Schranne
Das älteste Stadtgerichtshaus Wiens befand sich möglicherweise auf den Tuchlauben (Schönbrunnerhaus), ist jedoch bereits 1325 auf dem Hohen Markt nachweisbar und stand vor dem Ziegelhaus und dem Schmergrübel im Winkel gegen den Fischhof zu (1., Hoher Markt 11, Teil). Das Gebäude brannte 1437 ab.
Neubau am Hohen Markt
1438 bis 1441 baute man die Schranne auf einem Teil des Areals des 1361 abgebrannten Saithauses auf der südlichen Seite des Hohen Markts neben dem (ebenfalls auf einem Teil des Saithausareals entstandenen) Leinwandhaus neu (1., Hoher Markt 5, Tuchlauben 22). Die Brandstätte des Saithauses war zuvor von der Gemeinde eingezogen worden. Zum ersten Stockwerk der neuen Schranne, die mit einem Laubengang geziert war, führte vom Hohen Markt eine große Freitreppe empor, die in einen Vorraum mündete. Am 27. Juli 1566 wurde eine Schrannenordnung erlassen. 1630 wurde das Haus gründlich renoviert, die Freitreppe durch eine Doppelstiege ersetzt und an der Hausfassade ein aus Stein gehauener Reichsadler und ein Löwe angebracht. Im Zuge dieses Umbaus dürfte der in den Grundbüchern vermerkte schmale Anbau, das Mauthaus, verschwunden sein. Dieses Mautstüblein wird bereits 1372 erwähnt; ab 1424 bestand aber bereits das Mauthaus beim (alten) Rathaus, sodass wir den Zweck des Häuschens bei der Schranne nicht kennen.
In dem kleinen Türmchen, das das Haus seit dem Umbau trug, hing die Armesünderglocke. Johann Basilius Küchelbecker liefert 1732 eine genaue Beschreibung des damals dreigeschoßigen Schrannengebäudes (Amtsräume in den Obergeschoßen, im untersten größtenteils Gefängnisse). Nach bereits 1731 von Joseph Emanuel Johann Fischer von Erlach ausgearbeiteten Plänen wurde das Gebäude bis 1740 umgestaltet und präsentierte sich nunmehr viergeschoßig; eine toskanische Säule des damals entstandenen zweigeschossigen dreiachsigen Vorbaus (mit seinen ebenerdig offenen Arkaden und einem Balkon im Obergeschoß, auf dem sich eine steinerne Bildsäule der Gerechtigkeit befand und von dem aus die Urteile verlesen wurden), der an die Stelle der einstigen Freitreppe trat, hat sich (halb eingemauert) am Stiegenpodest des ersten Stocks des Vordertrakts des heutigen Hauses erhalten. Am Fuß eines zwiebelbehelmten Türmchens befand sich eine Uhr (eine der ältesten mechanischen Uhren Wiens), die 1855 demontiert wurde (Gehäuse am heutigen Bau noch vorhanden) und die Inschrift „Diese Uhr schlägt keinem Glücklichen" trug.
Erweiterung im 18. Jahrhundert
1785/1786 entstand durch Ankauf des hinter der Schranne gelegenen Bielschen Hauses (Landskrongasse) ein erweitertes Gebäude mit einem von Mauern umgebenen Hof; der Neubau wurde von Zeitgenossen heftig kritisiert. Da nun eine ausreichende Zahl von Zellen für Schwerverbrecher vorhanden war, wurde auf Anordnung Josephs II. das Diebshaus in der Rauhensteingasse („Malefizspitzbubenhaus"; Amtshaus) 1785 aufgelassen. In der Schranne war eine Kapelle, „Zur Todesangst Christi", untergebracht. 1827 wurde das viergeschoßige Gebäude nach Plänen von Anton Behsel aufgestockt. Nachdem 1839 das Kriminalgericht von der Schranne in das neuerbaute Kriminalgerichtsgebäude in der Landesgerichtsstraße übersiedelt war, diente die Schranne nur noch dem magistratischen Zivilgericht und wurde nach dessen Liquidierung (1848/1850) 1855 auf Anordnung des k. k. Ärars abgebrochen. Der (noch heute bestehende) fünfgeschoßige Neubau wurde abwechselnd zu Amts- und Wohnzwecken verwendet (so befand sich bis 1912 hier die k. k. Finanzprokuratur). Vor der Schranne stand lange Zeit der Pranger.
Quellen
Literatur
- Richard Perger: Der Hohe Markt. Wien [u.a.]: Zsolnay 1970 (Wiener Geschichtsbücher, 3), S. 30 ff.
- Friedlich Hartl: Das Wiener Kriminalgericht. Strafrechtspflege vom Zeitalter der Aufklärung bis zur österreichischen Revolution. Wien [u.a.]: Böhlau 1973, S. 112 f. (?)
- Walther Brauneis: Die Schranne im 19. Jahrhundert. In: Wiener Geschichtsblätter. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 1946 - lfd. Band 26,1971, S. 213
- Maximilian von Riedwald: Das Schrannengebäude in Wien. Ein Beitrag zur Rechts- und Sittengeschichte der Hauptstadt Oesterreichs. Wien: Wallishausser 1855
- Wilhelm Kisch: Die alten Straßen und Plätze von Wiens Vorstädten und ihre historisch interessanten Häuser. (Photomechan. Wiedergabe [d. Ausg. v. 1883]). Cosenza: Brenner 1967, Band 1, S. 37 ff.
- Johann Evangelist Schlager: Alterthümliche Überlieferungen von Wien aus handschriftlichen Quellen. Wien: L. Grund 1844, S. 88 ff., S. 94
- Berichte und Mitteilungen des Altertums-Vereines zu Wien. Band 8. Wien: Gerold 1865, S. LXXXVIII ff.
- Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 3: Allgemeine und besondere Topographie von Wien. Wien: Jugend & Volk 1956, S. 421