Amalthea-Verlag
48° 12' 3.82" N, 16° 22' 46.70" E zur Karte im Wien Kulturgut
Amalthea-Verlag. Der Amalthea-Verlag ist einer von wenigen Verlagen in Österreich, die vom Beginn der Republik bis heute durchgängig bestehen. Gründer und Inhaber war der aus einer begüterten Schweizer Familie stammende Schriftsteller Heinrich Studer. Er begründete den nach der griechischen Nymphe Amalthea bezeichneten Verlag im Sommer 1917 in Leipzig.
Bereits im folgenden Frühjahr verlegte Heinrich Studer den Firmensitz nach Wien. Dort erhielt er laut Erlass der k.k. n.ö. Statthalterei vom 5. März 1918 die Konzession zum Betrieb einer Buchhandlung, die Bewilligung erstreckte sich unter Ausschluss eines Ladengeschäftes auf das Verlegen von Büchern. Die Eintragung des Amalthea-Verlags ins Wiener Handelsregister als "buchhändlerischer Verlag von Werken schöngeistiger Literatur" erfolgte am 19. September 1922. Als weiterer Firmensitz wird Zürich genannt.
Die Weltwirtschaftskrise und ihre Folgen führten Ende der 1920er und Anfang der 1930er Jahre zu zahlreichen Konkurs- und Ausgleichsverfahren in der Buchbranche. Auch der Amalthea-Verlag hatte mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen. Unmittelbar vor Jahresende 1931 musste Heinrich Studer schließlich aufgrund von Liquiditätsproblemen den Gang zum Handelsgericht antreten. Der Ausgleichsantrag wurde mit überwältigender Mehrheit angenommen und das Ausgleichsverfahren am 9. Juli 1932 beendet. Damit konnte der Amalthea-Verlag den Betrieb in vollem Umfang weiterführen.
Dank seiner antibolschewistischen Haltung, die sich auch in der Produktion entsprechender Literatur niederschlug, überstand Heinrich Studer den "Anschluss" vergleichsweise unbeschadet. Allerdings erlitt der Verlag großen materiellen Schaden, da man sich von jüdischen, klerikalen und monarchistischen Autoren trennen musste und etliche Werke von der Gestapo eingestampft wurden. Ein Fliegerangriff in Leipzig sowie Brand und Plünderungen in Wien vernichteten weitere Vermögenswerte. Nach Kriegsende führte Heinrich Studer den Amalthea-Verlag bis zu seinem Tod am 21. Jänner 1961 fort.
Im Oktober 1962 ging das Unternehmen an den Münchner Verleger Herbert Fleissner über, der damit den Grundstein für sein Verlagsimperium legte. 2002 übernahm Amalthea den auf Sach- und Fachbücher für Wirtschaft und Politik spezialisierten Signum Verlag. Seit 2002 firmiert die GmbH als österreichischer Amalthea Signum Verlag.
Produktion
Schon in der Ersten Republik galt der Amalthea-Verlag als eines der aktivsten Verlagsunternehmen in Österreich. Eröffnet wurde die Verlagsproduktion im März 1918 mit 15 Werken schöngeistiger Richtung. Darunter befand sich als erstes Buch des Verlags mit dem Titel "Die Geburt der Venus. Dichtungen" auch eines von Heinrich Studer selbst. 1930 zählte man bereits rund 220 Werke, bis 1947 hatte sich die Produktion auf 600 Titel erhöht und zehn Jahre später verzeichnete man schon 700 Bände. Nach wie vor erscheinen im Amalthea-Verlag rund 40 Titel pro Jahr.
Den anfangs verkündeten Hauptzweck des Verlags, schöngeistige Literatur von österreichischen und Schweizer Autoren zu propagieren, gab Studer spätestens 1923 wieder auf. Wurden zunächst noch Titel wie Franz Theodor Csokors Drama "Die Sünde wider den Geist" oder Paul Franks Roman "Der Gepard" verlegt, verlagerte sich die Produktion zunehmend auf historische Werke für gehobene Schichten oder hochwertige Prachtausgaben wie Dantes "Göttliche Komödie" aus dem Jahr 1924. Nur bei einem Bruchteil der breitgefächerten Produktion handelte es sich nun noch um Belletristik.
