Paul Zsolnay Verlag
48° 11' 37.90" N, 16° 22' 38.94" E zur Karte im Wien Kulturgut
Paul Zsolnay Verlag. Die – bereits 1923 vorbereitete – Gründung des Paul Zsolnay Verlags in Wien erfolgte im Frühjahr 1924 durch den aus einer wohlhabenden Familie stammenden erfolgreichen Blumenzüchter Paul Zsolnay. Der Grundstein des Verlags bestand in der Publikation von Franz Werfels "Verdi – Roman einer Oper", dessen erste Anzeige am 4. April 1924 erschien und der bald zum Bestseller avancierte. Bis 1930 verkaufte sich das Buch in diversen Ausgaben über 200.000 mal, 1933 war man bei 250.000 Stück angekommen.
Am 6. Mai 1924 wurde die Firma Paul Zsolnay Verlag mit Hauptniederlassung Wien und Betriebsgegenstand "Buchhandel" in ihrer ersten Rechtsform ins Wiener Handelsregister eingetragen. Neben Zsolnay als Inhaber scheint Felix Kostia-Costa als Einzelprokurist auf, der seine Buchhandelskonzession zugunsten des nicht im Buchhandel bzw. Verlagswesen ausgebildeten Paul Zsolnays zurücklegte. Der Verlag hatte Sitze in Wien und Berlin. Etwas mehr als ein Jahr nach der handelsgerichtlichen Eintragung des Paul Zsolnay Verlags kam es in der Rechtspersönlichkeit der Firma zu einer Änderung. Mit Gesellschaftsvertrag vom 14. August 1925 wurde die "Paul Zsolnay Verlag Ges.m.b.H." errichtet und ins Wiener Handelsregister eingetragen. Das Stammkapital von 20.000 Schilling wurde von Zsolnay (16.000) und Kostia-Costa (4.000) aufgebracht. Beide zeichneten als Geschäftsführer. Mitte Oktober wurde Stefan Halasz als Prokurist eingetragen. Gleichzeitig wurde der Betriebsgegenstand des Buchhandels um den Buch-, Kunst- und Musikalienhandel mit Einschluss des Verlagsgeschäftes etwas erweitert. Auf Grund eines Beschlusses der Generalversammlung vom 23. Dezember 1926 kam noch der "Verlag und Vertrieb von Bühnenwerken" hinzu (eingetragen: 7. Jänner 1927). Die erste Firma Paul Zsolnay wurde infolge Gewerberücklegung am 31. Dezember 1925 aus dem Handelsregister gelöscht. Die Rechtsform einer Ges.m.b.H. wurde bis 15. Dezember 1930 beibehalten, danach folgte die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft.
Die Verlagsproduktion der Anfangsjahre
In den 15 Produktionsjahren zwischen 1924 und 1938 gab der Paul Zsolnay Verlag mehr Werke heraus und erzielte größere Umsätze als jeder andere belletristische Verlag in Österreich. Auch während der Jahre der Weltwirtschaftskrise um 1929 schrieb der Zsolnay-Verlag Gewinne und strebte Expansion an. Vom persönlichen Einsatz Paul Zsolnays abgesehen waren mehrere Faktoren für den Verlagserfolg mitbestimmend. Entscheidend war einerseits die Kapitalbasis Zsolnays' neuen Verlags, die bewusst klein begann und somit Fehler anderer vermied. Zsolnay profitierte andererseits – was seine späteren "Verlagsautoren" betraf – von den Auswirkungen der Inflation in Deutschland. Die wirtschaftliche Ausnahmesituation dort brachte es mit sich, dass die Inflation Einkünfte aus dem schleppenden Verkauf von Verlagswerken wegfraß und dass ein Autor in Deutschland vom Erlös seiner Bücher nicht mehr leben konnte. Der Verleger Kurt Wolff, der nicht wenige auflagenstarke Autoren unter Vertrag hatte, konnte einem Autor nicht die finanziellen Vorteile bieten, die ein Neo-Verleger im Ausland bot. Diesem Umstand war es zu verdanken, dass Paul Zsolnay, beginnend mit Franz Werfel – übrigens ein Bekannter Zsolnays – gezielt einen Autorenstab aufbaute: Von Wolff wurden in der Folge noch etwa Heinrich Mann, von dem unter anderem eine achtbändige Ausgabe seiner früheren Romane erschien, Max Brod (Publikation der gesammelten Werke) oder H. G. Wells übernommen. Mit diesem Grundstock war die Aufwärtsentwicklung des Verlags gesichert. Weitere erfolgreiche Werke im Zsolnay Verlag waren in den Anfangsjahren etwa auch Arthur Schnitzlers "Fräulein Else", von dem sich bis 1925/26 ca. 45.000 Exemplare verkauften, Claude Anets "Ein russisches Mädchen" (201.000 Exemplare, 1933), Walter von Molos "Der Schiller-Roman" (100.000 Exemplare, 1933) oder René Fülöp-Millers "Der heilige Teufel. Rasputin und die Frauen" (170.000 Exemplare, 1933).
