48° 12' 46.57" N, 16° 22' 6.38" E zur Karte im Wien Kulturgut
1, Wipplingerstraße 24-26 (Konskriptionsnummern 173, 174, 175 und 144), identisch mit Tiefer Graben 23.
An dieser Stelle standen gegen Ende des 14. Jahrhunderts drei Häuser. Vermutlich fielen alle drei Gebäude einem Brand vor dem Jahr 1438 zum Opfer. Aus diesem Jahr 1438 ist die Geweranschreibung eines Hauses an dieser Stelle bekannt. 1447 erwarb es die Gemeinde, die es für verschiedenste Zwecke nutzte. 1529 kam es, als Ersatz für die beiden Frauenhäuser, die bei der Türkenbelagerung zerstört worden waren, in deren Besitz.
1539 wurde es dann als Getreidekasten der Stadt Wien in Verwendung genommen.
Die Behauptung Moritz Bermanns (Alt- und Neu Wien, Seite 485), dass das Haus bereits seit 1428 als Polizeigefängnis diente und den Namen "Diebsschergenhaus" führte, ist zeitlich nicht richtig. Erst in späterer Zeit befand sich hier im Tiefen Graben tatsächlich ein Diebsschergenhaus (das genaue Datum ist unbekannt). Hier wurden die leichteren Übeltäter in Verwahrung gehalten. Bis 1783 blieb das Haus sodann Polizeigefangenenhaus, dann übersiedelten dessen Insassen in das leer gewordene Siebenbüchnerinnenkloster.
Auch die 1646 ins Leben gerufene Rumorwache war in diesem Haus untergebracht. Nach der aus dem gleichen Jahr stammenden Instruktion hatte sie aus einem Rumormeister als Kommandanten, einem Leutnant, zwölf Soldaten und zwei Stockmeister zu bestehen. 1776 hörte die Rumorwache zu bestehen auf und wurde durch die 250 Kopf zählende, militärisch organisierte Polizeiwache ersetzt.
Die Löwengrube
Bereits seit 1656 war im Rumorhaus auch das Schuldengefängnis untergebracht, dass sich zuvor vor dem Leinwandhaus (Hoher Markt 4) befunden hatte und hierher verlegt worden war. Im Volksmund wurde es die Löwengrube genannt und war ein Musterbeispiel für ein fideles Gefängnis. Johann Pezzl liefert in seiner "Skizze von Wien" eine recht anschauliche Schilderung, die allerdings aus späterer Zeit, der Zeit Kaiser Josephs II. stammt. Er bemerkt dazu einleitend, dass "in Wien zu dieser Zeit jährlich wohl wenigstens eine halbe Million an schuldigen Geldern verloren gehen dürfte, wenn alles zusammenrechnet, was von den großen öffentlichen Bankrotten an bis auf die kleinsten Summen unter sogenannten guten Freunden geborgt nicht wieder zurückgezahlt wird". Er führt aus:
"Wer seinen Schuldner durch Zwangsmittel zur Bezahlung treiben will, der kann ihn auch vorhergegangener gerichtlicher Anklage und authentische Beweise von der Richtigkeit der Schuld in das Schuldengefängnis im Polizeihause einsperren lassen."...
"Der Kläger muss dem Eingesperrten vier Kreuzer zu seinem Unterhalte geben, übrigens ist dieses Gefängnis sehr leidlich und ziemlich nach britischer Art eingerichtet. Es sind gewöhnlich zwei bis drei Gefangene in einem Zimmer, sie haben Betten, Licht und einige Einrichtung. Sie dürfen zwei Stunden vormittags und zwei Stunden nachmittags einander in den verschiedenen zimmern besuchen, sich miteinander unterhalten, Männer und Frauen dürfen zu eben diesen Stunden von ihren Freunden und Freundinnen aus der Stadt Besuche annehmen, spielen und so weiter. Finden sie einen gutherzigen Mann, der ihnen beim Trakteur des Gefängnisses eine Kost um höheren Preis bedingt oder ihnen gut gekochte Speisen aus der Stadt in das Polizeihaus sendet, der sie mit Wäsche, Kleidern und so weiter versieht, so ist ihnen unverwehrt, alles das anzunehmen. Wenn ein solcher Schuldner ein ganzes Jahr lang gesessen hat, ohne Mittel zu finden, seine Gläubiger zu bezahlen, so sind diese verbunden, in aus dem Gefängnis zu entlassen. Dafür bleibt ihnen aber das Recht über, in jedem Fall, dass der Verschuldete wieder zu Vermögen kommt, ihre Ausstände von ihm mit Gewalt einzutreiben. Neuerlich einsperren durften ihn aber die nämlichen Gläubiger nicht wieder lassen, weil ein Jahr langes Gefängnis als hinreichende Buße erscheint. Hat er sich mit seinen Gläubigern verglichen und macht neuerdings Schulden, so kann man ihn auch wieder in jenen Bußort senden."
Drastischer schildert Eipeldauer in einem Brief an seinen "herzallerliebsten Vetter in Kagran" die Eindrücke, die er gelegentlich eines unfreiwilligen Aufenthaltes im fidelen Gefängnis empfing. Was er erzählt, ist als Karikatur zu werten [1].
Die Gemeinde, die bereits im Jahr 1696 einen Teil des ihr gehörigen Baukomplexes abgespalten und verkauft hatte, woraus das Haus Stadt 173 entstand, dem eine weitere Abspaltung im Jahr 1717 mit dem Haus Stadt 174 folgte, beschränkte sich seither nur auf den Restteil, der das Haus Stadt 175 bildete.
