Gedenktafel "Kündigungsgrund Nichtarier" (Anton-Schrammel-Hof)
48° 10' 47.00" N, 16° 25' 22.00" E zur Karte im Wien Kulturgut
Am Anton-Schrammel-Hof in 11., Kopalgasse 55-61 wurde am 22. September 1999 im Rahmen des Projekts "Kündigungsgrund: 'Nichtarier'" eine Gedenktafel für jüdische MieterInnen enthüllt, die 1938 von den Nationalsozialisten aus dem Gemeindebau vertrieben worden waren. Stifter der Tafel waren die Volkshochschule Simmering und der Kulturverein Simmering. Die Inschrift lautet:
"Kündigungsgrund: 'Nichtarier'
Aus diesem Haus wurden 1938 von den Nationalsozialisten vertrieben:
Bernhard Diamant
Bertha Diamant
Margarethe Diamant
Aranka Krämer
Franz Krämer
Hans Krämer
Klara Krämer
Lilli Krämer
Margarete Krämer
Max Krämer
Dr. Friedrich Seidler
Opfer des Holocaust
Niemals vergessen!
Das Projekt "Kündigungsgrund: 'Nichtarier'" wurde von der Volkshochschule Simmering unter der Leitung von Walter Schuster durchgeführt. Angestoßen hat die Erforschung der Vertreibung jüdischer Mieterinnen und Mieter aus den Wiener Gemeindebauten unter dem Nationalsozialismus in den Jahren 1938 und 1939 der Archivar, Bibliothekar und Mitarbeiter im Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes Herbert Exenberger, der gemeinsam mit Johann Koß und Brigitte Ungar-Klein 1996 die Studie "Kündigungsgrund Nichtarier. Die Vertreibung jüdischer Mieter aus Wiener Gemeindebauten in den Jahren 1938 und 1939" publiziert hat. Im Jahr 1999 wurde in der Bücherei Wien 11 die Ausstellung "Kündigungsgrund Nichtarier" gezeigt. Das Projekt wurde mit einer "historischen Wanderung" durch Simmering abgeschlossen, bei der fünf Gedenktafeln an Gemeindebauten enthüllt wurden.
Die Familie Diamant wohnte auf Tür 12, Stiege 1. Bernhard Diamant (* 31. Jänner 1909) wurde am 14. Juni 1942 mit seiner Schwester Margarethe (* 23. Juni 1918) und seiner Mutter Bertha (* 05. Dezember 1887) in das Vernichtungslager Sobibór deportiert und dort ermordet. Die Familie Krämer wohnte auf Tür 1, Stiege 7. Max Krämer (* 12. Jänner 1886) wurde am 26. Oktober 1939 nach Nisko deportiert und dort ermordet. Hans Krämer (* 20. Dezember 1922) wurde ebenfalls im Oktober 1939 nach Nisko deportiert und dort ermordet. Aranka Krämer (* 28. August 1888), Franz Krämer (* 18. Mai 1919), Klara Krämer (* 10. Juli 1915), Lilli Krämer (* 28. Jänner 1927) und Margarete Krämer (* 15. Februar 1921) wurden am 15. Februar 1941 nach Opole deportiert und ermordet. Der Arzt Friedrich Seidler (* 19. Mai 1894) wohnte auf Tür 1-2, Stiege 10. Er flüchtete im Dezember 1938 nach Belgien, von wo er am 10. Mai 1940 nach Frankreich abgeschoben wurde. Am 9. September 1942 wurde er von Drancy (Frankreich) nach Polen deportiert und musste im Arbeitslager für Juden "Borsigwerk" und im Nebenlager des KZ Auschiwitz "Blechhammer" Zwangsarbeit leisten. Er starb auf einem Evakuierungsmarsch in das KZ Buchenwald.
Bei der Enthüllung der Gedenktafel sprach Brigitte Ungar-Klein vom Jüdischen Institut für Erwachsenenbildung. Die Gruppe "Gojim" gestaltete die Feier musikalisch.
Literatur
- Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes [Hg.]: Gedenken und Mahnen in Wien 1934-1945. Gedenkstätten zu Widerstand und Verfolgung, Exil, Befreiung. Eine Dokumentation. Ergänzungsband I. Wien: Deuticke 2001, S. 52-53
- Herbert Exenberger: Gleich dem kleinen Häuflein der Makkabäer. Die jüdische Gemeinde in Simmering 1848–1945. Wien: Mandelbaum 2009, S. 8
- Herbert Exenberger / Johann Koß / Brigitte Ungar-Klein: Kündigungsgrund Nichtarier. Die Vertreibung jüdischer Mieter aus den Wiener Gemeindebauten in den Jahren 1938-1939. Wien: Picus 1996