Der Paul Zsolnay Verlag war eher als "international" zu bezeichnen – selbst angesichts der Tatsache, dass er über die Jahre und verstärkt ab 1934 viele Österreicher verlegte – und die Übersetzungsliteratur prägte das Programm so stark, dass Journalist Leopold Thaler 1926 die Verlagsräume als "Literaturministerium für Äußeres"[1] bezeichnete. Mit dem späteren Nobelpreisträger John Galsworthy gelang Zsolnay etwa ein großer, finanziell einträglicher Wurf, der nicht zuletzt der (kosten)intensiven Bewerbung zu verdanken war. Der Verlag behielt die Rechte auf die Werke Galsworthys, von denen die "Forsyte Saga" besonders erfolgreich war, bis in die Gegenwart. Bis 1938 fanden sich neben Galsworthy drei zusätzliche Träger des Literaturnobelpreises im Verlagsprogramm: Sinclair Lewis, Roger Martin du Gard und Pearl S. Buck. Zudem kamen unter anderem in den 1920er- und 1930er-Jahren folgende Autorinnen und Autoren hinzu: Theodore Dreiser und Fannie Hurst aus Amerika, Valentin Katajew, Leonid Leonow, Iljaa Ilf und Jewgeni Petrow aus Russland, Colette, Martin Maurice und Pierre Dominique aus Frankreich, Kohn Cowper Powys und A. J. Cronin aus Großbritannien, Daniele Varè aus Italien und als jiddischer Vertreter Schalom Asch.
Der Zsolnay Verlag als Aktiengesellschaft
1930 wurde der Paul Zsolnay Verlag zur Verbreiterung seiner Kapitalbasis in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Obwohl Zsolnay und seine Geschäftspartner nicht in der Lage waren, das Aktienkapital allein aufzubringen und auf einen Bankkredit angewiesen waren, hatte die neue A. G. gewisse "Sicherheiten" vorzuweisen: mit den erfolgreichsten Autoren des Verlags wie etwa John Galsworthy, H.G. Wells, Franz Werfel, Max Brod oder Heinrich Mann bestanden nämlich sogenannte Generalverträge, wonach sich diese Autoren verpflichteten, auch ihre künftigen Werke dem Verlag zu übergeben.
Die neue A. G. wies ein Grundkapital von 600.000 Schilling auf, wovon 550.000 Schilling bar eingezahlt wurden, während die restlichen 50.000 Schilling an Aktien den bisherigen Gesellschaftern der Ges.m.b.H. im Verhältnis ihrer Stimmenanteile (40.000 Schilling an Paul Zsolnay, 10.000 Schilling an Felix Kostia-Costa) als Gegenwert des einzutragenden Unternehmens ausgefolgt wurden. Stichtag war der 1. Juli 1930. So wurde die Paul Zsolnay Verlag A.G. am 13. Februar 1931 ins Wiener Handelsregister eingetragen. Die drei Vorstandsmitglieder waren Paul Zsolnay, Felix Kostia-Costa und der Rechtsanwalt Dr. Paul Neumann (gelöscht am 27. Februar 1934). Als Kollektiv-Prokurist wurden Stefan Halasz (gelöscht am 10. Juli 1934), Richard Lehnert (gelöscht am 20. Mai 1938) und Grete Geiringer (gelöscht am 8. März 1935) eingetragen. Im August 1933 wurden zwei neue Vorstandsmitglieder eingetragen: der akademische Maler und Zsolnay-Buchillustrator Rudolf Geyer und der seit 1929 als Gründer des Bergland-Konzerns und Leiter der Vereinsdruckerei in Graz tätige Kurt Walter (23. Oktober 1889 bis 30. März 1957). Beide wurden am 28. April 1936 aus dem Handelsregister gelöscht.
