Brigitte Hamann
Brigitte Hamann, * 26. Juli 1940 Essen, † 4. Oktober 2016 Wien, Historikerin, Buchautorin.
Biografie
Brigitte Hamann kam im Juli 1940 in Essen, Deutschland, als Brigitte Deitert zur Welt. Sie studierte Germanistik und Geschichte an den Universitäten Münster/Westfalen und (ab dem Wintersemester 1961/62) Wien, "und zwar deshalb, weil der von mir sehr verehrte Herbert von Karajan Direktor der Wiener Oper war", wie sie im Vorwort zu "Österreich. Ein historisches Portrait" bekannte. In Wien hörte sie vor allem Vorlesungen bei dem Kulturphilosophen und Historiker Friedrich Heer und bei ihrem späteren Gatten, dem Historiker Günther Hamann. 1963 bestand sie die Lehramtsprüfung (Examen) für Realschulen an der Universität Münster und absolvierte ein Volontariat bei der Deutschen Presseagentur (DPA) in Essen, Düsseldorf und Köln. 1964 war sie als Feuilletonredakteurin bei der "Neuen Rhein/Ruhr Zeitung" in ihrer Heimatstadt Essen tätig.
Im September 1965 heiratete sie ihren Lehrer Univ.-Prof. Dr. Günther Hamann (gest. 1994) und übersiedelte nach Wien. Nach der Geburt dreier Kinder setzte sie ab 1974 ihr Studium an der Wiener Universität fort und wurde bei Adam Wandruszka mit einer Dissertation zum Thema "Biographie des Kronprinzen Rudolf nach neuen Quellen" zur Dr. phil. promoviert. Seit dieser Zeit arbeitete Brigitte Hamann als freiberufliche Historikerin. In enger wissenschaftlicher Zusammenarbeit mit ihrem Ehemann entwickelte sie eine eigene Methode, populäre Themen der Geschichte auf der Grundlage intensiver Archivarbeit wissenschaftlich aufzuarbeiten und in möglichst verständlicher Sprache einem breiteren Publikum zu vermitteln.
Brigitte Hamann hat sich seit dem Erscheinen der gekürzten Buchfassung ihrer Dissertation ("Rudolf. Kronprinz und Rebell", Amalthea-Verlag 1978) einen guten Ruf als Spezialistin für die Geschichte des Hauses Habsburg im 19. Jahrhundert erworben. Für das Kronprinz-Rudolf-Buch, in dem sie ein tiefschürfendes Bild vor allem der von außen auf ihn wirkenden Einflüsse zeichnet, erhielt sie schon im Erscheinungsjahr 1978 den "Heinrich Drimmel-Preis". Bereits ein Jahr später edierte Brigitte Hamann unter dem Titel "Majestät, ich warne sie ..." eine Auswahl aus den privaten und politischen Schriften des Kronprinzen. Einen überaus großen Erfolg errang Brigitte Hamann mit ihrem 1981 erstmals erschienenen Buch "Elisabeth. Kaiserin wider Willen", das ins Italienische, Französische, Englische, Spanische und Ungarische übersetzt wurde. Die ungarische Auflage betrug nicht weniger als 100.000 Stück und für die italienische Ausgabe erhielt die Autorin den Comisso-Preis in Treviso. Sowohl die Rudolf- als auch die Elisabeth-Biografie wurden wiederholt neu aufgelegt und sind auch als Taschenbuch beziehungsweise als E-Book erschienen. Beide Publikationen gelten als Standardwerke.
Mit dem dichterischen Schaffen der Kaiserin Elisabeth setzte sich Brigitte Hamann in "Kaiserin Elisabeth. Das poetische Tagebuch" auseinander. Es enthält mit Einleitung und Kommentar die nunmehr im Schweizer Bundesarchiv in Bern verwahrten, meist in überaus kritischem Ton gehaltenen Gedichte der Kaiserin. Da die Kaiserin verfügt hatte, dass die Gedichte nicht vor 1950 veröffentlicht werden und ein Gewinn "politisch Verurteilten und deren hilfsbedürftigen Angehörigen" zugutekommen sollte, fließen alle etwaigen Erträge dieses Publikationsprojekts an den Flüchtlings-Hilfsfonds des UN-Hochkommissariats für Flüchtlingshilfe.
1983 gab Brigitte Hamann unter dem Titel "Mit Kaiser Max in Mexiko" Auszüge aus dem Tagebuch des Fürsten Carl Khevenhüller heraus, der den unglücklichen Bruder Kaiser Franz Josephs auf seiner Reise nach Mexiko begleitet hatte. Auch dieses Buch enthält eine ausführliche Einleitung.
