Rikola-Verlag
48° 13' 5.56" N, 16° 21' 45.33" E zur Karte im Wien Kulturgut
Gründung
Die Gründung eines eigenen Verlags gehörte zu den Lieblingsideen des Bankiers und Schriftstellers Richard Kola, zu dessen Unternehmen auch Druckereien und Papierfabriken wie die "Elbemühl" Papierfabriks- und Verlagsgesellschaft, die Gesellschaft für graphische Industrie oder die Waldheim-Eberle AG gehörten. 1920 waren die Vorbereitungen zur Gründung der Rikola (aus: Ri-chard Kola) Verlags-Aktiengesellschaft weit gediehen. Angesichts der starken Teuerung auch im Buchhandel und der Abhängigkeit vom deutschen Büchermarkt plante der Unternehmer die Schaffung eines großen heimischen Verlages, um "in Massenauflagen gute und billige Bücher für das Volk herzustellen". Mit diesem wollte er billige Neuausgaben der Klassiker in Massenauflagen drucken, zeitgenössische Literatur fördern und mit Hilfe wissenschaftlich-politischer Publikationen aufklärend zu wirken.
Am 2. Dezember 1920 fand die konstituierende Generalversammlung der Gesellschaft statt, die als Betriebsgegenstand sämtliche Gebiete der Literatur, Kunst und Wissenschaft einschließlich des Verlags von Zeitschriften, geographischen Karten und Ansichtskarten, des Verlags und Vertriebs dramatischer Bühnenwerke, der Erzeugung von Papier, der Beteiligung an anderen Unternehmungen gleicher oder verwandter Art vorsah und noch im gleichen Monat im Wiener Handelsregister eingetragen wurde.
Der 25-köpfige Verwaltungsrat setzte sich aus Bankiers, Generaldirektoren, Präsidenten, Großindustriellen und Generalkonsuln zusammen, zu denen sich noch der Schriftsteller Anton Wildgans gesellte. An der Spitze stand Kola selbst als Präsident. Als Generaldirektor fungierte Alexander Skuhra, als literarischer Direktor Richard Wengraf, als künstlerischer Direktor Otto Nirenstein und als wissenschaftlicher Direktor Leo Friedländer. Als Firmensitz diente zunächst Wien-Neubau, Kaiserstraße 45, ab Sommer 1921 das ehemalige Hotel Hungaria in Wien-Landstraße, Radetzkyplatz 5, in dem während des Ersten Weltkriegs das Kriegspressequartier untergebracht gewesen war.
Zu den ersten Verlagsveröffentlichungen im Jahr 1921 zählten der Roman "Fredegund" von Emil Lucka, Felix Brauns "Die Taten des Herakles", Paul Bussons "Die Wiedergeburt des Melchior Dronte" oder Wladimir Hartliebs Gedichtband "Der mächtige Ruf". In Summe erschienen im ersten Jahr 106 Verlagspublikationen. In Zeiten der Inflation stieg der Wert der Aktien des Unternehmens rasant an . Rikola wurde nicht nur dem Buchhhandler sowie interessierten Leserinnen und Lesern ein Begriff, sondern auch Anlegern auf der Börse. Kola baute sein Unternehmensimperium indessen weiter aus und erwarb zwei Verlage.
Ilf-Verlag für Verlag für Dichtung, Kunst und Wissenschaft
Dieser im November 1919 ins Leben gerufenTheaterverlag wollte sich auf den Vertrieb dramatischer Bühnenwerke spezialisieren. Der Sitz des Unternehmens befand sich in Wien-Josefstadt, Josefstädter Straße 9. Am 12. Dezember 1919 erfolgte die Eintragung der protokollierten Firma im Handelsregister Wien unter Reg. C, Band 35, pag. 65. Zu den Gesellschaftern zählten Felix Kostia-Costa, Ernst Rosenbaum, Maximilian Lebman, die Gesellschaft für graphische Industrie, die die Auslieferung und Administration besorgte, sowie Eugen Reich, Fabrikant in Wien. Zu Geschäftsführern wurden Kostia-Costa, Rosenbaum und Emmerich Hofmannsthal, Sekretär der Gesellschaft für graphische Industrie, bestellt. Anfang 1921 gingen sämtliche Geschäftsanteile des Ilf-Verlages an den Rikola Verlag über.Die Mitarbeiter des Unternehmens wurden in den Rikola-Verlag übernommen. Dennoch existierte der Ilf-Verlag formal noch länger und wurde erst 1928/1929 liquidiert.