Im Geschäftsjahr 1933/1934 erlitt die Paul Zsolnay Verlag A.G. Verluste, die zu 80 Prozent an den Wert des Stammkapitals heranreichten. Der Verlag hatte dabei mit sehr großen Schwierigkeiten zu kämpfen. Der Verlustvortrag aus 1932/1933 betrug rund 35.000 Schilling, der laufende Verlust 1933/1934 bereits rund 440.000 Schilling. Diese Entwicklung war neben den allgemeinen Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise vor allem auf die "Machtergreifung" durch die Nationalsozialisten im Jänner 1933 in Deutschland zurückzuführen. Der Verlag konnte die Werke vieler in den Augen des Regimes missliebiger und unerwünschter Autorinnen und Autorenen nicht mehr am deutschen Markt verkaufen, was unter anderem zur Entwertung der Lagerbestände und zu Verramschungen durch Zsolnay führte. Zsolnay hatte bis dahin durchschnittlich 70 Prozent seiner Produktion nach Deutschland verkauft. Auch die von den NS-Machthabern verhängte Devisenausfuhrbeschränkung, die österreichische Firmen von in Deutschland erzielten Umsätzen weitgehend abschnitt, machte dem Verlag zu schaffen.
Es mussten demnach Schritte zur Rettung des Verlages eingeleitet werden. Nachdem Paul Zsolnay beim Bundesministerium um Steuerfreistellung eines Forderungsnachlasses nach dem sogenannten "Sanierungs-Begünstigungs-Gesetz" von 1932 angesucht hatte, wurde der Verlag bald darauf hinsichtlich seines Programms umgestellt: Man verlegte nun verstärkt (österreichische) Autoren nationalsozialistischer Provenienz.
Neuausrichtung des Verlagsprogrammes 1934 bis 1938
Bereits 1933 waren die Weichen für tiefgreifende Veränderungen im Paul Zsolnay Verlag gestellt, als es auf der PEN-Klub-Tagung in Ragusa zu einer Auseinandersetzung zwischen "arisch-nationalen" und "jüdisch-oppositionellen" Schriftstellern – mit Hauptakteuren beider Seiten aus der Zsolnay-Autorenschaft – kam. Daraufhin folgte nicht nur die Spaltung im Wiener Pen-Klub mit dem Austritt deutscher Mitglieder, sondern auch eine solche unter den Autoren des Zsolnay-Verlages.
Die Novitäten des Jahres 1933 verrieten jedoch noch keine Änderung der Verlagslinie: Die Titel umfassten etwa Neuerscheinungen von Heinrich Mann, Hermann Sinsheimer, Oskar Jellinek, Hilde Spiel, H. G. Wells, Leo Perutz, Felix Salten oder Grete von Urbanitzky. Eine im Herbst 1933 herausgegebene Broschüre bot Vorabdrucke aus Werken von Jakob Schaffner, John Galsworthy, Franz Werfel (des später in Deutschland verbotenen Romans "Die vierzig Tage des Musa Dagh"), Walter von Molo, Leo Perutz, Kasimir Edschmid und Ernst Lothar und damit auch von Autoren, die im Dritten Reich "unerwünscht" waren.