Weiters gab der Amalthea-Verlag verschiedene Reihen heraus. Von 1919 bis 1957 erschienen insgesamt zwölf sorgfältig hergestellte und reich illustrierte Verlagsalmanache. Im Jahr 1923 übernahm Heinrich Studer von der Wiener Literarischen Anstalt die Sammlung "Theater und Kultur". Außerdem wurden das "Jahrbuch deutscher Bibliophilen und Literaturfreunde", das "Jahrbuch der Grillparzer-Gesellschaft" und die "Chronik des Wiener Goethevereins" verlegt.
1924 übernahm der Verlag die damals zwölf Bände umfassenden "Wiener Drucke". Diese widmeten sich der Kultur insbesondere des alten Wien und enthielten Werke von Franz Grillparzer, Eduard von Bauernfeld oder Johann Nestroy. In der genannten Reihe führte der Verlag auch den "Alt-Wiener Kalender" weiter. Zudem erschien die "Neue Österreichische Biographie 1815–1918" als Fortsetzung des von Constantin von Wurzbach verfassten "Biographischen Lexikons des Kaisertums Österreich".
Von zentraler Bedeutung waren die "Amalthea-Bücherei" und die "Kleine Amalthea-Bücherei". Mit fast 50 Nummern erschienen in der "Amalthea-Bücherei" reich illustrierte literatur- und kulturhistorische Monografien etwa von Max Auer, Hermann Bahr oder Stefan Hock. Die "Kleine Amalthea-Bücherei" brachte dagegen Werke der Weltliteratur mit Originalgrafiken und spezialisierte sich auf geschmackvolle Liebhaberbändchen in erlesener Ausstattung. Ebenfalls zu Geschenkzwecken produziert wurde die 1923 initiierte Reihe "Amalthea-Damen-Breviere".
Stark vertreten war zudem die Memoirenliteratur, beispielsweise mit Tagebüchern von Friedrich von Gentz und den Memoiren der Fürstin Pauline Metternich. Werke für Bibliophile, Luxusdrucke, illustrierte Werke der Weltliteratur, indische Kunst, Originalgrafiken, Faksimiledrucke, Mappenwerke, Kinderbücher, Werke über Politik, Wirtschaft und Philosophie, Literaturgeschichte, Theater oder die Seldwyla-Drucke rundeten das Programm ab. Bis Anfang der 1930er-Jahre hatte der Verlag außerdem beträchtliche Einnahmen aus Übersetzungsrechten, vor allem aus den USA. Im Amalthea-Verlag wurde auch die vom Belvedere-Verlag im 8. Jahrgang übernommene Zeitschrift "Belvedere. Monatsschrift für Kunstfreunde und Sammler" publiziert.
Aktuell ist die österreichische Geschichte mit Autorinnen und Autoren wie Dietmar Grieser, Brigitte Hamann oder Georg Markus die erfolgreichste Domäne des Verlags. Einen weiteren Schwerpunkt bilden Biografien und Autobiografien aus Politik, Musik und Theater sowie die Segmente Kabarett, Satire und Humor.
Illustration
Für die hochwertige Ausgestaltung seiner Prachtbände scheute der Amalthea-Verlag offenbar weder Kosten noch Mühen. Besonders heikle Druckaufträge gingen nach Leipzig, andere wurden in Wien erledigt. Man zog Künstler wie Otto Friedrich, Robert Pajer oder Julius Zimpel für Buchschmuck und Illustration heran, Franz von Bayros entwarf das erste Verlagssignet 1918.
Literatur
- Murray G. Hall: Österreichische Verlagsgeschichte 1918–1938. Band II: Lexikon der belletristischen Verlage. Wien: Böhlau 1985 [Stand: 25.01.2020]
- Amalthea Verlag: Geschichte [Stand: 25.01.2020]
- Deutsche Biographie: Heinrich Studer [Stand: 25.01.2020]