Die Produktion des bloß ein Jahr lang existierenden Verlags belief sich auf insgesamt insgesamt 14 Werke, die bei der Gesellschaft für graphische Industrie gedruckt wurden. Ihre Ausstattung waren durch qualitätsvolle Buchillustration, ausgewählte Vorsatzpapiere und ansprechende Einbände gekennzeichnet. Für die künstlerische Ausstattung, war vor allem Bernd Steiner zuständig, daneben auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der "Wiener Werkstätte" oder der Maler Karl Schwetz. Erich Schmal-Walter entwarf Buchausstattung und Umschlag und führte Original-Steinzeichnungen aus.
Zu den verlegten Autorinnen und Autoren zählten Oswald Brüll, Egmont Colerus, Oskar Maurus Fontana, Alfred Grünwald, Eugen Hoeflich, Arnold Höllriegel, Max Kalbeck, Michael Klapp, Ernst Kratzmann, Richard Peter, Roda Roda, Oskar Rosenfeld und Kory Towska. Von manchen Werken gab es auch Vorzugsexemplare auf Japanpapier. Die Auflagen schwankten zwischen 1.250 und 2.000 Exemplaren für Lyrikbände und 5.000 bei Romanen. Sämtliche Titel des Ilf-Verlags wurden vom Rikola Verlag erworben und weiter vertrieben.
Verlag Neuer Graphik
Die Geschichte des Verlags Neuer Grafik reicht bis in das Jahr 1908 zurück, als die Inhaberin und Geschäftsführerin Thekla Würthle beim Handelsgericht Salzburg und in Wien die Firma "Würthle & Sohn Nachf." mit Hauptsitz in Salzburg und Zweigniederlassung in Wien-Neubau, Mariahilferstraße 88a eintragen ließ. Als Gegenstand des Unternehmens wurde anfangs die Ergänzung, der Vertrieb und Verlag von Objekten des Kunsthandels und Werken der Fotografie, des Lichtdruckes und anderer Reproduktionsarten angeführt.
Ende 1915 übersiedelte die Gesellschaft "Würthle & Sohn Nachf." gänzlich nach Wien mit Handelsgeschäft in Wien-Innere Stadt, Weihburggasse 31 und wurde Anfang 1916 an den Maler Rudolf (Ulf) Seidl verkauft. Im Februar 1917 wurde die Firma schließlich unter Reg. A 34, 88 ins Wiener Handelsregister eingetragen. Das als Kunsthandel geführte Unternehmen erweiterte 1920 seine Tätigkeit auf das Verlagsgeschäft und wählte den Zusatz "Verlag Neuer Graphik".
Der Rikola Verlag pflegte seit April 1920 Kontakt zu "Würthle & Sohn Nachf." und gab den "Verlag Neuer Graphik" immer wieder als seinen "Kunstverlag" bzw. eine "Abteilung" an. Die Verbindung bestand in der Person von Otto Nirenstein, der bis 1922 - so lange dauerte die Zusammenarbeit - Leiter der Kunstabteilung von Rikola und gleichzeitig Prokurist von "Würthle & Sohn Nachf." war. Im Mai 1922 wurde der Verlag Neuer Graphik aus der Firma ausgegliedert und Rikola ließ den wenig einträglichen Kunstverlag fallen.
Das erste gemeinsame Projekt, Handzeichnungen und Aquarelle aus der Österreichischen Staatsgalerie, herausgegeben von Franz Martin Haberditzl und Bruno Grimschitz, ein Lieferungswerk in Faksimile-Farbenlichtdruck, fand kaum Absatz. Zu den ehrgeizigen Produktionsplänen des Verlags Neuer Graphik im Rahmen der Rikola Verlag AG gehörte eine Publikationsreihe, die Überblick über Leben und Wirken österreichischer Künstler und eine repräsentative Auswahl ihrer Werke in Reproduktionen geben sollte. Den farbigen Umschlag für diese Monographien entwarf Julius Zimpel. Realisiert wurden nur wenige Titel auf teuren Papiersorten und mit Handzeichnungen Zimpels. Der erste Band dieser Serie war ein Werk von Max Eisler über Anton Hanak.
Musarion-Verlag
Die dritte Erwerbung des Rikola Verlags erfolgte im März 1921. Der Münchner Musarion-Verlag iwurde in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, an der Rikola anfangs 97 Prozent und nach einer Kapitalerhöhung immer noch 52,5 Prozent des Aktienkapitals besaß. Für Kola, der Präsident der Gesellschaft wurde, bedeutete dieser Verlag, einen festen Fuß in Deutschland zu haben.