Ab dem Jahr 1934 konnte das Programm mit Vertreterinnen und Vertretern wie Galsworthy, Pearl S. Buck oder Margaret Storm weiterhin als international bezeichnet werden, in Deutschland als "unerwünscht" angesehene Autoren wurden nun aber – abgesehen von Ernst Lothar – keine mehr neu aufgenommen. In den folgenden Jahren wurden stattdessen vermehrt unter anderem "nationale Dichter Österreichs" (Selbstbezeichnung) verlegt. Damit begann eine zweigleisige Entwicklung, die über die nächsten Jahre anhalten sollte: Einerseits wurde in der NS-Öffentlichkeit der "Judenverlag" Zsolnay immer wieder hart attackiert – allen voran von Will Vesper –, andererseits wurde der Verlag – in den Augen der Autoren und antinationalsozialistischer Kreise in Österreich – immer weniger als ein "Judenverlag" und immer mehr als ein "gleichgeschalteter" Verlag angesehen. Von letzter Seite her kam es 1935 auch zu anonymen Anzeigen bei der Wiener Polizei, der Zsolnay Verlag sei "eine getarnte nationalsozialistische Kulturorganisation". In einem "Nachtragsbericht" der Bundespolizeidirektion Wien vom 11. Dezember 1935 wurde Zsolnay jedoch beschieden, seine verlegten Werke seien frei von jeder Verherrlichung des nationalsozialistischen Regimes und irgendwelchen auch nur versteckten Angriffen gegen Österreich.[2]
Zu den neuen "national gesinnten" Autoren Zsolnays zählten etwa: Otto Emmerich Groh, unter anderem Fachberater für Theater und dramatisches Schrifttum in der Landesleitung der NSDAP in Österreich, der illegale Nationalsozialist und spätere Landesleiter der Reichsschrifttumskammer in Wien Karl Hans Strobl, Franz Spunda, viele Jahre lang hoher Funktionär des Schutzverbands deutscher Schriftsteller in Österreich, Hermann Stuppäck, späterer Pressechef der NSDAP im Gau Wien, Erwin H. Rainalter, Mitbegründer des nationalsozialistischen "Rings Nationaler Schriftsteller", Edmund Finke, Sprengelgruppenleiter in der P.O. oder Walter Hjalmar Kotas, Mitherausgeber der verbotenen antisemitischen Kampfschrift "Der Stürmer" in Wien. Daneben nahm der Paul Zsolnay Verlag auch gleichgesinnte ausländische Autoren auf, wie beispielsweise Jakob Schaffner und die zwei schwedischen Autoren Wilhelm Moberg und Karl Gunnarson.
Ob es Zsolnays Kalkül war, dem Verlag das Überleben zu sichern, indem er verstärkt (österreichische) Autoren nationalsozialistischer Provenienz verlegte oder ob diese Verlagsneuausrichtung aus Druck geschah, ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Als externer Lektor und Verbindungsmann zur NSDAP fungierte jedenfalls ab dem Frühjahr 1934 der Kunsthistoriker Hermann R. Leber. Dieser initiierte auch die erstmals im Herbst 1934 als Beginn einer zwanglosen Folge erschienene Publikation "Südostdeutsche Literaturblätter", die wohl das sichtbarste Zeichen der neuen Ordnung im Verlag war. Die "Südostdeutschen Literaturblätter", die ihr Erscheinen mit Heft 7 im Spätherbst 1937 wieder einstellten, enthielten Anzeigen bzw. Auszüge aus Werken nationaler Verlagsautoren sowie "Mitteilungen des Verlages". Heft 1 enthielt etwa Originalbeiträge von Hubert Mumelter, Bruno Brehm, Franz Spunda, Frank Thiess, Rudolf Hans Bartsch, Eduard Stucken, Jakob Schaffner und Grete von Urbanitzky.
Nach dem Verlagsjahr 1933/1934 wurden abgesehen von den Werken Franz Werfels (bzw. kurze Zeit Felix Saltens) die Bücher von in Deutschland unerwünschten bzw. verbotenen Autoren im Zsolnay Verlag erst gar nicht herausgegeben. Zu den in Deutschland verbotenen Werken, die vormals bei Zsolnay verlegt worden waren, gehörten unter anderem: Claude Anets "Ariane. Ein russisches Mädchen", Schalom Aschs Werke wie "Die Gefangene Gottes", "Die Kinder Abrahams. Novellen aus Amerika" oder "Moskau", Henri Barbusses "Erhebung" und "Zola. Der Roman seines Lebens", die Werke Max Brods, Fannina W. Halles "Die Frau in Sowjetrussland", Eugen Lennhoffs "Politische Geheimbünde im Völkergeschehen", Werke von Leonid Leonow und Emil Ludwig, die gesammelten Werke Heinrich Manns und viele, viele mehr.
Nach 1935 bemühte sich der Zsolnay Verlag mit der Herausgabe von Werken meist nationaler Autoren oder ausländischer Schriftsteller über Wasser zu halten und kämpfte auch in Deutschland mit Absatzproblemen. Der Verlag annoncierte deshalb auffällig und außerordentlich viel im "Börsenblatt", stand aber bei einer wohl nicht geringen Zahl von Buchhändlern, die durch Will Vesper entsprechend informiert waren, auf einer "schwarzen Liste". So erwies sich die vollzogene Neuausrichtung des Verlags letzten Endes als Bumerang, auch für die Autoren.
