Stadtordnung 1526
Die am 12. März 1526 von Ferdinand I. in Augsburg erlassene Stadtordnung war bis 1783 Basis des Wiener Stadtrechts.
Die Herrschaftsübernahme Ferdinands I.
Der Herrschaftsantritt Ferdinands I. gestaltete sich alles andere als reibungslos. Das von Kaiser Maximilian I. kurz vor seinem Tod 1519 eingesetzte Regiment, das vielfach als korrupt galt, sah sich bald mit heftigem Widerstand der Niederösterreichischen Stände konfrontiert. Unter Berufung auf ihre Privilegien setzten die Stände auf einem Landtag Ende Jänner 1519 ein eigenes Regiment ein, das bis zur Ankunft des neuen Landesfürsten die Regierungsgeschäfte führte. Aus dessen Sicht kam das allerdings einem Aufstand gleich. Erzherzog Ferdinand I. griff nach seiner Herrschaftsübernahme im Wiener Neustädter Blutgericht hart durch, indem die Rädelsführer zum Tod verurteilt und hingerichtet wurden. Die Initiative für diesen Prozess war allerdings von den Ständen ausgegangen, da diese ihr Vorgehen als rechtmäßig ansahen. Da die Wiener Führung an der ständischen Regierung maßgeblich beteiligt war, befanden sich unter den Hingerichteten gleich drei ehemalige Wiener Bürgermeister. Diese Situation trug wohl maßgeblich dazu bei, dass die traditionelle Bestätigung der alten Stadtrechtsprivilegien bei Herrschaftsantritt unterblieb. 1522 mussten die Genannten diese wertvollen Urkunden im Original in Wiener Neustadt dem neuen Herrscher übergeben. Am 14. August 1522 hob Ferdinand I. als neuer Stadtherr das Gremium der Genannten wie auch jenes der Hausgenossen mit dem Hinweis auf, dass jene durch ihr Verhalten beim Aufstand ihre Vorrechte verwirkt hätten. Gleichzeitig verlängerte er die Funktionsperioden von Bürgermeister, Stadtrichter und der Ratsmitglieder, damit die Ämter besetzt blieben. Ohne Genannte war die sonst übliche jährliche Wahl nicht mehr möglich.
Inhalt
Die Stadtordnung vom 12. März 1526, die Ferdinand I. in Augsburg ausstellte, markiert alles in allem eine Neugestaltung der städtischen Rechtsordnung. Auch wenn in vielen Bereichen Kontinuität herrschte, gibt es doch markante Unterschiede zur vorherigen Praxis. Dass sie dezidiert als Ordnung bezeichnet wurde, zeigt, dass sich die Machtverhältnisse zwischen Stadt und Landesfürst eindeutig zugunsten des letzteren verschoben hatten. Diese Verschiebung ist nicht nur als eine Folge des Wiener Neustädter Blutgerichtes, sondern in einem weiteren Kontext zu sehen. Das Streben der Landesfürsten nach Herrschaftsmonopolisierung ist kennzeichnend für die Ausbildung des modernen Staats. Schon unter Maximilian I. hat sich die habsburgische Zentralverwaltung immer stärker ausgebildet. Das ging auch in Wien zu Lasten lokaler Entscheidungsmacht. Die in der Stadtrechtsordnung von 1526 formulierte Bestimmung, dass der Landesfürst sich vorbehält, althergebrachte Privilegien auch einzuziehen, wenn sie nicht in die Ordnung passen, findet sich in ähnlicher Form schon im Stadtrechtsprivileg Maximilians I. Auch wenn derartige Vorbehalte bereits seit dem Hochmittelalter in Herrscherurkunden verwendet wurden, fällt die 1526 verwendete Formulierung sehr scharf aus. Nicht alles wurde neu gefasst und geordnet, auch viele Kontinuitäten finden sich in der Stadtordnung und eine Reihe älterer Bestimmungen wurde beibehalten und bestätigt. Die Fortschritte der Bürokratie zeigen sich nicht zuletzt auch darin, dass die Rats- und Ämterorganisation sehr genau schriftlich festgehalten wurde. Insgesamt zeugt die Stadtordnung jedoch von einem geänderten Herrschaftsverständnis.