Haus Stadt 173 ("Zum Bacchus")
Das Haus Stadt 173 zeigte die hohe Front dem Tiefen Graben, die andere der Wipplingerstraße.
Am 22. September 1696 überließ die Gemeinde das hier gestandene Objekt einem privaten Besitzer. Das Haus, das vom Tiefen Graben aus sieben Stockwerke zeigte, hatte sowohl von dort wie von der erhöhten Wipplingerstraße aus je einen Eingang und führte nach einem in den 1820er-Jahren gut besuchten Weinkeller den Schildnamen "Zum Bacchus". Hans Christian Andersen lässt in seinem Roman "Nur ein Geiger", der zum Teil in Wien spielt, einem Mann, der seinem Verfolger entschlüpfen will, die Kenntnis der beiden Haustore des Bacchushauses bei der Flucht benützen.
1905 wurde das Haus abgebrochen.
Haus Stadt 174
Diese Gebäude lag mit seiner Front bereits ganz im Tiefen Graben. Es war das kleinste Haus der hier genannten Häuser, umfasste nur 65 m² und war zwei Stockwerke hoch. Im Jahr 1717 hatte die Gemeinde das Haus an einen privaten Besitzer verkauft. Nach vielfachem Besitzerwechsel wurde das Haus im Jahr 1905 abgebrochen.
Haus Stadt 175 ("Zum heiligen Josef")
Das Haus Stadt 175 blieb von allen vorgenannten Häusern am längsten im Besitz der Gemeinde und wurde als Rumor-, zuletzt als Polizeihaus verwendet. Nach der Überstellung seiner Insassen in das 1783 durch Kaiser Joseph II. aufgehobenen Kloster der Karmeliterinnen (Siebenbüchnerinnenkloster), hatte das Haus seinen bisherigen Verwendungszweck verloren, wurde daraufhin 1785 vom Bürgermeister an eine private Besitzerin verkauft. Diese ließ das Haus adaptieren und in einer Kartusche oberhalb des Haustores das Bild Kaiser Josephs II. anbringen. Dies soll angeblich dem Kaiser zur Kenntnis gelangt sein, der sein Bild nicht als Aushängeschild an einem Haus wissen wollte, das noch immer in der ganzen Stadt als der seinerzeitige Aufenthaltsort von "Spitzbuben" und "Strolchen" bekannt war, weswegen er die Entfernung oder die Umgestaltung des Bildes verlangte. Tatsache ist, dass das Bild später übermalt und aus dem Kaiser ein heiliger Joseph gemacht wurde, wenn auch der Kaiser eindeutig die Gesichtszüge des Kaisers trug. Das Haus selbst erhielt den Namen "Zum heiligen Josef".
Nach vielfachem Besitzerwechsel ließ es die Gemeinde im Jahr 1905 abbrechen.
Haus Stadt 144
1434 erstmals erwähnt. Nach vielfachem Besitzerwechsel (unter anderem waren die Freiherrn von Friesenhof und Freiherrn von Bartenstein Eigentümer des Hauses) kam das Gebäude 1905 samt den vorgenannten ineinander gebauten Nachbarhäusern Stadt 173 bis 175 zum Abbruch. 144 war unter ihnen das Größte gewesen, ein stattliches Haus, das eine Grundfläche von 1.054 m² umfasste und in vier Stockwerke 39 Wohnungen enthielt, die einen Jahreszins von 26.580 Kronen ergaben.
Der Neubau
Mit dem Abbruch dieser vier Häuser wurde einem dringenden Verkehrsbedürfnis entsprochen und die wichtige Regulierung von Baulinien und Straßenniveaus ermöglicht.
Das an dieser Stelle neu aufgeführte Haus, welches die Nummer Wipplingerstraße 24-26 trägt, wurde 1906 von dem Architekten Rudolf Demski erbaut.
Kriegsschäden
Das weitläufige Gebäude, das zwei Straßenfronten zeigt (Wipplingerstraße und Tiefer Graben, hatte am 12. März 1945 schwersten Kriegsschaden erlitten. Von außen waren dem Bau keine Schäden anzumerken, dafür aber bot sich von der Hofseite ein zerstörerisches Bild. Etwa acht bis neun Bomben gingen hier am 12. März 1945 nieder, wodurch ganze Trakte zumindest in den oberen Stockwerken in einen Trümmerhaufen verwandelt wurde. Verhängnisvoll war es, dass der Hauptangriff dieses Tages schon vorüber schien und sich manche Parteien anschickten, aus dem Luftschutzkeller in ihre Wohnungen zurückzukehren, als eine zweite Welle Bomben in das Gebäude einschlug. Eine Mutter samt Kind kamen so zu Tode.
Gewerbe und Firmen innerhalb des Hauses im Laufe der Jahre
- Diebsschergenhaus (Polizeigefangenhaus), später übersiedelten die Gefangenen in das Siebenbüchnerinnenkloster.
- Frauenhaus
Haus Stadt 173:
- Weinkeller "Zum Bacchus" (bis 1905)
Haus Stadt 175:
Literatur
- Moritz Bermann: Alt- und Neu Wien. 1880, S. 485
- Johann Pezzl: Skizze von Wien. Wien [u.a.]: Krauss 1786
- Paul Harrer-Lucienfeld: Wien, seine Häuser, Geschichte und Kultur. Band 2, 3. Teil. Wien ²1953 (Manuskript im WStLA), S. 612-625
- ↑ Brief vom Jahr 1795 in: Josef Richter: Die Eipeldauerbriefe, in Auswahl herausgegeben von D. Eugen Pannel. Band 1, Seite 263 ff.