Im zweiten Halbjahr 1937 gab der Paul Zsolnay Verlag 37 Werke heraus und der Umsatz erhöhte sich in dieser Periode im Vergleich zum Vorjahr um zehn Prozent. Dennoch gelang es weder eine Dividende auszuschütten, noch die Zinsen für gewährte Darlehen zu vergüten. In den ersten Monaten des Jahres 1938 setzte sich die Umsatzsteigerung fort, hörte jedoch Mitte März mit einem Schlag auf. Durch den "Anschluss" und die damit verbundene Währungsumstellung erlitten nicht nur der Zsolnay Verlag, sondern so gut wie alle Buchhändler und Sortimenter in Österreich einen gewaltigen Rückschlag.
Niederlassung in der Schweiz 1930 bis 1940
Spätestens 1929 fasste Paul Zsolnay den Plan, in der Schweiz einen Ableger des Verlags zu gründen, über den moderne und billige Ausgaben beliebter Titel vertrieben werden sollten. Unter dem Firmenwortlaut "Paul Zsolnays Bibliothek zeitgenössischer Werke Verlags A. G." wurde dieser zuerst in Bern gegründet, handelsgerichtlich protokolliert wurde das Unternehmen jedoch nicht. Bereits Ende November 1929 kam es jedoch in Österreich zur Auslieferung erster Exemplare, unter anderem John Galsworthys Roman "Die dunkle Blume" (o. J.) oder H. G. Wells Roman "Der Traum" (1930). Gebunden und gedruckt wurden Bücher bei R. Kiesel in Salzburg.
Mit Gesellschaftsvertrag vom 28. Februar 1930 wurde die "Paul Zsolnay Bibliothek zeitgenössischer Werke Verlags-A.G." am 22. März 1930 dann in das Firmenbuch, Register A des Handelsgerichts in Zürich eingetragen. Weshalb diese Übersiedlung von Bern weg stattfand, ist nicht bekannt. Inhaber der Firma, die ein Aktienkapital von 50.000 Francs aufwies, war der Schweizer Kaufmann Willy Waller. Betriebsgegenstand war das Verlagsgeschäft und der Bühnenvertrieb, insbesondere die Herausgabe von Büchern in volkstümlicher Ausgabe. Dem ersten Verwaltungsrat gehörten neben Paul Zsolnay die beiden Schweizer Robert Faesi und Konrad Bloch sowie Felix Costa und Stefan Halazs an. Mit Statutenrevision vom 20. März 1934 kam es zu einer Umwandlung der Züricher Firma und zu personellen Veränderungen: Zsolnay und Costa schieden offiziell aus der Firma aus und diese wurde in "Bibliothek zeitgenössischer Werke Verlags A.G." umbenannt und am 24. März 1934 im Züricher Firmen-Buch eingetragen. Zuerst blieb Stefan Halasz Prokurist, danach übernahm Grete Geiringer den Posten – zumindest auf dem Papier bis 1940. Robert Faesi und Konrad Bloch schieden schon Anfang 1935 aus. Der Auflösungsbeschluss der Firma erfolgte schließlich am 4. März 1940. Infolge beendeter Liquidation wurde sie am 8. Jänner 1941 aus dem Firmenbuch beim Handelsgericht Zürich gelöscht.
Sowohl von Will Vesper als auch vonseiten österreichischer Zeitungen wurde 1935 behauptet, Zsolnay hätte nach dem März 1933 die im Reich unter dem Impressum Paul Zsolnay Verlag unverkäuflichen Autoren – vor allem jüdischer Provenienz – in die Schweiz in seinen "Getto-Verlag" abgeschoben. Sieht man die Namen der Autoren der zwischen 1930 bis 1932 mindesten 15 veröffentlichten Romane an, so entkräftet sich dieser Vorwurf: Vertreten waren etwa Max Brod, Schalom Asch, Johann Fabricius, Heinrich Mann, Kasimir Edschmid, H. G. Wells, Sinclair Lewis, Georg von der Vring und Anton Tschechow. Dem Charakter nach zum "Exilverlag" wurde das Unternehmen erst 1934 und 1935, als die Zürcher "Bibliothek zeitgenössischer Werke" aktiv war. In diesen beiden Jahren erschienen mindestens 14 Titel, darunter zwei Romane von Schalom Asch, zwei Werke von Paul Frischauer, ein Roman von Lili Grün, Novellen von Heinrich Eduard Jacob, zwei Bücher von Josef Löbel, zwei Werke von Robert Neumann, ein Roman von Viktoria Wolf sowie drei Werke von Otto Zarek.
