dem es nicht geheuer ist. Aus einem, nicht mehr erkennbaren Grund, sah man in dem vielleicht altersgrauen Gemäuer des Hauses am vorbeifließenden Wasser, wo es in der üppigen Phantasie der damaligen Zeit möglicherweise herumgeistern mochte, die Wunderburg des in der österreichischen Volkssage Dietrich von Bern und zugleich (aus der Bestimmung des Hauses) sein Bad. Die Verlegung des Schauplatzes aus Italien nach Wien (Verona), wobei das Bächlein "Moric" zur Etsch in Verona wird, gleicht ähnlichen Verlegungen in kirchlichen Legenden. Das Badehaus, die Wunderburg von 1314, bleibt ein wertvolles Zeugnis für die Pflege der Dietrichsage im mittelalterlichen Wien.
Nach einer Urkunde vom 28. Jänner 1400 war das Haus zu dieser Zeit bereits in Privatbesitz. Danach beurkundet "Heirich der Ydungspewger, her Niclas sund des Ydunspewger, dem got gnad", dass er mit "Handen des Grundherrn, des geistlichen Herrn Patricien, Abt des gotshawses vnserer vrawn zu den Schotten ze Wienn", sein Haus mit allen hergebrachten Nutzungen und Rechten um 60 Pfund Wiener Pfennig Oswalden dem Pawch, Bürger zu Wien, verkauft hat. Dieses Haus, sein väterliches Erbe, ist in dem "Tewffen graben ze Wienne" zunächst dem Hause, das "weilent hern Wernharts von Meysaw" gewesen ist, gelegen. Man diente davon alljährlich den Schotten zu Wien 30 Wiener Pfennig zu Grundrecht.
Die Ydungspeuger waren Landherrn, die zur Zeit des Faustrechtes unter Friedrich III. eine Gewaltherrschaft ausübten. Ihr Schloss Ydungspeugen (Jedenspeigen Im Marchfeld) wurde nach Ebendorfer von den Kaiserlichen zerstört und dem Erdboden gleich gemacht. Zeitpunkt nicht sicher. 1448 kam es zwischen dem Kaiser und den Ydungspeugern zur Versöhnung.
Um diese Zeit befanden sich an Stelle des ehemaligen Hausbesitzes der Ydenspeugner im Tiefen Graben bereits zwei Häuser A und B.
Haus A
1444 erstmals erwähnt. 1567 erwarb die Gemeinde Wien das Haus B (A war bereits in ihrem Besitz) und ließ beide Häuser zu einem Gebäude verbauen, das noch mehr als hundert Jahre im Besitz der Gemeinde verblieb.
Haus B
Im Jahr 1444 erstmals erwähnt. Da das Haus "etliche Jahr öd gelegen", Grunddienst versessen und die Stadtsteuer und Anschläge nicht bezahlt worden waren, wurde es im Jahr 1516 von der Stadt und den Schotten gemeinsam zwecks Einbringung ihrer Forderungen an den Unterstadtkämmerer Hanns Sturmb und dessen Frau Margarethe verkauft. 1567 erwarb es erneut die Gemeinde Wien.
Haus Stadt 169 ("zum weißen Hahn")
Nachdem die beiden Häuser A und B von der Gemeinde erworben worden waren, wurden diese 1567 in ein Gebäude verbaut.
1683 wurde es von der Stadt dem äußeren Rat und städtischen Unterkämmerer Johann Georg Altschaffer überlassen, der seine Frau Ursula Christina zu sich schreiben ließ. In dem ebenerdigen Hause, das den Schildnamen "Zum weißen Hahn" führte betrieb er unbeschadet seiner vielen anderen Funktionen eine gut gehende Gastwirtschaft. Dazu wird bemerkt, dass für die beiden Häuser A und B auch noch nach deren Zusammenschluss bis zum Jahr 1801 zwei Geweren geführt wurden.
Der Neubau
Nach mehrfachem Besitzerwechsel kam das Haus per Kaufvertrag vom 29. Oktober 1898 erwarb es Dr. Alfred Fürst zu Winischgraetz, der zwei Jahre darauf (1900) an Stelle des alten das gegenwärtige Haus aufführen ließ. Erbaut wurde der Neubau von den Architekten Emil Bressler und Gustav Wittrisch. Am 3. Jänner 1934 verkaufte der Fürst das Haus.
Gewerbe und Firmen innerhalb des Hauses im Laufe der Jahre
- Gasthaus: "Zum weißen Hahn" (Besitzer: Johann Georg Altschaffer)
Literatur
- Paul Harrer-Lucienfeld: Wien, seine Häuser, Geschichte und Kultur. Band 2, 4. Teil. Wien ²1953 (Manuskript im WStLA), S. 737-739