Orden vom Goldenen Vlies (Vlies = Fell des goldenen Widders, der Phrixos nach Kolchis getragen hatte [Argonautensage]), einer der ältesten und vornehmsten weltlichen Ritterorden (vergleichbar mit dem englischen Hosenband- und dem dänischen Elefantenorden), gestiftet am 10. Jänner 1429 in Brügge durch Herzog Philipp III. den Guten von Burgund (1396-1467; Regierungsjahre: 1419-1467) anlässlich seiner Hochzeit mit Isabella von Portugal zu Ehren des Apostels Andreas (Verlautbarung der Statuten am 22. November 1431 anlässlich eines feierlichen Ordenskapitels in Lille in Anwesenheit des Herzogs und der damals ernannten 24 Ritter); Hausorden (kein Verdienstorden), der dem jeweiligen Chef des Hauses Burgund bzw. Österreich ohne Gegenzeichnung eines Ministers verliehen wurde. Er sollte der Verherrlichung der Kirche dienen, doch kam ihm wohl (als Hilfe zur stärkeren Bindung des Adels an die Person des Herzogs) auch praktisch-politische Bedeutung zu. Die Zahl der Ritter (anfangs 31) wurde 1516 auf 51, später auf 60 beziehungsweise 70 erhöht.
Nach dem Erlöschen des burgundischen Mannesstamms ging die Großmeisterwürde 1477 durch Maria von Burgund an Maximilian I. und damit an das Haus Habsburg, nach dem Tod Karls V. an die spanische Linie des Hauses über. Als Erzherzog Karl, Sohn Kaiser Leopolds I., 1700 als Karl III. den spanischen Thron bestieg, wurde er zugleich Ordenssouverän. Der Sieg der Bourbonen im Spanischen Erbfolgekrieg führte jedoch zu einer Spaltung des Ordens, da das neue spanische Königshaus ebenfalls die Ordenssouveränität beanspruchte. Karl (ab 1711 als Kaiser Karl VI.) blieb Souverän des nunmehrigen österreichischen Ordens vom Goldenen Vlies. Der Ordensschatz gelangte in den Besitz des österreichischen Ordens, da sich der Schatz in den spanischen bzw. nach Ende des Erbfolgekrieges österreichischen Niederlande befand (heute in der kaiserlichen Schatzkammer in Wien).
Das Goldene Vlies stand bis zum Ende der Monarchie, 1918, allen erwachsenen männlichen Mitgliedern des Hauses Habsburg-Lothringen zu. (1918 wurde es noch Vließ geschrieben.) Außerdem verlieh es der Monarch an besonders verdiente Persönlichkeiten. Sie wurden mit dem Jahr der Verleihung im fast immer jährlich erscheinenden offiziellen Haus-, Hof- und Staatshandbuch genannt; dort ist ersichtlich, dass speziell im 20. Jahrhundert auch ungarische Persönlichkeiten ausgezeichnet wurden. [1]Die Halsdekoration wurde in der Mitte des Hemdkragens getragen und hatte Vorrang vor allen anderen Rangabzeichen und Dekorationen.
Die Symbole des Vliesordens (Vlies, Feuerstein und Feuereisen, Andreaskreuz) spielten in der Ikonographie der habsburgischen Repräsentation eine wichtige Rolle. Als Beispiel sind hier das Schweizertor der Hofburg und die Fensterrahmungen des Schweizertraktes zu nennen.
Literatur
- Hans Gerstinger [Hg.]: Das Statutenbuch des Ordens vom Goldenen Vlies. Nationalbibliothek in Wien, Handschrift 2606. 2 Bände. Wien: Verlag der Österreichischen Staatsdruckerei 1934
- Günther Probszt: Der Schatz des Ordens vom goldenen Vliesse. Eine kulturgeschichtliche Betrachtung. Wien: Staatsdruckerei 1926
- Charles de Terlinden: Der Orden vom Goldenen Vlies. Wien [u.a.]: Herold 1970
- Hermann Fillitz / Erwin Neumann: Katalog der Weltlichen und der Geistlichen Schatzkammer. Wien: Kunsthistorisches Museum 51971, S. 42 ff.
- Joseph Haydn in seiner Zeit. Ausstellung, veranstaltet von der Kulturabteilung des Amtes der Burgenländischen Landesregierung, Eisenstadt, 20. Mai - 26. Oktober 1982. Eisenstadt: Amt der Burgenländischen Landesregierung, Kulturabteilung 1982, S. 369
Einzelnachweis
- ↑ Das Staatshandbuch wurde von der Nationalbibliothek digitalisiert und wird auf dem Portal Alex (= Austria lex; lex = Gesetz) allgemein zugänglich gemacht. Staatshandbuch, Ausgabe 1918, Schematismus Hofstaat, Seite 50