Alma Johanna Koenig
Alma Johanna Koenig, * 18. August 1887 Prag, † 1. Juni 1942 Konzentrationslager Minsk, Weißrussland, Schriftstellerin.
Biografie
Alma Johanna Koenig kam als drittes Kind des Hauptmanns Karl Koenig und dessen Frau Susanne (geborene Herdan) zur Welt. Wenige Monate nach ihrer Geburt nahm der Vater, ein zum Katholizismus konvertierter jüdischer Offizier, der auf Grund seiner Herkunft keine weitere Beförderung mehr erwarten durfte, seinen Abschied und die Familie zog 1888 nach Wien. Dort wuchs Koenig mit ihren älteren Geschwistern Arthur (1875–1942) und Aurelie (*1877) auf. Das Kind besuchte das Höhere Töchter Institut Gunesch und die vom Wiener Frauenerwerbsverein geführte Höhere Töchterschule. Wegen häufiger Krankheiten versäumte Alma Johanna Koenig zwar viel Unterrichtsstoff, konnte sich aber im Selbststudium ein hohes Maß an Sprach-, Geschichts- und Literaturkenntnissen erarbeiten. Koenigs größtes Interesse galt dem Theater, wo sie besonders den Schauspieler Josef Kainz verehrte, dessen Vortragsabende sie regelmäßig besuchte.
Erste Publikationen von Gedichten, die von Rilke beeinflusst waren, und kleine Erzählungen erfolgten seit etwa 1910 noch ohne Wissen der Familie unter dem Pseudonym Johannes Herdan. Unter ihrem eigenen Namen erschien erst 1918 der Gedichtband "Die Windsbraut". Im Folgejahr lernte sie den elf Jahre jüngeren Baron und Geschäftsmann Bernhard von Ehrenfels kennen, den sie 1921 heiratete.
Im Jahr zuvor veröffentlichte Alma Johanna Koenig die Hundenovelle "Schibes", die in ihrer Thematik an Marie von Ebner-Eschenbachs "Krambambuli" erinnert, allerdings antizigane und antijüdische Stereotype enthält, die 2021 im Zusammenhang mit dem ersten Ergänzungsband der "Umstrittenen Wiener Straßennamen" kritisiert wurden. 1922 erschienen im Rikola-Verlag "Die Lieder der Fausta" und der "Der heilige Palast", ein historischer Roman aus der byzantinischen Kaiserzeit. Darin manifestiert sich ein Hauptthema des dichterischen Schaffens der Alma Johanna Koenig: die Antike. Im "Heiligen Palast" steht Theodora, die Gattin des Kaisers Justinian, im Zentrum der Handlung. Dieser Roman wurde zum "Bestseller" unter den Werken der Dichterin, aber wegen seiner erotischen und morbiden Schilderungen zwiespältig aufgenommen.
1924 erschien, ebenfalls bei Rikola, der Wikinger-Roman "Die Geschichte von Half, dem Weibe", worin sie isländische Mythen, Motive aus den Liedern der Skalden und der frühen Geschichte Norwegens und Großbritanniens verschmolz. Das Werk entstand größtenteils in Schloß Eppenberg im Waldviertel, dem Wohnsitz der Schwiegereltern der Dichterin, und brachte ihr 1925 den "Preis der Stadt Wien" sowie eine Gemeindewohnung ein. Im gleichen Jahr übersiedelte Koenig mit ihrem Mann nach Algier, wo dieser die Position eines österreichischen Honorarkonsuls bekleidete. In Algerien unternahm sie in Begleitung der Wüstenforscherin Julia Wagner-Jauregg, der Tochter des österreichischen Psychiaters Julius Wagner-Jauregg, weite Reisen und bearbeitete im Auftrag der Stuttgarter Franckhschen Verlagshandlung das Kudrun-Epos für die Jugend. 1928 erschien es unter dem Titel "Gudrun. Stolz und Treue" und ist seither immer wieder neu aufgelegt worden. Noch erfolgreicher war ihre dem Broterwerb dienende und bis heute verbreitete Übersetzung des Kriminalromans "The Fellowship of the Frog" (1925) von Edgar Wallace, der sich im deutschsprachigen Raum unter dem Titel "Der Frosch mit der Maske" (1926) größter Beliebtheit erfreut.
In Algier entstand auch, neben verschiedenen, zum Teil erst postum publizierten Novellen, Skizzen und Erzählungen, der 1932 veröffentlichte, stark autobiographisch gehaltene Roman "Leidenschaft in Algier". Es ist dies das einzige größere Prosawerk der Autorin, das seinen Stoff unmittelbar aus dem Erleben bezogen hat: Der wesentlich jüngere Gatte erwies sich als moralisch haltlos und verschwendete das zum Teil ererbte Vermögen der Dichterin, was 1930 zur Trennung, 1936 schließlich zur Scheidung führte.