1938 bis 1941
Unmittelbar nach dem "Anschluss" Österreichs an Hitler-Deutschland wurde der Paul Zsolnay Verlag mit 14. März 1938 unter die kommissarische Leitung Hannes Dietls (Angestellter der Firma Böhler Stahlwerke A. G.) gestellt, an dessen Seite der Zsolnay-Autor Albert Jantsch-Streerbach agierte. Offiziell wurde Dietl vom "Landeskulturamt" der NSDAP Österreich eingesetzt, richtigerweise waren die beiden jedoch von Paul Zsolnay mündlich engagiert worden, um nach außen hin als Strohmänner den Verlag zu leiten. Ein Jahr lang sollte es so gelingen, eine vollzogene "Arisierung" des Verlages vorzutäuschen; Paul Zsolnay und Felix Costa gaben ihre Posten im Verlag zugunsten von Dietl und Jantsch-Streerbach auf. Bald wurde die Paul Zsolnay Verlags A. G. mit offizieller Bestätigung der Vermögensverkehrsstelle als "arisches" Unternehmen ausgewiesen und Costa konnte bis in das Frühjahr 1939 im Verlag gehalten werden, obgleich er als "Halbjude" galt. Auch nachdem Paul Zsolnay im November 1938 über Paris in Richtung London offiziell auf Geschäftsreise gegangen war und von dieser erst nach Ende des Zweiten Weltkriegs zurückkehren sollte, führte er noch eine Weile den Verlag aus der Emigration selbst.
Die "Scheinarisierung" konnte bis 7. April 1939 aufrechterhalten bleiben, ehe die Verlagsräume durch die Gestapo gesperrt wurden, da Jantsch-Streerbach nach mehreren Ultimaten des Propagandaministeriums den Nachweis für die Bezahlung der Kaufsumme noch immer nicht erbracht hatte. Zwei Wochen später wurde der Jurist Wilhelm Hofmann als Treuhänder eingesetzt. Die von ihm in Auftrag gegebene Erstellung der Bilanz für das Jahr 1938 wies hohe Verluste aus, die unter anderem aus dem Ausscheiden der Bücher unerwünschter Autoren und der Abschreibung uneinbringlich gewordener Forderungen an jüdische Autoren resultierten. Dies sollte sich jedoch ändern: In den Jahren 1940/1941 verzeichnete der Verlag einen immensen Geschäftsgewinn, die bisher finanziell erfolgreichste Phase in seiner Geschichte. Treuhänder Hofmann nutzte die Kriegssituation und die Lager wurden "leergefegt". Nach Diskussionen, wohin der Gewinn, der im Rahmen einer Treuhänderschaft erwirtschaftet worden war, fließen sollte, wurde schließlich ein Betrag von 650.000 Reichsmark auf Weisung von Propagandaminister Joseph Goebbels an dessen Ministerium nach Berlin überwiesen.
Der Verlag unter Karl H. Bischoff 1941 bis 1945
Mehr als zwei Jahre hatte es gedauert, bis die von NS-Stellen und Ministerien untersuchten Besitzverhältnisse im Zsolnay Verlag endgültig geklärt waren und im Herbst 1941 ein neuer Inhaber feststand: der Schriftsteller, Buchhändler und ehemalige Fachreferent der Reichsschrifttumskammer Karl Heinrich Bischoff. Im Oktober 1941 firmierte der Verlag als Zsolnay Verlag Karl H. Bischoff, im Juni 1942 wurde er zum Karl H. Bischoff Verlag.
Der neue Verlagsinhaber führte den ehemaligen Zsolnay Verlag zweifelsfrei im nationalsozialistischen Sinn, bewahrte dennoch gewisse einstige Traditionen: So war er bemüht, den Verlag in Wien zu erhalten und auszubauen, versuchte programmatisch eine Europäisierung und nahm vornehmlich Autoren aus Südosteuropa auf. Im NS-Deutschland war der Karl H. Bischoff Verlag als der produktivste belletristische Verlag anzusehen. Bischoffs Beziehungen war es zu verdanken, dass der Verlag als einer der etwas mehr als 200 im gesamten Deutschen Reich im Sommer 1944 übriggebliebenen Verlage für kriegswichtig erklärt wurde und den Betrieb nicht einstellen musste. Nach dem April 1945 floh Karl H. Bischoff in Richtung "Altreich" und überließ den Verlag seinem Schicksal.
