Krystall-Verlag
48° 12' 53.87" N, 16° 21' 42.24" E zur Karte im Wien Kulturgut
Krystall-Verlag. Der Krystall-Verlag war ursprünglich wohl eine Unternehmung der staatlichen Pfandleihanstalt Dorotheum. Die erstmalige Eintragung ins Wiener Handelsregister erfolgte am 7. Februar 1922 auf Grundlage eines Gesellschaftsvertrags vom 29. November 1921 unter dem Firmennamen "'Belvedere'-Verlag Ges.m.b.H.". Als Betriebsgegenstand wurden die Herausgabe und der Verlag von periodisch erscheinenden Druckschriften genannt. Dazu zählte insbesondere die Kunstzeitschrift "Belvedere", die ab Jahrgang 8 im Amalthea-Verlag erschien. Außerdem führte man den kommissionsweisen Verkauf von Kunstgegenständen und das Antiquariat an.
Die beiden Geschäftsführer Leopold Satori und Alfred Juritzki waren Beamte des Dorotheums und Kunsthändler. Nach einem Beschluss der Gesellschafter am 7. April 1922 nahm das Unternehmen den Namen "Krystall-Verlag Ges.m.b.H." an, diese Eintragung erfolgte am 28. April 1922. Grund für die Umbenennung war die Namensähnlichkeit mit dem Schloss Belvedere, die wiederholt zu Verwechslungen geführt hatte. Als Niederlassungen werden Wien und Leipzig genannt.
Anfangs komfortabel finanziert, verschlechterte sich die Situation des Krystall-Verlags bald. Ein Statut vom Juli 1923 gab dem Dorotheum das Recht zur Ausübung von Bankgeschäften, doch offensichtlich fuhr man hierbei hohe Verluste ein. Als Folge wurde der Krystall-Verlag abgestoßen und die beiden bisherigen Geschäftsführer verließen das Unternehmen. Zu den neuen Geschäftsführern bestellte man noch 1924 den Kunsthistoriker Franz Juraschek sowie Leopold Ruprecht, ebenfalls ein Beamter des Dorotheums. Ihre Eintragung in das Handelsregister erfolgte am 27. Jänner 1925.
Schon bald kam es zu weiteren personellen Veränderungen. Im August 1926 trat Landesregierungsrat Edwin Beigl als dritter Geschäftsführer in den Krystall-Verlag ein. Ein gutes Jahr später, im Herbst 1927, setzte man den Kunsthistoriker Felix Horb als Kollektiv-Prokurist in die Firma ein. Kurz zuvor, im August 1927, war der Geschäftsführer Leopold Ruprecht aus dem Unternehmen ausgeschieden. Edwin Beigl wiederum wurde am 9. April 1929 als Geschäftsführer aus dem Handelsregister gelöscht. Ab da führte Hauptgesellschafter Franz Juraschek den Betrieb weitgehend allein, nur 1931 fungierte noch für einige Monate Adolf Heine-Geldern neben Juraschek als Geschäftsführer.
In den 1930er Jahren verschlechterte sich die wirtschaftliche Situation des Unternehmens erheblich, Anfang 1935 stand der Krystall-Verlag vor seinem Ende. Den Antrag auf Eröffnung des Konkurses wies das Handelsgericht Wien am 7. Februar 1935 allerdings mangels Vermögen ab. Ein erneutes Ansteigen der Produktion im Jahr 1936 deutet darauf hin, dass Franz Juraschek potente Geldgeber gefunden hatte und so den Verlag noch einmal weiterführen konnte. Aus Einsparungsgründen verzichtete er in den Jahren 1934 bis 1938 allerdings auf die Mitarbeit von Angestellten. Bis zur gänzlichen Einstellung der Produktion im Jahr 1938 war außer ihm selbst nur noch seine Frau im Verlag tätig.
Im ersten Halbjahr nach dem "Anschluss" erschien noch fast ein Dutzend neuer Titel, dann folgte die Einberufung Jurascheks zum Reichsarbeitsdienst. Im September 1938 wurde er vom Ministerium für innere kulturelle Verwaltung fallweise für Denkmalpflegearbeiten herangezogen, ab 1. Dezember 1938 vollkommen für diese Tätigkeit in Anspruch genommen. Juraschek war daher gezwungen, ab 1. Jänner 1939 den Verlag weitgehend stillzulegen und die wenigen noch laufenden Geschäfte nebenbei abzuwickeln. Mit seiner am 1. März 1939 erfolgten Versetzung nach Linz musste er den Betrieb gänzlich einstellen und Ende April 1939 zudem die Geschäftsräume in Wien freimachen. Eine geplante Übersiedelung der restlichen Verlagsbestände nach Linz im Sommer 1940 konnte angesichts des mittlerweile ausgebrochenen Krieges ebenfalls nicht mehr realisiert werden. Angesichts der schwierigen Umstände verzichtete Franz Juraschek auch darauf, für den Krystall-Verlag bei der Reichsschriftumskammer um Mitgliedschaft anzusuchen. Nach Erledigung aller noch ausstehenden Verlagsverpflichtungen erfolgte schließlich am 24. Dezember 1942 die amtswegige Löschung des Unternehmens aus dem Handelsregister Wien.
