Stadion Hohe Warte
48° 14' 53.76" N, 16° 21' 35.74" E zur Karte im Wien Kulturgut
Das Stadion Hohe Warte (19., Klabundgasse 11) ist ein 1920-1921 errichtetes Fußballstadion im 19. Bezirk Döbling. Das Stadion mit Naturtribünen ist Heimstätte der Vienna.
Die Vienna kommt auf die Hohe Warte
Ursprünglich hatte der älteste österreichische Fußballverein bis 1896 auf der Kuglerwiese (Geweygasse 8), dann bis 1899 auf der Kreindlwiese (im Bereich Hohe Warte 24–30) gespielt. Danach nutzte der Verein eine Sportstätte auf der Hohen Warte in der Nähe der Barawitzkagasse. Nachdem 1919 diese Pacht den Döblingern nicht verlängert wurde, war man auf Platzsuche und übernahm den auf dem Gelände eines ehemaligen Ziegelwerks befindlichen FC Ostmark Platz. Nach den Plänen von Eduard Schönecker, dem Erbauer des Stadions auf der Pfarrwiese, wurde dort in der Folge das Stadion Hohe Warte errichtet. Die Anlage mit ihrem Fußballplatz, Tennisplätzen, Leichtathletikanlagen und weiteren Einrichtungen für Sportler und Besucher, wurde nach eineinhalbjähriger Bauzeit am 19. Juni 1921 eröffnet und war mit über 95.000 Quadratmetern Grundfläche der größte Sportplatz außerhalb der britischen Inseln.
Zuschauerrekorde
Der Riesensportplatz mit seiner imposanten Nordrampe pulverisierte die Zuschauerzahlen in den ersten Jahren seines Bestehens. Schon zum ersten Länderspiel im April 1922 gegen Deutschland gab es mit 56.000 Besuchern einen ersten Zuschauerrekord. Dieser wurde am 15. April 1923 beim Länderspiel gegen Italien mit offiziell 75.000 Zuschauern übertroffen. Tatsächlich dürften sogar rund 90.000 Zuseher anwesend gewesen sein. Die Zuschauermassen und starke Regenfälle am 15. April 1923 lösten nach dem Spiel einen Erdrutsch auf der Nordrampe aus. Wie durch ein Wunder kam es zu keinen schweren Verletzungen. Als Manko der Anlage zeigte sich bald, dass der Abtransport großer Menschenmassen aufgrund der topografischen Lage – auf einem Hügel – und der daraus resultierenden räumlichen Enge immer wieder zu Schwierigkeiten führte.
Vielfältige Nutzung
In der Folgezeit nützten auch andere Wiener Vereine das Stadion für internationale Freundschaftsspiele und vor allem für die Begegnungen im prestigeträchtigen Mitropapokal. Auch wurde die Anlage als Ort für andere Veranstaltungen genutzt. Am 1. Mai 1923 boxte der französische Ex-Weltmeister Carpentier gegen den Briten Townley vor 15.000 Zusehern in Döbling. Aufwendige Opernaufführungen mit bis zu 1.000 Mitwirkenden, wie 1924 Verdis „Aida“, wurden in Szene gesetzt. 1926 gastierte der finnische Ausnahmeläufer Paavo Nurmi auf der Hohen Warte.
Turbulente Zeiten
Die Vienna errang auf der Hohen Warte 1931 ihre erste Meisterschaft und gewann 1933 sowohl Meisterschaft als auch den internationalen Mitropapokal. Auch zahlreiche internationale Mannschaften, etwa aus England, ließen das Wiener Publikum nach Döbling strömen. Von 1921 bis 1929 wurden zudem acht österreichische Cupendspiele auf der Hohen Warte ausgetragen. Einen Höhepunkt bildete der fulminanten 5:0 Sieg über Schottland am 16. Mai 1931, als 40.000 Zuseher auf der Hohen Warte die Geburt des österreichischen Wunderteams erlebten. Die Hohe Warte wurde folglich zur Heimstätte des Wunderteams, das unter der Leitung von Bundeskapitän Hugo Meisl in fünfzehn Begegnungen bis Februar 1933 nur eine Niederlage hinnehmen musste.
Mit der Eröffnung des Praterstadions erfuhr das Stadion Hohe Warte einen ersten Bedeutungsverlust. Nachdem seit 1922 insgesamt 36 Länderspiele stattgefunden hatten, trat 1936 das österreichische Nationalteam zum letzten Mal auf der Hohen Warte an. Im Laufe der Zeit wurde der Unterhalt der Anlage für die Vienna immer mehr zum finanziellen Problem. Ab Mitte der 1930er Jahre fanden weniger internationale Spiele statt. Die nationalsozialistische Machtergreifung im März 1938, die den internationalen Spielverkehr für die Wiener Vereine sehr einschränkte, bedeutete für das Stadion auf der Hohen Warte eine weitere Abwertung. Am 26. März 1939 devastierte eine Kraftradgeländefahrt der NSKK-Motorstandarte 93 die Anlage völlig. An Sportveranstaltungen war nun nicht mehr zu denken. Eine in Aussicht gestellte Instandsetzung verunmöglichten die im September 1939 beginnenden Kriegshandlungen. Gegen Ende des Krieges wurde das Spielfeld durch Bombentreffer beschädigt.