1945 bis zum Tod von Paul Zsolnay
Am 23. Mai 1945 wurde der Wiener Verlag unter die öffentliche Aufsicht des ehemaligen Verlagsangestellten im Karl H. Bischoff Verlag, Emil Fuchs, gestellt und der "Karl H. Bischoff Verlag (Paul Zsolnay Verlag)" nahm seine Arbeit wieder auf. Für den Herbst 1945 sind sechs Neuerscheinungen nachgewiesen, wobei es sich jedoch um Ausgaben handeln dürfte, die bereits zu Kriegsende beinahe fertig gewesen waren. Anfang 1946 wurde Edwin Rollett Cheflektor des Verlags, eine weitere Neuerung bestand in einer Niederlassung in Hamburg in der britischen Zone. Neben der Pflege von Autoren, die schon früher im Programm waren, kamen nun viele neue hinzu, deren Werk durch den Zsolnay Verlag in Weiterführung seiner bisherigen Tradition erstmals dem deutschsprachigen Publikum vorgestellt wurde: Graham Greene, Truman Capote, Richard Mason, Bertrand Russell oder J. B. Priestley. Aber auch österreichische Schriftstellerinnen und Schriftsteller wie Johannes Mario Simmel, Alma Johanna Koenig und Marlen Haushofer wurden zum Teil erstmals dem Publikum vorgestellt.
Anfang 1946 kehrte Paul Zsolnay aus der Londoner Emigration nach Wien zurück und machte dort weiter, wo er 1938 aufgehört hatte. Er strengte ein Verfahren gegen Karl H. Bischoff wegen der Rückstellung des Paul Zsolnay Verlages an, das schließlich mit einem bei einer Verhandlung in Wien am 19. März 1957 geschlossenen Vergleich endete. Vier Jahre später starb Paul Zsolnay am 13. Mai 1961.
1961 bis 1996
Nach dem Tod Paul Zsolnays war der seit 1953 im Verlag tätige Hans W. Polak bis 1986 Geschäftsführer des Zsolnay Verlags. Unter seiner Leitung wurden etwa Bücher von Alexander Lernet-Holenia, John le Carré oder Charles Berlitz verlegt. Ein großer Erfolg wurde der 1977 publizierte Roman "Wie kommt das Salz ins Meer?" von Brigitte Schwaiger.
Im Frühjahr 1986 kam es zum ersten von drei Eigentümerwechseln innerhalb eines Jahrzehnts: Der deutsche Verleger und Druckereibesitzer Ernst Leonhard erwarb den Verlag und Gerhard Beckmann wurde zum alleinigen Geschäftsführer bestellt. 1987 erschien das Buch von Jürgen Serke "Böhmische Dörfer. Wanderungen durch eine literarische Landschaft", in dessen Folge die von Serke herausgegebene Reihe "Bücher der böhmischen Dörfer" gestartet wurde, in der unter anderem Hermann Ungar, Hugo Sonnenschein-Sonka und Fritz Brügel publiziert wurden. Geschäftsführer Beckmann initiierte darüber hinaus unter anderem eine neue Übersetzung des Werks von Graham Greene und nahm Dean R. Koontz, Anita Brookner und Martin Amis neu in das Verlagsprogramm auf.
Ab Dezember 1990 war der Zsolnay Verlag im Besitz der VPM, der Verlagsunion Erich-Pabel – Arthur Moewig KG (eine hundertprozentige Tochter des Hamburger Heinrich Bauer Verlags) in Rastatt. Reinhold G. Hubert wurde neuer Leiter; unter ihm sollte der Verlag eine starke Sachbuchsparte erhalten und sein Hardcoverprogramm weiterführen. 1991 startete die neue "Zsolnay-Edition" mit Künstlern wie Markus Lüpertz als Gestalter, in der Krimi- und Thrillerautoren wie Jeffrey Archer, John le Carré, Robert Ludlum, Irving Wallace oder Peter Zeindler publiziert wurden. Das Bestreben der VPM, den reichen Rechtefundus zu verwerten, konnte nicht wie ursprünglich geplant realisiert werden – 1995 waren von Zsolnay nur noch etwa 200 Titel lieferbar und der Umsatz stagnierte bei ca. 20 Millionen Schilling.
Der Zsolnay Verlag als Teil des Carl Hanser Verlags
Mitte Februar 1996 erwarb der Münchner Carl Hanser Verlag den Zsolnay Verlag mit der formulierten Zielsetzung, wieder an die große literarische Tradition seiner Anfangsjahre anzuschließen. Im neuen Konzept kam Wien als Standort und Sitz eine besondere Bedeutung zu. Michael Krüger, der erste Leiter Zsolnays unter dem neuen Besitzer, gestaltete für 1996 ein Herbstprogramm, das mit dem Australier David Malouf und dem Briten John Lanchester international Aufsehen erregte.
