Amtshaus (1, Rauhensteingasse 10)
Amtshaus (1, Rauhensteingasse 10; Konskriptionsnummer 933; gegenüber dem Himmelpfortkloster).
Vorgängergebäude
Ursprünglich stand hier ein Gebäude, das seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts urkundlich belegt ist. Nach einem Brand scheinen hier (ab 1378) zwei Häuser auf. Offensichtlich war jedoch nur ein Teil der Realität abgebrannt, da nur eines der beiden 1378/1379 neu erbaut wurde. Das andere ging aufgrund eines Testamentes 1383 in den Besitz des Himmelpfortklosters über, das es aber bereits 1385 wieder verkaufte. Ab 1402 gibt es zu diesen beiden Gebäuden keine Aufzeichnungen mehr.
Amtshaus
Diebsschergenhaus
Später entstand auf diesem Grundstück das sogenannte (Diebs-)Schergenhaus, das bis 1785 als Kriminalgefängnis verwendet wurde. Ab wann hier ein Gefängnis bestand, ist laut Harrer (Paul Harrer: Wien, seine Häuser) unklar (laut Czeike [ Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien ] ab 1368, laut Richard Groner ab 1422). Unter dem Amtshaus in der Rauhensteingasse befanden sich im Mittelalter unterirdische Keller, die bis weit unter die Nachbarhäuser reichten. Das Gefängnis bestand bereits im 15. Jahrhundert (der "Rauche Stein"), 1445 wird von einem "Schergenhaus" gesprochen. Zu dieser Zeit gab es Gefängnisse im Kärntner Turm und im Ratsturm, das "Diebshaus" und das Studentengefängnis, ferner ein landesfürstliches Gefängnis in der Hofburg und ein weiteres im Hubhaus. Seit der Kärntner Turm nur noch Fortifikationszwecken diente, war der "Rauche Stein" das Hauptgefängnis der Stadt. Hier wurden im Spätmittelalter auch grundsätzlich Folterungen verschiedenen Grades durchgeführt (1485 wurde auch der eingekerkerte Bürgermeister Laurenz Haiden hier gefoltert). 1603 beging eine Frau, die als Zauberin angeklagt war, aus Angst vor der bevorstehenden Folter Selbstmord, indem sie in den Brunnen des Hauses sprang. Ihre Leiche durfte nach dem damals herrschenden Aberglauben nicht verbrannt werden. Daher wurde sie in ein Fass gesteckt und in die Donau geworfen, damit sie weit weg von Wien verwese.
Malefizspitzbubenhaus
1608 wurde das für "Malefizverbrecher" bestimmte Gebäude neu erbaut (im Volksmund hieß das Gebäude deshalb "Malefizspitzbubenhaus"). Ab 1637 war der mittlere Trakt mit einer getürmten Kapelle ("Zum heiligen Kreuz") ausgestattet. Auf dem Stadtplan von Daniel Suttinger (1684) sieht man, dass sie an das Haus Stadt 934 (siehe Mozart-Sterbehaus) grenzte. Eine Zeit lang wohnte auch der Scharfrichter in diesem Gebäude. Als es 1721 zur Schuhknechtrevolte kam, waren nicht genug Haftplätze vorhanden. Daher befahl der Kaiser, dass das ohnehin bereits baufällige Haus durch ein neues Amts- und Gerichtshaus zu ersetzen sei.
