Wiener Stadtauswahl (Fußball)

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Letzte Änderung am 26.08.2016 durch WIEN1.lanm08son

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In den Anfängen des Wiener Fußballs wurde schon früh die Notwendigkeit erkannt, durch Freundschaftsspiele gegen ausländische Mannschaften das eigene Leistungsvermögen zu kontrollieren bzw. zu steigern. Der ehemalige englische Fußballprofi Mark D. Nicholson – der als englischer Arbeitsmigrant eine wichtige Rolle bei der Institutionalisierung des Fußballsports in Wien spielte – gab 1899 den Anstoß zur Bildung des „Comites zur Veranstaltung von Fussballwettspielen“. Dieses Komitee, das einen Verbandsvorläufer darstellte, hatte die Aufgabe, ausländische Mannschaften nach Wien zu verpflichten und entsprechende finanzielle Rahmenbedingung zu schaffen. Diese ausländischen Mannschaften spielten in der Regel gegen Wiener Vereine aber auch gegen Auswahlteams der besten Wiener Spieler, der sogenannten Wiener Stadtauswahl. Diese Auswahl fungierte als Vorläufer der österreichischen Nationalmannschaft, existierte aber auch nach deren Formierung parallel zu dieser.

Englische Lehrmeister

Die Wiener Stadtauswahl traf in unterschiedlicher Zusammensetzung auf ihre ausländischen Wettspielpartner. Ihren Premierenauftritt absolvierte sie am 12. März 1899 mit einem 2:2 gegen die Auswahl der Böhmischen Amateur Athletik-Union. Die Spieler stammten allesamt von den drei damals bedeutendsten Vereinen, dem WAC, der Vienna und vor allem vom Vienna Cricket and Football Club (Cricketer), der allein sieben Spieler stellte. Noch waren die Engländer die Lehrmeister, spielten doch bei der Premiere sieben in Wien arbeitende Briten, darunter Nicholson, in der Auswahl. Zuvor hatte bei einem Testspiel am 18. Dezember 1898 ein Team von in Wien lebenden Engländern eine aus Wienern gebildete Auswahl mit 4:1 besiegt. Es sollte sich zeigen, dass die Auswahlspiele von den Zuschauern angenommen wurden und sich zu einer regelmäßigen Institution entwickelten. So verfolgten 1.000 Zuschauer am 29. Oktober 1899 das Spiel der Wiener Auswahl gegen ihr Berliner Pendant auf dem WAC-Platz.

Rivalen Prag und Budapest

1902 folgten ersten Begegnungen mit den jeweiligen Stadtauswahlen aus Budapest und Prag. Das erste Spiel gegen die Ungarn, das am 12. Oktober 1902 mit einem fulminanten 5:0 Sieg der Österreicher endete, wurde nachträglich als erstes Spiel der österreichischen Nationalmannschaft anerkannt. 1903 gastierte die Wiener Auswahl zum ersten Mal im Ausland und verlor am 11. Juni 1903 in Budapest mit 0:3. In den folgenden Jahren absolvierten die Wiener jedes Jahr zwei Spiele und trafen dabei regelmäßig auf Mannschaften aus Berlin, Budapest oder Prag. 1913 wurde die Palette um Krakau und München erweitert. 1914 kam das mährisch-schlesische Opava hinzu. Allmählich intensivierte sich der Spielverkehr der Wiener Stadtauswahl und der Radius der Auftritte vergrößerte sich. So reiste die Wiener Auswahl nach Belgien, die Niederlande sowie in die Schweiz und nach Skandinavien oder sie vertrat Wien als Sportbotschafter in Istanbul. Daneben etablierte sich auch ein regelmäßiger Spielverkehr der österreichischen Nationalmannschaft, die sich in teilweiser oder auch gänzlicher Personalunion aus den Fußballern der Stadtauswahl zusammensetzte. Stadtspiele wurden zuweilen auch als Vorspiele zu Länderspielen veranstaltet oder parallel dazu abgehalten. So trat am 23. März 1930 die österreichische Nationalmannschaft in Prag gegen die Tschechoslowakei an, während zur gleichen Zeit im Stadion Hohe Warte zwei Wiener Auswahlmannschaften vor 25.000 Zuschauern auf Bratislava und Prag trafen. Für die Spielerrekrutierung beider Mannschaften war Bundeskapitän Hugo Meisl zuständig; er entschied sowohl über die Zusammenstellung der Wiener Auswahl als auch über die Aufstellung der Nationalmannschaft. Die Städtespiele boten ihm eine gute Gelegenheit, jungen Spielern eine erste Chance zu geben oder taktische Varianten zu erproben.

Intensivierung unter Nazis

Mit der nationalsozialistischen Machtergreifung im März 1938 erfuhr die Praxis der Städtespiele eine Aufwertung. Nachdem die österreichische Nationalmannschaft zu existieren aufgehört hatte, wurde dem erfolgsverwöhnten Wiener Fußball Publikum durch die Intensivierung des Spielverkehrs der Wiener Auswahl eine Alternative geboten. De facto setzte sich diese Auswahl ohnedies weiterhin aus den besten Spielern der Wiener Vereine zusammen und wäre damit deckungsgleich zu einer österreichischen Nationalmannschaft gewesen. Auch ersetzten die Stadtspiele den während der NS-Zeit eingeschränkten internationalen Spielverkehr. So gastierten die Wiener in der Folge nur in „befreundeten“ Ländern oder besetzten Gebieten und reisten nach Belgrad, Budapest, Paris sowie Rom und Zagreb.

Bedeutungsverlust und aktuell

Nach Kriegsende wurde der internationale Spielverkehr wieder aufgenommen, aber mit der Intensivierung des Länderspielwesens und vor allem mit der Einrichtung des Europapokals ab 1955 nahm die Bedeutung der Städtespiele zunehmend ab. Einer der letzten Auftritte der Wiener Auswahl fand am 3. September 1975 als Vorspiel zum Länderspiel Österreich-BRD im Wiener Praterstadion gegen Budapest statt. Zum 75-jährigen Jubiläum des Wiener Fußball-Verbands (WFV) 1997 erfolgte noch einmal die Aufstellung einer Wiener Auswahl, die unter Trainer Peter Leitl am prestigeträchtigen Wiener Stadthallenturnier 1997/1998 teilnahm. Diese WFV-Auswahl, gebildet aus Spielern der Vereine der Wiener Stadtliga, schlug am ersten Spieltag völlig überraschend den späteren Sieger Rapid und landete im weiteren Verlauf des Turniers aber schließlich nur auf dem 7. und vorletzten Platz.

Aktuell wird im Nachwuchsbereich eine bundesweite Meisterschaft in den Kategorien U14 Mädchen bzw. U14 Burschen ausgespielt, an denen die einzelnen Landesverbände mit ihren jeweiligen Bundesländerauswahlen teilnehmen.

Literatur

  • Josef Huber: 75 Jahre Wiener Fußball Verband. Die Geschichte des Wiener Fußballs. Wien: WFV 1998
  • Matthias Marschik: Vom Nutzen der Unterhaltung. Der Wiener Fußball in der NS-Zeit. Zwischen Vereinnahmung und Resistenz. Wien: Turia und Kant 1998
  • Matthias Marschik: Vom Herrenspiel zum Männersport. Die ersten Jahre des Wiener Fußballs. Wien: Turia und Kant 1997
  • Leo Schidrowitz: Geschichte des Fußballsports in Österreich. Wien: Verlag Rudolf Traunau 1951
  • Karl Heinz Schwind. Geschichten aus einem Fußball-Jahrhundert. Wien: Verlag Ueberreuter 1994