Im Dezember 1996 wurde der Literaturkritiker Herbert Ohrlinger zum neuen Programmverantwortlichen, später zum Verlagsleiter bestellt. Unter seiner Leitung lag der Fokus des Verlagsprogramms nun auf internationaler – mit einem Schwerpunkt auf Süd- und Osteuropa – und deutschsprachiger Belletristik, Klassiker- und Gesamtausgaben, literarischen Krimis sowie einer Palette von vor allem geistesgeschichtlichen und politischen Sachbüchern. Bereits 1997 gelang mit Jean-Dominique Baubys "Schmetterling und Taucherglocke" ein Bestseller; auch Viviane Forresters "Terror der Ökonomie" rangierte weit oben. 1998 wurde Henning Mankells "Die fünfte Frau" herausgebracht. Mankells Bücher waren mehrfach in den Bestsellerlisten vertreten – auch am deutschen Buchmarkt.
Als Teil der Hanser Literaturverlage publizierte Zsolnay seit 1996 zahlreiche Autoren der deutschsprachigen Literatur und des erzählenden Sachbuchs wie etwa Karl-Markus Gauß, Franzobel, Magdalena Sadlon, Friedrich Achleitner, Eginald Schlattner, Konrad Paul Liessmann, Martin Pollack, Armin Thurnher, Franz Schuh oder André Heller. Biografien und Autobiografien bilden einen weiteren Programmschwerpunkt: Gustav Mahler und Karl Kraus (von Jens Malte Fischer), Hugo von Hofmannsthal (von Ulrich Weinzierl), Ivo Andrić (von Michael Martens) oder Heinrich Treichl und Barbara Coudenhove-Kalergi. Mit der Gründung der Reihe "Profile – Magazin des Literaturarchivs der Österreichischen Nationalbibliothek" sollte eine Verbindung zwischen einer angewandten Literaturwissenschaft, österreichischen Autorinnen und Autoren und einem literarischen Verlag hergestellt werden. Auch die Schriftenreihe des "Philosophicum Lech" repräsentiert eine Verbindung zur angewandten Wissenschaft.
2004 erwarb Zsolnay nach der Privatisierung des Österreichischen Bundesverlags von der Ernst Klett GmbH den Deuticke Verlag. Martina Schmidt blieb auch nach der Übernahme Programmleiterin. Mit den Büchern von Daniel Glattauer und Paulus Hochgatterer konnten große Erfolge erzielt werden. Mit Jahresende 2019 ging der Imprint Deuticke letztlich im Paul Zsolnay Verlag auf.
Literatur
- Hanser Literaturverlage: Verlagsgeschichte Paul Zsolnay Verlag [Stand: 18.5.2020]
- Murray G. Hall, Herbert Ohrlinger: Der Paul Zsolnay Verlag 1924–1999. Dokumente und Zeugnisse. Wien: Zsolnay 1999.
- Murray G. Hall: Der Paul Zsolnay Verlag. Von der Gründung bis zur Rückkehr aus dem Exil. Tübingen: Max Niemeyer Verlag 1994.
- Murray G. Hall, Österreichische Verlagsgeschichte 1918–1938. Band II: Lexikon der belletristischen Verlage. Wien: Böhlau 1985, S. 482–529. Online unter: Österreichische Verlagsgeschichte, Paul Zsolnay Verlag.
Link
Einzelnachweise
- ↑ Dr. Leopold Thaler, Besuch bei Verlegern: Paul von Zsolnay. In: Prager Tagblatt, Nr. 80, 3.4.1926, Das gute Buch, Literarische Wochenbeilage des "Prager Tagblatts", S. I-II. Wiederabdruck in: Der blaue Bücherkurier, XXXVII. Jg., 1.5.1926, Nr. 580, S. 5-6. Siehe außerdem: "Paul-Zsolnay-Verlag". In: Österreichische Woche (Wien), 3. Jahr, Heft 38, 18.9.1926, S.18-19., 1.
- ↑ Österreichisches Staatsarchiv, Abt. Allgemeines Verwaltungsarchiv, BMfHuV, Geschäftszeichen 570, Gdzl. 106.248-9a/35, Geschäftszahl 112.608-9a/35.