Zwieback & Bruder
48° 12' 25.02" N, 16° 22' 18.43" E zur Karte im Wien Kulturgut
Das Kaufhaus 'Zwieback & Bruder' wurde 1877 von Ludwig Zwieback und seinen Brüdern gegründet. Es zählte zu einem der bedeutendsten Modeunternehmen Wiens. Nach dem Tod ihres Vaters Ludwig im Jahr 1906 erbte seine Tochter Ella Zirner-Zwieback das Unternehmen. Ella Zirner-Zwieback stellte eine Ausnahme in der Männerdomäne der Warenhausbesitzer dar. Nach Abschluss des Verlassenschaftsverfahrens gründete Ella Zirner-Zwieback am 1. Jänner 1910 gemeinsam mit ihrem Ehemann eine Offene Handelsgesellschaft, in der sie beide Gesellschafter waren. Während Alexander Zirner die finanzielle und kommerzielle Leitung innehatte, verantwortete sie selbst Einkauf und Arrangement. Unter ihrer Führung wurde die Maison Zwieback auf der Kärntner Straße 11 zum Inbegriff für noble, mondäne Kleidung und Accessoires nach dem neuesten Stand der Mode à la parisienne. 1910 wurden die Innenräume sowie des Geschäftsportals durch den bekannten Architekten Friedrich Ohmann neu gestaltet.
Trotz der Popularität der Maison Zwieback belasteten ab Mitte der 1920er-Jahre sowohl die angespannte Wirtschaftslage als auch Erbstreitigkeiten nach dem Tod von Alexander Zirner (1924) das Unternehmen. Während der jüngere Sohn Ludwig Zirner als Kollektivprokurist in die Firma eintrat, wurde der ältere Hans Erich Zirner nicht aufgenommen. Er verklagte seine Mutter, wurde jedoch mit Beschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 13. Mai 1927 wegen "gewohnheitsmäßigem Missbrauch von Nervengiften" beschränkt entmündigt. Die einzige Tochter, Renée Erös von Bethlenfalva, hatte auf ihre gesetzlichen Ansprüche zugunsten ihrer Mutter verzichtet. Im Gegenzug hatte sie wertvolle Schmuckstücke erhalten. Anfang der 1930er-Jahre konnte der Konkurs abgewendet werden. Die Werbelinie änderte sich in dieser Zeit aber merklich vom Luxus hin zu erschwinglicher Ware.
1933 stellte sich das Warenhaus in den Dienst der Politik von Engelbert Dollfuß als dort im September des Jahres unter dem Leitmotiv "Rückkehr zum österreichischen Geschmack" eine "Vaterländische Ausstellung" eröffnete. Im Rahmen der Veranstaltung wurde im Namen des Hauses dem Bundeskanzler eine Hymne gewidmet.
Bereits wenige Wochen nach dem "Anschluss" wurden Ella Zirner-Zwieback das Kaufhaus und angrenzende Immobilien, wie etwa das Restaurant 'Zu den drei Husaren', entzogen. Profiteur war die Zentralsparkasse der Gemeinde Wien. Die Familie musste die Immobilien auf eigene Kosten räumen, der Erlös des anschließenden Verkaufs erging zur Gänze an die Vermögensverkaufsstelle. Ella Zirner-Zwieback und ihr Sohn Ludwig konnten 1939 über Frankreich in die USA flüchten, wo sie eine neue Heimat fanden.
Das Restaurant "Zu den drei Husaren" wurde Ella Zirner-Zwieback niemals restituiert. Diese hatte die Räume des ehemaligen Kaffeehauses der Firma Zwieback 1933 an Graf Paul Pálffy verpachtet. Die Konzession blieb jedoch bei Ella Zirner-Zwieback – 1938 wurde sie zum Verkauf derselben gezwungen. Schauspieler August Zirner, Enkel von Ella Zirner-Zwieback, machte in einem Interview im Jahre 2010 die ausgebliebene Restitution, bzw. Entschädigung an seine Großmutter publik.
Quellen
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Handelsgericht, B75/22: Handelsregister Ges 22/45, Ludwig Zwieback & Bruder
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Handelsgericht, B74/18: Handelsregister E 18/116, Ludwig Zwieback & Bruder
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Handelsgericht, B75/31: Handelsregister Ges 31/3, Ludwig Zwieback & Bruder
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Handelsgericht, B74/30: Handelsregister E 30/366, Ludwig Zwieback & Bruder
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Handelsgericht, B76/14: Handelsregister A 14/68, Zwieback Ludwig & Bruder; Zwieback & Bruder, Ludwig
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Handelsgericht, B76/74: Handelsregister A 74/2, Ludwig Zwieback & Bruder
Literatur
- Astrid Peterle, Dan Fischman: Kauft bei Juden! Geschichte einer Wiener Geschäftskultur. In: Kauft bei Juden. Geschichte einer Wiener Geschäftskultur. Hg. von Astrid Peterle. Wien: Amalthea 2017, S. 16-27
- Astrid Peterle: Wien im Kaufrausch! Die Blüte der Wiener Kaufhäuser und k.u.k. Hoflieferanten. In: Kauft bei Juden. Geschichte einer Wiener Geschäftskultur. Hg. von Astrid Peterle. Wien: Amalthea 2017, S. 66-93
- Astrid Peterle: Kauft (nicht) bei Juden! Zerstörung einer Wiener Geschäftskultur, 1938-1945. In: Kauft bei Juden. Geschichte einer Wiener Geschäftskultur. Hg. von Astrid Peterle. Wien: Amalthea 2017, S. 164-179
- Astrid Peterle: Wird Wien wieder chic? Wiederaufbau einer zerstörten Geschäftskultur. In: Kauft bei Juden. Geschichte einer Wiener Geschäftskultur. Hg. von Astrid Peterle. Wien: Amalthea 2017, S. 194-215
- Siebzehnter Bericht des amtsführenden Stadtrates für Kultur und Wissenschaft über die gemäß dem Gemeinderatsbeschluss vom 29. April 1999 in der Fassung vom 29. April 2011 erfolgte Übereignung von Kunst- und Kulturgegenständen aus den Sammlungen der Museen der Stadt Wien, der Wienbibliothek im Rathaus sowie dem Jüdischen Museum der Stadt Wien, 14.12.2017 [Stand: 21.12.2021]