Wiener Heiligtumbuch
Das sogenannte "Heiltumbuch" ist ein seltener Frühdruck aus der Werkstatt des Wiener Buchdruckers Johann Winterburger und wurde vom Wiener Ratsherrn Matthias Heuperger in Auftrag gegeben.
Das "Wiener Heiltumbuch" stellt auf 48 Seiten ein Verzeichnis aller damals im Domschatz von St. Stephan aufbewahrten Reliquien dar. "Heilthum" oder "Heiligtum“ ist die mittelalterliche Bezeichnung für Reliquie. Der Titelholzschnitt zeigt einen geharnischten Ritter, der in der Rechten das Stechfähnlein hält. Auf dem Boden sieht man die beiden Wappen der Stadt Wien, Doppeladler und Kreuzschild. Das "Heiltumbuch" enthält außerdem einen ganzseitigen Holzschnitt des Stefansdomes – eine der ältesten Darstellungen - und eine Abbildung des Heiltums- oder Heiligtumstuhles.
1502 umfasste der Heiltumschatz 255 Reliquien, die großteils im "Heiltumbuch" durch kleine Holzschnitte dargestellt sind und erklärt werden. 1514 erschien ebenfalls bei Winterburger eine weitere Ausgabe des "Heiltumbuches": Heuperger ließ einfach dem Rest der Erstauflage von 1502 ein neues Titelblatt und vier Seiten Anhang mit neu hinzugekommenen Reliquien anfügen.
Nach damaliger Auffassung diente die Reliquienverehrung dem Seelenheil der Gläubigen. Daher werden bereits in der Vorrede des "Heiltumbuches" die Zahl der Ablasstage genannt, die man durch die Teilnahme an kirchlichen Zeremonien, darunter auch die Reliquienprozession, erhält.
Die Ordnung der Reliquien im "Heiltumbuch" entspricht der Ordnung bei der Prozession am sogenannten "Weißen Sonntag", dem Sonntag nach Ostern. In acht Umgängen wurde der gesamte Reliquienschatz von St. Stephan präsentiert. Im ersten Umgang wurden Reliqiuen vom Heiligen Kreuz im zweiten andere Christus-Reliquien wie Dornen aus der Dornenkrone, Stücke aus dem "purpurnen Rock Christi" oder Weihrauch aus dem Grab Christi mitgeführt. Diesen folgten Marien-Reliquien, Reliquien der Landesheiligen und auch Herrscherreliquien, wie zum Beispiel das Schwert Karls des Großen.
Der Aufzählung der Reliquien folgt eine Darstellung der Steinigung des Heiligen Stephanus, der nicht nur als Patron der Hauptkirche, sondern als Patron der ganzen Stadt verehrt wurde. Daran schließt ein Kalendarium an, das für jeden Tag des Jahres die Ablasstage, die man in der Stephanskirche erlangen konnte, anführte. Dabei fällt auf, daß die höchste Zahl der Ablasstage in der Weihnachtszeit erworben werden konnten.
Quelle
Literatur
- Walter Brauneis: Zur Topographie des Stephansplatzes. In: Wiener Geschichtsblätter 26/2 (1971)
- Nikolaus Grass: Der Wiener Dom. Die Herrschaft zu Österreich und das Land Tirol. Innsbruck: F. Rauch 1968
- Ferdinand Opll: Heiligenfest und Feiertag. Untersuchungen zum Stellenwert und zur Bedeutung der Tage im Jahreszyklus des spätmittelalterlichen Wien. In: Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 54 (1998)
- Ferdinand Opll: Leben im mittelalterlichen Wien [u. a.]: Böhlau 1998