Nach ihrer Rückkehr nach Wien im Jahre 1930 lebte Koenig in bescheidenen Verhältnissen und fristete ihren Lebensunterhalt nach 1933, als ihr der deutsche Absatzmarkt und die Mitarbeit an deutschen Zeitschriften verbaut wurde, durch Vorlesungen und Vorträge. 1933 lernte sie den ebenfalls weitaus jüngeren, später ebenfalls schriftstellerisch tätigen Oskar Jan Tauschinski kennen; die für diesen verfassten "Sonette" konnten erst 1946 bei Luckmann erscheinen.
Weitere persönliche Einschränkungen tiefgreifendster Art ereilten die Dichterin nach dem sogenannten "Anschluss" im März 1938: Innerhalb von zwei Jahren musste sie achtmal die Wohnung wechseln, verlor dabei ihre Bibliothek und lebte zuletzt in einer winzigen Dienstbotenkammer (Rögergasse 18). Aber auch während dieser Zeit blieb Koenig literarisch tätig: Sie nahm die 1914 unterbrochene Arbeit an einem Roman über Petronius Arbiter, den Verfasser der "Cena Trimalchionis" und aus Sienkiewiczs "Quo vadis" bekannten Philosophen, wieder auf und gestaltete den Stoff zu einem Roman über den jungen Kaiser Nero, der unter dem Titel "Der jugendliche Gott" 1947 bei Zsolnay erschien.
Am 22. Mai 1942 wurde Koenig verhaftet und in ein Sammellager transportiert, aus dem sie fünf Tage später vom Aspangbahnhof aus wohl ins weißrussische Minsk deportiert wurde. Seither ist sie verschollen. Nach neueren Erkenntnissen wurde sie wahrscheinlich am 1. Juni 1942 in der Nähe des Gutes Malý Trostinec, einer ehemaligen Kolchose südöstlich vom Ghetto Minsk, ermordet.
Um das Andenken der Dichterin zu ehren, stiftete Tauschinski 1957 den "Alma Johanna Koenig-Preis", der alle fünf Jahre verliehen wurde. Die letzte Verleihung fand 1987 zum 100. Geburtstag der Namensgeberin statt. Damit war der Preis erloschen. Ein Teilnachlass der Autorin befindet sich wie der Nachlass von Oskar Jan Tauschinski in der Wienbibliothek im Rathaus.
1977 wurde der Alma-König-Weg in Wien-Liesing zu Ehren der Schriftstellerin benannt. Im Auftrag der Stadt Wien hat eine HistorikerInnen-Kommission 2021 die historische Bedeutung weiterer Wiener Straßennamen untersucht sowie eine zeithistorische Kontextualisierung vorgenommen. Aufgrund der daraus gewonnenen Erkenntnisse zur historischen Einordnung wurde die Benennung nach Alma Johanna Koenig als Fall mit demokratiepolitisch relevanten biographischen Lücken eingeordnet.
Quellen
Literatur
- Peter Autengruber / Oliver Rathkolb / Lisa Rettl / Walter Sauer: Umstrittene Wiener Straßennamen. Ein kritisches Lesebuch. 1. Ergänzungsband. Wien: 2021, S. 48-51
- Peter Autengruber, Lexikon der Wiener Straßennamen. Bedeutung, Herkunft, frühere Bezeichnungen. Wien: Pichler Verlag 2014, 9. Auflage, S. 27
- Ellen Johanna Löffler: Weiblichkeitsentwürfe in Leben und Werk der Wiener Autorin Alma Johanna Koenig. Frauen- und Selbstbildnis einer leidenschaftlichen Intellektuellen. Diss. Graz 2000.
- Evelyne Polt-Heinzl: Das Vermächtnis der Alma Johanna Koenig. In: Der literarische Zaunkönig (2004), Nr. 3, S. 15 ff.
- Oskar Jan Tauschinski: Kaddisch für eine Dichterin. In: Mit der Ziehharmonika 9 (1992), Nr. 2, S. 1 ff.
- Franziska Raynaud: Alma Johanna Koenig (1887−1942?). Leben und Dichten einer Wienerin. In: Leo Baeck Institut. Bulletin 64 (1983), S. 29 ff.
- Marie-Thérèse Kerschbaumer: Alma. In: Marie-Thérèse Kerschbaumer: Der weibliche Name des Widerstands. Sieben Berichte. Freiburg im Breisgau: Olten 1980, S. 5 ff.
- Dorotea Nadvornik: Alma Johanna Koenig. Tesi di laurea. Padua, Univ., Diss., 1976
- Oskar Jan Tauschinski: Bildnis einer Liebenden. In: Das Josefstädter Heimatmuseum. Band 2. Wien: Neuer Wiener Pressedienst 1959, S. 50 ff. (Ausstellung: S. 64 ff.)
- Wienbibliothek im Rathaus/Tagblattarchiv: König, Alma Johanna. 3 Bände [Sign.: TP-024471]
Alma Johanna Koenig im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.