Kriminalgefängnis
1722 wurde das Gebäude abgebrochen und durch einen Neubau ersetzt (Kriminalgefängnis). Es handelte sich hierbei um ein zweistöckiges Haus mit eisenbeschlagenen Türen und dicht vergitterten Fenstern, in dessen unterirdischen Gefängnissen weiterhin "peinliche fragen" gestellt wurden. Über dem Eingang befand sich ein mächtiger Kalvarienberg aus rohem Stein mit dem Gekreuzigten, der Mutter Gottes, Johannes und Magdalena sowie den beiden Schächern, die die gerechte und die ungerechte Strafe symbolisierten. Auch im neuen Gebäude wurde wieder nahe dem Nachbarhaus Stadt 934 eine Kapelle eingerichtet, die dem "heiligen Kreuz" geweiht war. Im bis unter die Nachbarhäuser reichenden Keller befand sich eine große Anzahl an Einzelzellen, die wenig Luft und oft gar kein Licht hatten. Als Nahrung diente den Gefangenen fast ausschließlich Wasser und Brot. Wenn ein Gefangener aus seiner Zelle in den Hof geführt wurde, geschah dies nur zu dem Zweck, dass er hier die vorgeschriebene "Züchtigung" erhalte. Da die Verbrecher in den unterirdischen Gefängnissen auf Strohmatten (im Volksmund "Strohdacken") liegen mussten, hieß es im Volksmund "der kommt auf die Dacken". Auch ein schmaler Verkehrsweg in der Nähe des Amtshauses führte den Namen "Auf der Dacken".
Wie sehr noch zu dieser Zeit alles, was irgendwie mit dem Gefängnis in Verbindung stand, als "unehrlich" angesehen wurde, zeigt die Tatsache, dass schon vor dem Abbruch des alten Gebäudes alle Handwerker, die sich an der Arbeit beteiligen sollten, zum Rathaus gerufen wurden. Dort wurde der kaiserliche Befehl zur Errichtung des neuen Amts- und Gerichtshauses verlesen und die Zusicherung gegeben, dass niemanden, der am Bau beteiligt sei, daraus ein Vorwurf gemacht werden könne. Als die Bauarbeiten beendet waren, kam der Unterrichter zum neuen Gefängnis, hielt dort eine Ansprache vor den Meistern und Gesellen und besichtigte danach in deren Begleitung alle Räume, um zu zeigen, dass sie noch frei von Verbrechern seien. Danach wurde erneut der kaiserliche Befehl verlesen und das Haus mit drei Streichen mit dem Amtsstab seiner Besimmung übergeben, was die Meister mit ihren Werkzeugen nachahmten.
Mit 1. Jänner 1776 wurde die Folter angeschafft, wodurch das Haus viel von seinem Schrecken verlor. Als 1782 das Siebenbüchnerinnenkloster aufgehoben und teilweise als Polizeihaus verwendet, außerdem die Schranne (Hoher Markt) vergrößert wurde, kamen die Leichtverbrecher ins Polizeihaus, die Schwerverbrecher hingegen in die Schranne. Das Amtshaus wurde 1785 aufgelassen.
Zur österreichischen Krone
Das Gebäude wurde nun an den Hofschmied Johann Michael Holzer verkauft, 1786 abgebrochen und durch das Privathaus "Zur österreichischen Krone" ersetzt. Es war vier Stockwerke hoch und stand auf einer Fläche von 583 Quadratmetern. Das Kreuz mit dem Heiland auf dem Ölberg, das an der Fassade des Amtshauses angebracht gewesen war, wurde samt den Kreuzen der beiden Schächer in die offene, der Mariahilfer Kirche angebundene Straßenkapelle (6, Barnabitengasse) übertragen.
Heutiges Haus
Das heutige Gebäude entstand im Jahr 1911, wobei die Front, die beim Vorgängergebäude eine Linie mit dem Nachbarhaus Stadt 948 (1., Rauhensteingasse 12) bildete, nun deutlich in die Rauhensteingasse ragt und die Baulinie des Mozarthofes (1, Rauhensteingasse 8) fortsetzt. Durch ein Einziehungserkenntnis der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) vom 21. Jänner 1943 kam das Haus in den Besitz der Reichsfinanzverwaltung des Deutschen Reiches und wurde aufgrund eines Bscheides der Finanzlandesdirektion vom 2. April 1948 den Erben der Vorbesitzerin zurückgegeben.
Literatur
- Paul Harrer-Lucienfeld: Wien, seine Häuser, Menschen und Kultur. Band 5, 1. Teil. Wien ²1955 (Manuskript im WStLA), S. 155-159