1945 beschlagnahmte die US-Armee das Areal und errichtete ein Baseballfeld. Ab 1951 konnte die Vienna sukzessive zurückkehren. Zuerst trainierte sie auf dem Übungsfeld hinter der Tribüne, auf dem ab 1951 auch wieder vereinzelt Meisterschaftspartien der Vienna stattfanden. 1953 wurde die Anlage wieder komplett an die Döblinger zurückgegeben, instand gesetzt und am 8. März 1953 mit dem Meisterschaftsspiel gegen den LASK eingeweiht. Das neue Fassungsvermögen mit rund 32.000 Zusehern, für damals eine weiterhin hohe Zahl, konnte aber in der Folgezeit nicht mehr ausgeschöpft werden.
Die Hohe Warte und die Vienna - im Schicksal vereint
Mit der Eröffnung der ersten Flutlichtanlage in Wien am 3. November 1956 beim Meisterschaftsspiel Vienna gegen Wacker sollte die Anlage wieder in neuem Glanz erstrahlen. Doch die Hoffnung des Vereins, dass nun wieder wichtige Spiele in Döbling stattfinden würden, erfüllte sich nicht. Mit dem sportlichen Abstieg der Vienna ab den 1960er Jahren verkam auch der Sportplatz immer mehr. Zwar kam es zur Errichtung der heutigen Tribüne, die nach Verzögerungen im Oktober 1974 eröffnet werden konnte. In der Folge wurde die kostenintensive Immobilie aber immer mehr zur finanziellen Belastung für den in sportliche Turbulenzen geratenen Klub.
Multifunktionale Nutzung
Anfang der 1970er Jahre wurden nationale und internationale Speedway-Rennen auf der Hohen Warte abgehalten[1]. Auch einzelne Boxkämpfe wurden wieder veranstaltet, allerdings in kleinerem Rahmen als in der Zwischenkriegszeit.[2]. In den 1980er Jahren bewirkten Auftritte von Hans Krankl und Weltmeister Mario Kempes im Vienna Dress noch fünfstellige Zuschauerzahlen auf der Hohen Warte. Ende der 1980er Jahre qualifizierten sich die Döblinger zweimal für den UEFA Cup, weshalb etwa Olympiakos Piräus am 17. Oktober 1989 vor 5.000 Zuschauern auf der Hohen Warte gastierte. Doch der Verfallsprozess der Sportstätte schritt weiter voran. In den 1990er Jahren kam es zur multifunktionalen Nutzung der Anlage; sie diente etwa als Schauplatz für diverse Musikkonzerte. So traten unter anderem James Brown, Rod Stewart oder „Ostbahn Kurti“ in Döbling auf. Von 1992 bis 2015 nutzten die Vienna Vikings gemeinsam mit der Vienna das Stadion als Heimstätte. Derzeit trägt auch der österreichische Rugby Verband vereinzelt Länderspiele in Döbling aus.
Jüngere Geschichte
2001 stieg die Vienna in die drittklassige Regionalliga Ost ab, womit die Zuschauerzahlen weiter sanken. 2005 erfolgte schließlich eine gründliche Sanierung der Sportstätte durch die öffentliche Hand, die unter anderem die Aufstellung einer mobilen Tribüne für 1.100 Zuseher auf der westseitigen Naturtribüne beinhaltete. In der Folge entwickelte sich das kleine Wiener Derby aufgrund seiner beispiellosen Atmosphäre zum Publikumsmagneten. So kamen am 4. September 2015 6.000 Zuschauer zum Meisterschaftsspiel gegen den Wiener Sportklub nach Döbling. Nachdem das Stadion auch schon in der Vergangenheit unterschiedliche, mit Sponsoren in Verbindung stehende Namen getragen hatte (etwa Casino Stadion Hohe Warte), wurde die Anlage 2014 auf Care Energy-Naturarena Hohe Warte umbenannt. Nach Konkurs des Sponsors erfolgte 2017 die Entfernung des Firmennamens aus dem Stadionnamen, der nun wiederum Naturarena Hohe Warte lautet.
Quellen
Literatur
- Alexander Juraske: Casino Stadion Hohe Warte. In: Fussballtempel. Hg. von Reinaldo Coddou H. Mannheim: Edition Panorama 2011, S. 237
- Alexander Juraske: Der First Vienna Football Club 1894 in den Jahren 1938 bis 1945. In: Fußball unterm Hakenkreuz in der Ostmark. Hg. von David Forster u.a. Göttingen: Die Werkstatt 2014, S. 138-153
- Alexander Juraske: Blau-Gelb ist mein Herz. Die Geschichte des First Vienna Football Club 1894. Wien: Promedia (In Vorbereitung, voraussichtlicher Erscheinungstermin 2017)
- Helmut Lang [Hg.]: First Vienna Football Club. Österreichs Fussballpionier. Wien: Herzog 1969
- Matthias Marschik: Volksmotorisierung als Körperkultur. Definitionskämpfe rund um den Sport im nationalsozialistischen Wien. In: Sportzeiten 3/2014, S. 29-52
- Andreas Tröscher: Die Hohe Warte. Antike Arena einer längst versunkenen Fußball Welt. In: Wo die Wuchtel fliegt. Legendäre Orte des Wiener Fussballs. Hg. von Peter Eppl u.a. Wien: Löcker (Ausstellungskatalog, 347. Sonderausstellung des Wien Museums) 2008, S. 18-25
- Andreas Tröscher: Hohe Warte. Wien-Döbling. In: Das große Buch der österreichischen Fußballstadien. Hg. von Andreas Tröscher u.a. Göttingen: Die Werkstatt 2007, S. 89-97