Fortan bildeten 100 Bürger die Stadtregierung. Handwerker waren im Unterschied zu vorher komplett von politischer Mitbestimmung ausgeschlossen. Neben Bürgermeister und Stadtrichter, letzterer wurde vom Landesfürsten als Stadtherrn ernannt, formten zwölf Bürger den Inneren Rat, zwölf weitere fungierten als Gerichtsbeisitzer, 76 Bürger bildeten den Äußeren Rat. Aus diesem Kreis kamen auch die Verantwortlichen für die städtischen Ämter. Komplette Neuwahlen waren nicht vorgesehen – es fanden nur Ergänzungswahlen statt, wenn einzelne Mitglieder der Gremien ausfielen. Zwischen den Gremien sollte alle drei Jahre ein Austausch stattfinden. Bei den Ergänzungswahlen wählten die Beisitzer und Stadträte die neuen Mitglieder des Äußeren Rats. Die äußeren Räte wählten die Stadträte, die Gerichtsbeisitzer wurden vom Landesfürsten ernannt. Der Bürgermeister wurde jährlich von den Stadträten, den Beisitzern und den äußeren Räten gewählt. Der Landesfürst musste alle Wahlen vorweg erlauben und später bestätigen, womit er großen Einfluss auf die personelle Besetzung der Stadtverwaltung ausüben konnte. Dem Stadtanwalt, der vom Landesfürsten bestellt wurde, kam weiterhin die Aufsichtsfunktion zu. Die Organisation der Verwaltung lag in den Händen des Stadtschreibers, der vom Rat auf unbestimmte Zeit bestellt wurden. Seine Aufgaben umfassten die Organisation der Stadtverwaltung, die Führung der städtischen Korrespondenz, die Ausfertigung von Beschlüssen und Verordnungen des Rats, die Herstellung beglaubigter Abschriften, die Führung des großen (Eisenbuch) und kleinen (Testamentenbücher) Stadtbuchs, die Archivierung von Dokumenten und die Protokollführung bei den Ratssitzungen. Die Stadtordnung blieb in ihren Grundzügen bis zur Magistratsreform Josephs II. 1783 in Geltung, wurde aber immer wieder durch zusätzliche Regelungen modifiziert und den Zeitumständen angepasst.
Quellen
- WStLA, Hauptarchiv Urkunden, U3: 57 (= HA Urkunden 6345)
- Wienbibliothek Digital: Der Stat wienn Ordnũg vnd Freyhaiten. Mit F. D. gnad vnd Priuilegien. Zw Wieñ gedruckt: (Singriener, Johann d.Ä) 1526
- Peter Csendes (Hg.): Die Rechtsquellen der Stadt Wien. Wien-Köln-Graz: Hermann Böhlaus Nachfolger 1986 (=Fontes rerum Austriacarum. Österreichische Geschichtsquellen, 3. Abteilung: Fontes iuris 9. Band, Nr. 76), S. 267-309: Textedition
Literatur
- Thomas Simon: Die verfassungsrechtliche Stellung Wiens in der Habsburgermonarchie. In: Wien wird Bundesland. Die Wiener Stadtverfassung 1920 und die Trennung von Niederösterreich. Hg. von Bernhard Hachleitner und Christian Mertens. Salzburg/Wien: Residenz Verlag 2020, S. 11–24
- Josef Pauser: Verfassung und Verwaltung der Stadt. In: Peter Csendes und Ferdinand Opll [Hg.]: Wien. Geschichte einer Stadt. Band 2. Wien/Köln/Weimar: Böhlau 2003, S. 47-90, hier besonders 49-62