Produktion
Die hochgesteckten Ziele Kolas scheiterten an den für alle Verlage in Österreich ungünstigen Produktionsbedingungen, wie etwa die inflationsbedingt enormen Anstiege für Produkte und Dienstleistungen. Der Personalstand wuchs bis Herbst 1921 rasch an, um in Folge ebenso rasch wieder zu sinken. Auch die Zahl der verlegten Titel ging ab 1923 dramatisch zurück.
Am nächsten kam der Verlag seinen selbstgesteckten Zielen im Bereich moderner österreichischer Literatur. Zu den frühen Rikola-Verlagsautorinnen und -autoren zählten unter anderem Rudolf Hans Bartsch, Felix Braun, Egmont Colerus, Paul Busson, Egon Friedell, Adolf Gelber, Wladimir von Hartlieb, Arnold Höllriegel, Robert Hohlbaum, Emil Lucka, Julius Ludassy, Gustav Meyrink, Leo Perutz, Erwin Rieger, Thaddäus Rittner, Roda Roda, Ernst Scholl, Otto Soyka oder Paul Wertheimer. Zu diesen stießen im Laufe der folgenden Jahre noch Schriftstellerinnen und Schriftsteller wie etwa Franz Karl Ginzkey, Alma Johanna Koenig, Ernst Kratzmann, Hugo Salus, Hans Jüllig, Philipp Langmann, Franz Spunda, Karl Hans Strobl, Georg Terramare, Edmund Wengraf oder der Wahlösterreicher Jakob Wassermann.
Im Rikola Verlag erschien außerdem eine Reihe von Bücherserien, die meist nur wenige Folgen umfassten. So fungierte Gustav Meyrink als Herausgeber von Publikationen zum Thema Magie. Für die Serie "Romantik der Weltliteratur" zeichnete Franz Karl Ginzkey als Herausgeber verantwortlich. zeichnete. Adam Müller-Guttenbrunn war Herausgeber einer weiteren Reihe, "Die gute alte Zeit", in der 1922 bis 1924 vier Bände erschienen. Darüber hinaus gab Rikola wie viele andere belletristischen Verlage auch einen Verlagsalmanach mit dem Titel "Frauenzimmer-Almanach" mit Beiträgen dem Verlag verbundener Autorinnen und Autoren heraus, der in den Jahren 1922, 1923 und 1924 erschien, herausgegeben vom Schriftsteller Leo Friedländer. Zeichnungen und Buchschmuck für die Jahre 1923 und 1924 lstammten von Victor Schufinsky, 1923 ergänzt um Bilder nach Originalkupferstichen von Daniel Chodowiecki. Zu den Beitragenden zählten über den Kreis bereits Erwähnter hinaus auch Heinrich Hesse, Klabund, Heinrich Mann, Arthur Schnitzler, Arnold Zweig, Stefan Zweig, Hugo von Hofmannsthal, Max Mell oder Anton Wildgans.
Nach 1918 wollten mehrere neugegründete österreichische Verlage das Erfolgsrezept des Reclam-Verlags ausprobieren und leicht erschwingliche Bücher für den österreichischen Buchmarkt herstellen. Auch Richard Kola plante billige Neuausgaben von Klassikern in Massenauflagen; das Projekt wurde bald aber wieder fallen gelassen. Auf dem Sektor Jugend- und Kinderbücher kam es hingegen zur Gründung mehrerer Reihen, für die zumeist Walter Kauders verantwortlich war. Der "Blaue Kinderkalender. Ein Jahrbuch für die Jugend", herausgegeben von Kauders, erschien 1922, 1923 und 1924. Für den Jahrgang 1923 lieferte unter anderem Axl Leskoschek die Zeichnungen. Im Jahre 1921 gab Kauders die zwölf Bändchen umfassenden Serie "Die 1000 bunten Büchlein" heraus. Max Mell wurde Herausgebee einer weiteren Serie – "Das Wunderbrünndl". 1923 wurde die Reihe "Das Füllhornbüchlein", herausgegeben von der Kinderautorin Frida Schanz, ins Leben gerufen, die es auch sechs Bände brachte. In Summe blieb diese Schiene des Rikola-Verlags ein Misserfolg. Weiters wollte sich Rikola auch als wissenschaftlicher und Kommissions-Verlag profilieren, obwohl ohnehin genug österreichische Verlage in dieser Sparte tätig waren. Dazu zählte der Verlag medizinischer oder juristischer Werke oder von Lehrbüchern.
