Leinwandhaus
Leinwandhaus (1., Hoher Markt 4, Landskrongasse 8; bis 1945 zusätzlich Camesinagasse 1; Konskriptionsnummer 544 [Teil A]).
Auf dem heutigen Areal standen seinerzeit fünf kleine Häuser (Teil A-E), von denen vier mit der Front zum Hohen Markt lagen (A [das Leinwandhaus], B, D [das Schuhhaus, 1418-1428 Irchhaus, benannt nach den Irchern = Weißgerbern], E), eines (C) lag hinter dem Haus B (Front zur Landskrongasse), die sich im 14./15. Jahrhundert zu verschiedenen Zeiten im Besitz des Bürgerspitals befanden (siehe auch Hoher Markt 4).
Leinwandverkauf
Im späteren Leinwandhaus, das an der Ecke des bereits 1376 nachweisbaren Linnengäßchens stand und in dem ab 1385 die Leinwater ihre Verkaufsstätten hatten, war im 13. Jahrhundert (erstmals urkundlich erwähnt 1277) die Schlagstube (Prägestätte der Hausgenossen) eingerichtet, die um 1280 in die vormalige Herzogsresidenz Am Hof verlegt wurde (Münzer). Die Bezeichnung Leinwandhaus taucht 1388 erstmals urkundlich auf. Das Haus gehörte dem Bürgerspital, das es 1369 aus Privatbesitz erworben hatte. Die Leinwater waren daher gegenüber dem Bürgerspital abgabepflichtig. 1453 wurde verfügt, dass jeder Leinwater im Leinwandhaus eine Verkaufsstätte haben sollte. Die Standorte der "Stätten" wurden durch Los bestimmt (1516 wurde ein wöchentlicher Wechsel der Standorte verfügt). 1480 hatten 24 Leinwater im Leinwandhaus ihre Verkaufsstätte, doch ließen sich die Händler auch in anderen Häusern der Stadt nieder. 1497 wurde festgelegt, dass sich die Befugnis der Leinwater auf den stück- oder ellenweisen Verkauf beschränkte. Laut der Ordnung vom 16. August 1516 musste jeder, der Leinwand verkaufen wollte, das Bürgerrecht besitzen, im Grundbuch des Spitals eingeschrieben sein und nachweisen, wie er zum Leinwaterrecht gekommen war (zum Beispiel durch Erbschaft oder Heirat). Die sogenannte Schrannenordnung von 1566 bestätigte, dass jeder, der das Recht zum Leinwandhandel nicht geerbt, sondern gekauft habe, einer Platzkonzession vom Bürgerspital bedurfte.
Bierausschank
1440 errichtete die Gemeinde (anlässlich des Neubaues der Schranne nebenan) im Leinwandhaus eine Bierschank, obwohl das Bürgerspital seit 1432 sowohl das Braumonopol als auch das alleinige Recht Bier auszuschenken hatte. Die Beschaffenheit des "Spitällerbieres" soll allerdings nicht die beste gewesen sein. Anfangs betrieb die Gemeinde die Bierschank selbst, dann verpachtete sie diese an sogenannte Bierleutgeben. Später trat das Bürgerspital die Rechte an die Gemeinde ab. Das Bierhaus war trotz seines bescheidenen Raumes und seiner primitiven Einrichtung sehr beliebt und wurde auch von den Honoratioren der Stadt häufig besucht. Einer Rechnung aus dem Jahr 1566 ist zu entnehmen, dass Weiß- und Braunbier ausgeschenkt wurde. 1628 wurde die Ausschank aufgelassen.
1630 kaufte der damalige Bürgermeister Daniel Moser das Leinwandhaus samt den beiden (hintereinanderliegenden) Nachbarhäusern (B und C). Zusätzlich gingen die beiden mit der Front zum Hohen Markt gelegenen Nachbarhäuser (Konskriptionsnummer 544, Teil D, Schuhhaus, und E) in Mosers Besitz über. 1654 ließ ein Nachbesitzer, der Handelsmann Matthias Voltsperger, anstelle aller fünf Häuser einen Neubau errichten (siehe Hoher Markt 4). Die Behauptung, dass sich im 16. und 17. Jahrhundert der Schuldenarrest im Leinwandhaus befunden habe, ist nicht zu beweisen.
Gewerbe und Firmen innerhalb des Hauses im Laufe der Jahre
Quellen
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Innungen und Handelsgremien: Leinwandstände (des Wiener Bürgerspitals)
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Innungen und Handelsgremien, U: Urkunden: Gesamtserie aller Innungen (enthält Urkunden der Innung der Leinwandstände des Wiener Bürgerspitals)
Literatur
- Richard Perger: Der Hohe Markt. Wien [u.a.]: Zsolnay 1970 (Wiener Geschichtsbücher, 3), S. 53, 80 f.
- Eugen Meßner: Die Innere Stadt Wien. Ein Beitrag zur Heimatkunde des I. Wiener Gemeindebezirkes. Wien: Österreichische Staatsdruckerei 1928, S. 126
- Wilhelm Kisch: Die alten Straßen und Plätze von Wiens Vorstädten und ihre historisch interessanten Häuser. (Photomechan. Wiedergabe [d. Ausg. v. 1883]). Cosenza: Brenner 1967, Band 1, S. 40 ff.
- Theodor F. Meisels: Bummel durch Alt-Wien. Wien [u.a.]: Leo 1936 (ÖZ-Bücher, 1), S. 41
- Gerhard Robert Walter von Coeckelberghe-Dützele: Curiositäten- und Memorabilien-Lexicon von Wien. Ein belehrendes und unterhaltendes Nachschlag- und Lesebuch in anekdotischer, artistischer, biographischer, geschichtlicher, legendarischer, pittoresker, romantischer und topographischer Beziehung. Wien: [o. V.] 1846, Band 2, S. 139
- Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 3: Allgemeine und besondere Topographie von Wien. Wien: Jugend & Volk 1956, S. 384
- Paul Harrer-Lucienfeld: Wien, seine Häuser, Geschichte und Kultur. Band 1, 2. Teil. Wien ²1951 (Manuskript im WStLA), S. 394 f.