Produktion
Von 1922 bis 1938 erschienen im Krystall-Verlag zumindest 176 Werke. Anfang der 1930er Jahre ging der Titelausstoß zunächst zurück, bis er 1937 mit 34 Veröffentlichungen wieder deutlich anstieg. 1938 produzierte man immerhin noch elf Titel.
In den ersten Jahren des Verlagsbestehens wurden neben der Zeitschrift "Belvedere" vor allem Kunstbücher und kunsthistorische Periodika gedruckt. Hierbei handelte es sich meist um hochwertige Reproduktionen. Zu nennen sind etwa das "Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte", die "Österreichische Kunsttopographie" oder die Monatsschrift "Österreichs Bau- und Werkkunst". Auch die Monatsschrift "Der neue Pflug" erschien im Krystall-Verlag. Erst 1926, also etwa zwei Jahre nach Franz Jurascheks Eintritt in den Verlag, begann man mit der Produktion schöngeistiger Literatur. Als erstes Werk gilt Josef Weinhebers Lyrikband "Boot in der Bucht", an dessen Entstehung wohl Hermann R. Leber und Gustav Adolf Künstler als Lektoren beteiligt waren. Bis einschließlich 1929 erwies sich die belletristische Produktion aber nicht als sehr bedeutend. Auf Weinhebers Veröffentlichung folgten nur vier weitere Lyrikbände von Alfred Grünewald (1927), Erica Tietze (1926), Alfred Schroth (1926) und Teresa Ries (1928).
In den Jahren 1930 bis 1938 veröffentlichte der Krystall-Verlag dann insgesamt an die 80 Werke schöngeistiger Literatur, darunter rund 70 Lyrikbände. Zu den nennenswerten Titeln zählen "Dichtungen in niederösterreichischer Mundart" (1931) oder "Die neue Lyrik in Österreich" (1932). Auch die von Friedrich Sacher herausgegebenen Sammlungen "Anthologie junger Lyrik in Österreich" (1939), "Die Gruppe. Neun Lyriker aus Österreich" (1932) und "Zwölf Lyriker aus Österreich" (1935) sind erwähnenswert. Das Engagement des Krystall-Verlags für junge österreichische Lyrik belegte zudem der "Dichterwettbewerb für Lyrik", der am 17. Juni 1937 im Rahmen der Wiener Festwochen im Konzerthaus veranstaltet wurde. Die Auflagen der Lyrikbände lagen meist nur bei 500 Stück, auch mussten sich die Autorinnen und Autoren durch Vorausbestellungen am verlegerischen Risiko beteiligen. Dennoch vermittelt die Produktion des Krystall-Verlags ein gutes Bild der österreichischen Lyrik dieser Zeit.
Zwischen 1930 und 1938 kamen auch weiterhin kunsthistorische Werke sowie neue Reihen und Serien heraus. Als Beispiele sind "Kirchenkunst. Österreichische Zeitschrift für Pflege religiöser Kunst" oder "Kunsttheoretische Schriften" zu nennen.
In den Fokus der Nationalsozialismus-Forschung geriet der Krystall-Verlag aufgrund der Herausgabe des "Bekenntnisbuches österreichischer Dichter". In dem 1938 vom Bund der deutschen Schriftsteller Österreichs veröffentlichten Sammelband begrüßten mehr als 70 Autorinnen und Autoren den "Anschluss". Dieser Titel, der zugleich den Schlusspunkt der Produktion bildete, war wohl die gewichtigste und zugleich profitträchtigste Publikation des Krystall-Verlags. Nicht unproblematisch ist dennoch die Einordnung des Krystall-Verlags unter die "nationalen" Verlage Österreichs. Zwar sprechen hierfür die Veröffentlichung des "Bekenntnisbuches" ebenso wie die Tatsache, dass man kaum Bücher von jüdischen Autorinnen und Autoren im Unternehmen findet. Da Juraschek die Produktion aber 1938 einstellte, kann man letztendlich über die Ausrichtung des Krystall-Verlags nach dem "Anschluss" nur spekulieren.