In der Gesellschaft für graphische Industrie hatte der Verlag eine Druckerei von gutem Ruf und versuchte mit einer entsprechenden Buchausstattung (künstlerisch gestaltete Einbände, Holzschnitte, Scherenschnitte, Textillustrationen usw.) den Absatz zu befördern. Abgesehen von den von Julius Zimpel illustrierten Werken in Rikolas Kunstverlag, dem Verlag Neuer Graphik, waren folgende Zeichner und Illustratoren zwischen 1921 und 1925 für Rikola tätig: Erwin Barka, Joseph Binder, Wolfgang Born, Amadeus Dier, Rudolf Geyer, Rudolf Großmann, Emil Hübl, Fritz Jäger, Ludwig Kozma, Oskar Laske, Axl Leskoschek, Eugen Mirsky, Jan Oeltjen, Karl Rössing, Josef Roller, Karl Schwetz, Victor Schufinsky, Erwin Tintner, Jury Wowk, Theo Zasche.
Bei der Bewerbung der Produkte griff Rikola auch auf eher ausgefallene Werbemittel wie ein Schaufenster-Wettbewerb unter dem Titel "Rikola-Woche“ oder eine "Rikola-Redoute", bei der nebenbei Bücher beworben wurden. Aus diesem Anlass entstand 1924 der "Rikola Shimmy" von Artur M. Werau (Opus 633), der sich als Schlager erwies.
Niedergang und Auflösung
Der Mangel an klaren Programmrichtlinien und an langfristiger Planung machte sich bald bemerkbar und der Abstieg des Rikola-Verlags zeichnete sich besonders nach Gründung des Paul Zsolnay Verlags ab, der bisherige Rikola-Autoren wie zum Beispiel Colerus oder Perutz abwerben konnte. Die Kursentwicklung der Aktien war unbefriedigend, und neue Aktien im Rahmen einer Kapitalerhöhung waren schwer anzubringen. Anlässlich einer Generalversammlung der Gesellschaft im August 1925 ging die Aktienmehrheit auf die "Zentralgesellschaft für buchgewerbliche und graphische Betriebe AG" über. Diese war eine 1921 gegründete und von der der Großdeutschen Volkspartei nahestehenden Österreichischen Industrie- und Handelsbank finanzierte Holdinggesellschaft, die enge Beziehungen in das Buch- und graphische Gewerbe unterhielt. Richard Kola blieb zwar Mitglied des Verwaltungsrates, musste die Leitung des Geschäfts an Wilhelm Frick und Ernst Prinzhorn abgeben.
Die Rikola AG wurde an zwei andere Verlagsbetriebe angeschlossen, die unter der Patronanz der Zentralbank der deutschen Sparkassen standen: an die Literaria AG, ein zu diesem Zeitpunkt ein bereits darniederliegendes Unternehmen, und die Hölder-Pichler-Tempsky AG. Letztere übernahm die Papierbeschaffung und die Herstellung der Bücher; den Verkauf besorgte die Literaria AG. Während der Kurs der Rikola-Aktien Anfang 1926 durch Ankäufe gestützt wurden, wurde das nicht mehr benötigte große Verlagshaus am Radetzkyplatz an die Deutsche Verkehrsgewerkschaft verkauft. Der Verlag übersiedelte inach Wien-Alsergrund, Berggasse 16.
Nach anhaltenden finanziellen Problemen wurde der Betrieb des Rikola-Verlags im Herbst 1926 eingestellt und an der bisherigen Verlagsadresse entstand die Speidel'sche Verlagsbuchhandlung, gegründet von zwei ehemaligen Rikola-Angestellte, Walther Scheuermann und Felix Speidel. In einer Generalversammlung im Juni 1929 wurde beschlossen, die Gesellschaft aufzulösen und in Liquidation zu treten. Anfang 1931 wurde die Rikola-Verlags AG aus dem Handelsregister gelöscht.
Nach Einstellung des Betriebs gingen Verlagsteile an die Zentralgesellschaft für buchgewerbliche und graphische Betriebe AG Wien über. Die historischen Publikationen gingen an den Amalthea-Verlag über, die medizinischen Titel an den Verlag J. Springer, Berlin/Wien und ein Teil der Belletristik sowie der kunsthistorischen Werke an die Speidel'sche Verlagsbuchhandlung.
Quellen
- Wiener Stadt- und Landesarchiv: Handelsgericht Wien, Reg. B, Band 9, pag. 13