1986 brachte Brigitte Hamann im Piper Verlag eine Biografie Bertha von Suttners heraus ("Bertha von Suttner. Ein Leben für den Frieden"). In dieser Biografie, die unter eingehender Benützung der Archive, vor allem des bisher noch unausgeschöpften Nachlasses in der Bibliothek der UNO in Genf entstand, zeichnet die Autorin nicht nur den (bekannten) Kampf der Bertha von Suttner für den Frieden, sondern auch den in der Öffentlichkeit weniger bekannten Kampf gegen den Antisemitismus des ausklingenden 19. Jahrhunderts nach.
In Zusammenarbeit mit zahlreichen namhaften Fachhistorikern edierte Brigitte Hamann 1988 das biografische Lexikon "Die Habsburger", ein Standardwerk zur Geschichte des ehemaligen österreichischen Herrscherhauses.
Neben den genannten Werken stellte Brigitte Hamann je einen Bildband über Kaiserin Elisabeth ("Elisabeth. Bilder einer Kaiserin", 1982, weitere Auflage 1986) und Kronprinz Rudolf ("Rudolf. Der Weg nach Mayerling", 1988) zusammen, ließ in der Reihe "Die bibliophilen Taschenbücher" des Harenberg-Verlages "Sisis Familienalbum" (1980) und "Sisis Fürstenalbum" (1981) erscheinen und verfasste auch zwei Kinderbücher. In "Ein Herz und viele Kronen" stellte sie das Leben der Kaiserin Maria Theresia für etwa zehn- bis zwölf-jährige Kinder zusammen. Ihr Jugendbuch "Nichts als Musik im Kopf" über das Leben W. A. Mozarts entstand im Auftrag der Stadt Wien (1990).
Brigitte Hamann verfasste Drehbücher über Kaiserin Elisabeth (1983) und Bertha von Suttner (1987) sowie über die Geschehnisse in Mayerling (1989 ausgestrahlt).
Später beschäftigte sich die Historikerin überwiegend mit der Geschichte des frühen zwanzigsten Jahrhunderts: "Hitlers Wien: Lehrjahre eines Diktators" (1996), "Haus Meldemannstraße" (2003), "Der Erste Weltkrieg: Wahrheit und Lüge in Bildern und Texten (2004)", "Hitlers Edeljude" (2008). Mit "Österreich. Ein historisches Portrait" legte sie 2009 einen kurzen, leicht fasslichen Überblick über die österreichische Geschichte von den Babenbergern bis zur Gegenwart vor.
Werke (Auswahl)
- Brigitte Hamann: Rudolf – Kronprinz und Rebell. Wien: Amalthea 1978
- Brigitte Hamann [Hg.]: Kronprinz Rudolf. Majestät, ich warne Sie … Geheime und private Schriften. Wien: Amalthea 1979
- Brigitte Hamann: Elisabeth – Kaiserin wider Willen. Wien: Amalthea 1982
- Brigitte Hamann: Mit Kaiser Max in Mexiko. Aus dem Tagebuch des Fürsten Carl Khevenmüller. Wien: Amalthea 1983
- Brigitte Hamann [Hg.]: Kaiserin Elisabeth. Das poetische Tagebuch. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 1984
- Brigitte Hamann: Ein Herz und viele Kronen. Das Leben der Kaiserin Maria Theresia. Wien: Ueberreuter 1985
- Brigitte Hamann: Bertha von Suttner. Ein Leben für den Frieden. München: Piper 1986
- Brigitte Hamann [Hg.]: Die Habsburger. Ein biographisches Lexikon. Wien: Ueberreuter und München: Piper 1988
- Brigitte Hamann: Nichts als Musik im Kopf. Das Leben von Wolfgang Amadeus Mozart. Wien: Ueberreuter 1990
- Brigitte Hamann [Hg.]: "Meine liebe, gute Freundin." Die Briefe Kaiser Franz Josephs an Katharina Schratt. Wien: Ueberreuter 1992
- Brigitte Hamann: Hitlers Wien. Lehrjahre eines Diktators. München: Piper 1996
- Brigitte Hamann: Winifred Wagner oder Hitlers Bayreuth. München: Piper 2002
- Brigitte Hamann: Der Erste Weltkrieg. Wahrheit und Lüge in Bildern und Texten. München: Piper 2004
- Brigitte Hamann: Die Familie Wagner. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 2005
- Brigitte Hamann: Mozart. Sein Leben und seine Zeit. Wien: Ueberreuter 2006
- Brigitte Hamann: Hitlers Edeljude. Das Leben des Armenarztes Eduard Bloch. München: Piper 2008
- Brigitte Hamann: Österreich. Ein historisches Portrait. München: Beck 2009
Quellen
- Wienbibliothek im Rathaus: Nachlass Brigitte Hamann
- Wienbibliothek im Rathaus: Sammlung Brigitte Hamann
Literatur
- Lisa Mayr: Historikerin Brigitte Hamann gestorben. In: Der Standard, 04.10.2016 [Stand: 25.07.2019]
Brigitte Hamann im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.