Wien aus der Vogelschau, Erwin Pendl (1904)
Die Vogelschau als klassisches Medium visueller Repräsentation von Städten erlebte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein Comeback. Selbst wenn die Großstädte als Ganzes bildlich kaum mehr fassbar waren, konnten Vogelschauen Totalität vortäuschen. In Wien erlebten Vogelschauen ab den 1870er-Jahren einen regelrechten Boom. Vor allem der Abbruch der Basteien und der Bau der Ringstraße hatten eine derart massive Veränderung des Stadtbilds zur Folge, dass sich Überblicksdarstellungen zur Veranschaulichung dieser grundlegenden Wandlungen anboten. Zahlreiche Künstler "bewarben" in ihren Prospekten das spektakuläre "neue Wien". Der vorwiegend als Vedutenmaler tätige Erwin Pendl (1875–1945) stellte mehrere Vogelschauen Wiens her, darunter das gemeinsam mit Hugo Darnaut (1851–1937) gemalte, über zwei Quadratmeter große Bild Wien aus der Vogelschau vom Theresianum aus, das im Jahr 1900 auf der Pariser Weltausstellung präsentiert wurde. Zur Vorbereitung seiner Vogelschauen fertigte Pendl laut eigenen Angaben Detailstudien der einzelnen Gebäude von jeweils zwei Seiten aus einer fiktiven Blickhöhe von bis zu 200 Metern Höhe an.
Dieses vom Getreidemarkt aus gesehene Panorama führte Pendl vermutlich im Auftrag von A. L. Keil aus, der es im Spielzimmer seines Kaffeehauses am Michaelerplatz präsentierte. Später befand es sich im Besitz der Kaffeehausbetreiber Josef und Anna Siller, die es im Jahr 1921 dem heutigen Wien Museum zum Geschenk machten.
Quelle
- Wien Museum, Inv.Nr. 42.980
Literatur
- Karl Fuchs: Das Künstlergeschlecht Pendl, Wien 1905, S. 87.
- Aktenarchiv Wien Museum, Akt 52/1903 (Anbot einer geplanten Vogelschau des Schlosses Neugebäude)
- Lutz Philipp Günther: Die bildhafte Repräsentation deutscher Städte. Von den Chroniken der Frühen Neuzeit zu den Websites der Gegenwart, Köln/Weimar/Wien 2009, S. 145.
- Elke Doppler: Comeback der Vogelschau, in: Sándor Békési / dies. [Hg.]: Wien von oben. Die Stadt auf einen Blick (Katalog zur 414. Sonderausstellung des Wien Museums). Wien: Metro-Verlag 2017, S. 34f.