Ella Zirner-Zwieback
Ella Zirner-Zwieback, * 12. Oktober 1878 Wien, 5. April 1970 New York, Unternehmerin.
Biografie
Ella Zirner-Zwieback kam als Tochter von Ludwig Zwieback (1844–1906) und dessen Ehefrau Katharina (1845–1890), geborene Singer, in Wien zur Welt. Mit ihrem Ehemann, dem aus einer Juweliersfamilie stammenden Kommerzialrat Alexander Zirner, hatte sie die gemeinsamen Kinder Renée Katharina (1899–1948), genannt Kitty, und Hans Erich Zirner (1900–1960). Sohn (Ernst) Ludwig (1906–1971) stammte aus einer Affäre mit ihrem Klavierlehrer, dem Komponisten Franz Schmidt. Er wuchs als Sohn von Alexander Zirner auf. Von seinem leiblichen Vater erfuhr Ludwig Zirner erst in den 1960er Jahren.
Nach dem Tod ihres Vaters übernahm die ausgebildete Pianistin 1906 das von ihm und seinen Brüdern gegründete Warenhaus Zwieback & Bruder, das zu einem der bedeutendsten Modeunternehmen Wiens zählte. Nach Abschluss des Verlassenschaftsverfahrens gründete Ella Zirner-Zwieback am 1. Jänner 1910 gemeinsam mit ihrem Ehemann eine Offene Handelsgesellschaft, in der sie beide Gesellschafter waren. Während Alexander Zirner die finanzielle und kommerzielle Leitung innehatte, verantwortete sie selbst Einkauf und Arrangement. Unter ihrer Führung avancierte die Maison Zwieback auf der Kärntner Straße 11 zu einem der führenden Modehäuser der Stadt. Immer wieder trat das Ehepaar auch durch großzügige Spendentätigkeit hervor, wie etwa beim Bau einer Synagoge im 13. Bezirk.
Nach dem Tod von Alexander Zirner 1924 geriet das Unternehmen rasch in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Sowohl die angespannte Wirtschaftslage als auch Erbzwistigkeiten setzten dem Unternehmen zu. Während Sohn Ludwig Zirner als Kollektivprokurist in die Firma eintrat, wurde Hans Erich Zirner nicht aufgenommen. Er verklagte seine Mutter, wurde jedoch mit Beschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 13. Mai 1927 wegen "gewohnheitsmäßigem Missbrauch von Nervengiften" beschränkt entmündigt. Die einzige Tochter, Renée Erös von Bethlenfalva, hatte auf ihre gesetzlichen Ansprüche zugunsten ihrer Mutter verzichtet und im Gegenzug wertvolle Schmuckstücke erhalten.1930 konnte der Konkurs des nunmehr hochverschuldeten Unternehmens nur knapp abgewendet und ein Ausgleich erzielt werden.
Zeitungsartikel aus den späten 1920er und 1930er Jahren zeichneten ein widersprüchliches Bild der Unternehmerin. Ein 1930 im Neuen Wiener Journal abgedrucktes Porträt präsentierte sie als die "erste Angestellte des Hauses" und rühmt sie als ein leuchtendes Beispiel für Pflichtbewusstsein. Hervorgehoben wurde zudem ihre einfache, puritanische Lebensweise (Neues Wiener Journal, 3. Mai 1930). In Medien, die der Arbeiterbewegung nahestehen, wurde Ella Zirner-Zwieback hingegen mitunter als verschwenderische, hochmütige und anmaßende Person beschrieben, die schlecht mit ihren Angestellten umging und das einst erfolgreiche Unternehmen an den Rand des Ruins geführt hat (Der Abend, 03.07.1928). Kritisiert wurde auch ihr Naheverhältnis zu Ignaz Seipel und anderen Persönlichkeiten der Einheitsliste, mit denen ihr Schwiegersohn Hugo Erös von Bethlenfalva Umgang pflegte.
1933 stellte sich das Warenhaus in den Dienst der Politik von Engelbert Dollfuß als dort im September des Jahres unter dem Leitmotiv "Rückkehr zum österreichischen Geschmack" eine "Vaterländische Ausstellung" eröffnete. Im Rahmen der Veranstaltung wurde im Namen des Hauses dem Bundeskanzler eine Hymne gewidmet. 1936 übernahm Ella Zirner-Zwieback die Präsidentschaft der Damen Fußballunion (DFU).
Bereits wenige Wochen nach dem "Anschluss" wurden Ella Zirner-Zwieback das Kaufhaus und weitere Immobilien entzogen. Sie selbst und ihr Sohn Ludwig konnten 1939 über Frankreich und England in die USA flüchten. Am 8. Mai 1945 nahm sie die amerikanische Staatsbürgerschaft an. Nach 1945 gab es mehrere Rückstellungsverfahren. 2010 machte der Schauspieler August Zirner, Enkel von Ella Zirner-Zwieback, in einem Interview auf die unzureichende Restitution bzw. Entschädigung an seine Großmutter aufmerksam.
Quellen
- Wienbibliothek im Rathaus, Tagblattarchiv: Zirner-Zwieback, Ella [Sign.: TP-057858]
- WStLA, Handelsregister A 14/68, Signatur: 2.3.3.B76.14.68
- WStLA, Handelsregister A 74/2, Signatur: 2.3.3.B76.74.2
- ANNO: Parte Alexander Zirner. In: Wiener Salonblatt, 14.12.1924, S. 8
- ANNO: Familienstreit im Hause Zirner-Zwieback. In: Neues Wiener Journal, 20.05.1927, S. 12
Literatur
- Ana Zirner / August Zirner: Ella und Laura. Von den Müttern unserer Väter. München: Piper 2021
- Astrid Peterle: Kauft bei Juden. Geschichte einer Wiener Geschäftskultur. Wien: Amalthea 2017
- Siebzehnter Bericht des amtsführenden Stadtrates für Kultur und Wissenschaft über die gemäß dem Gemeinderatsbeschluss vom 29. April 1999 in der Fassung vom 29. April 2011 erfolgte Übereignung von Kunst- und Kulturgegenständen aus den Sammlungen der Museen der Stadt Wien, der Wienbibliothek im Rathaus sowie dem Jüdischen Museum der Stadt Wien, 14.12.2017 [Stand: 21.12.2021]
- Interview mit August Zirner. In: profil, 05.06.2010