Genannte
Genannte, politisches Gremium der Stadtverwaltung des Mittelalters; das Genanntenkollegium erfüllte wichtige Aufgaben der allgemeinen Verwaltung, der Finanzverwaltung und der Rechtspflege, vertrat aber auch die Interessen der Stadt auf Gesandtschaftsreisen. Den Höhepunkt ihrer Bedeutung erlangte dieses Gremium um die Mitte des 15. Jahrhunderts. Bei den Genannten im weiteren Sinn handelt es sich um einen Kreis von 100 (nach dem Stadtrecht von 1340 200) besonders angesehenen und qualifizierten Bürgern, die sich aus den Patriziern sowie hausbesitzenden Handwerkern, Gewerbetreibenden und sonstigen Bürgern zusammensetzten, die in ihrer Gesamtheit jährlich die 24 bzw. 20 (1278–1526) stimmberechtigten Ratsmitglieder wählten (Innerer Rat). Jeweils zwölf Genannte wurden vom Stadtrichter als Beisitzer zu Gerichtsverhandlungen berufen. Auch wichtigere Rechtsgeschäfte der Bürger bedurften der Zeugenschaft von einer gewissen Anzahl von Genannten.
Die Wahl ins Gremium der Genannten erfolgte durch Ratsbeschluss auf Lebenszeit; vakant gewordene Stellen wurden einmal jährlich vom Rat nachbesetzt. Man achtete grundsätzlich darauf, dass die vier Stadtviertel und die damaligen fünf Vorstädte gleichmäßig vertreten waren, wobei die Zahl der ansässigen Bürger zur Richtschnur genommen wurde. Wurde der Genannte in den Rat gewählt, so blieb er in der Genanntenliste verzeichnet, damit er nach seinem Ausscheiden aus dem Rat seine Funktion wieder übernehmen konnte. Die Genannten wählten alljährlich aus ihrem Kreis einen 40-köpfigen Ausschuss, der vom Inneren Rat zur Beschlussfassung in wichtigen Angelegenheiten herangezogen wurde; dieser Ausschuss führte bis 1408 die Bezeichnung "Äußerer Rat", danach sprach man lediglich von Genannten (im engeren Sinn); gleichzeitig ließ man die Bezeichnung "Innerer Rat" fallen. Nach dem Stadtrecht von 1517 hatten die 200 Genannten die Aufgabe, jeweils am 21. Dezember die Räte und den Bürgermeister zu wählen, hingegen fiel es dem Rat und dem Bürgermeister zu, die Genannten auf die erforderliche Zahl zu ergänzen; diese gegenseitige Bestellung sicherte der führenden gesellschaftlichen Schicht die Dominanz in beiden Gremien. Am 16. August 1522 wurde das Kollegium nach dem missglückten Aufstand Bürgermeisters Martin Siebenbürgers aufgehoben und in der Stadtordnung vom 12. März 1526 durch einen 76-köpfigen Inneren Rat ersetzt.
Literatur
- Thomas Simon: Die verfassungsrechtliche Stellung Wiens in der Habsburgermonarchie. In: Wien wird Bundesland. Die Wiener Stadtverfassung 1920 und die Trennung von Niederösterreich. Hg. von Bernhard Hachleitner und Christian Mertens. Wien: Residenz Verlag 2020, S. 11–24
- Richard Perger: Die Wiener Ratsbürger 1396 – 1526. Wien: Deuticke 1988 (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte, 18), S. 18 ff.
- Walter Weinzettl: Die undatierte Genanntenliste der Wiener Ratstafel. Ein Beitrag zur Verfassungs- und Sozialgeschichte Wiens im 15. Jahrhundert. In: Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien. Band 11. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 1954, S. 3 ff.
- Felix Czeike: Wien und seine Bürgermeister. Sieben Jahrhunderte Wiener Stadtgeschichte. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1974, S. 30