Hans Koller
Hans Koller, * 12. Februar 1921 Wien, † 22. Oktober 2003 Wien, Jazz-Musiker.
Biografie
Antonio Hans Cyrill Koller wurde am 12. Februar 1921 in Wien geboren. Sein Vater, der als Eisenbahner arbeitete, vermittelte dem Sohn die Nähe zum Jazz, einer Musikrichtung, die im damaligen Wien nicht sehr weit verbreitete war. Hans Koller lernte zunächst Violine. 1937 begann er an der Akademie für Musik und darstellende Kunst Klarinette und Saxophon bei Leopold Vlach zu studieren und schloss das Studium 1939 ab. Während des Studiums gründete er kleinere Bands und trat regelmäßig beispielsweise in Tanzschulen auf, wo er u.a. mit dem Akkordeonisten Jeff Grumbach-Palme (1922-1983) spielte. Er war auch kurzfristig Bandmitglied in der 1930 gegründeten bekannten Big Band von Ferry Höndl (1900-1963) im Wiener Kursalon.
1941 wurde Hans Koller in die Armee berufen, diente als Frontsoldat und kam anschließend in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Er gründete dort eine sehr erfolgreiche Lagerband, die Arrangements des berühmten Jazztrompeters Charlie Shavers (1917-1971) aus der Zeit des Swing spielte.
1946 kam Hans Koller zurück nach Österreich und trat in den Hot Club Vienna, die bedeutendste österreichische Jazzcombo der österreichischen Nachkriegszeit, ein. Der Komponist und Jazzpianist Ernst Landl (1914-1983) hatte den Hot Club Vienna 1946 als Studioband gegründet und wenig später übernahm Hans Koller dessen Leitung und entwickelte die Formation zu einem Bebop-Oktett. Die Bandmitglieder des Hot Club Vienna waren: Herbert Mytteis (1916- 1967) Violine, Theo Ferstl (1910-1981) Trompete, Gerhard Heinz (1927) Klavier, Leo Eggenberger (1924-2007) Gitarre, Josef Emmerich Dolezsál (1909-1982) Bass und Viktor Josef Johann Plasil (1926-2009) Schlagzeug. Die Band bestand bis 1949 und trat im Wiener Volksgarten auf. Im Herbst 1950, nachdem er noch kurz im Horst Winter-Tanzorchester spielte, übersiedelte Hans Koller nach Deutschland und spielte zuerst in München mit dem Swing-Schlagzeuger Fritz „Freddie“ Brocksieper (1912-1990) & Band und gründete anschließend in Frankfurt mit der Pianistin Jutta Hipp (1925-2003), dem Kontarbassisten Shorty Roeder und dem Schlagzeuger Karl Sanner (1928-1966) ein, an Stan Getz (1927-1991) orientiertes, Cool-Jazz Quartett. 1952 entstanden in München jene Aufnahmen ("Discovery") die Hans Koller die Höchstwertung von fünf Sternen im Fachmagazin "Downbeat" einbrachten. Er war der erste europäische Jazzmusiker mit dieser hohen Auszeichnung.
1953 trat der deutsche Jazz-Posaunist, Albert Mangelsdorff (1928-2005), für zwei Jahre der Band bei. Im selben Jahr tourte die Band Kollers sehr erfolgreich mit dem Dizzy Gilespie Quintett. Ein Jahr später wurde der Wiener Musikwissenschaftler und Komponist Roland Kovac (1927-2013) Pianist bei der neuen Band: Hans Koller New Jazz Stars. Kovac prägte die Band mit seinen Arrangements. 1956 ging Hans Koller mit dem US-amerikanischen Altsaxofonisten Lee Konitz (1927-2020) und dem Baritonsaxofonisten Lars Gullin (1928-1976) auf Tournee nach Europa. Hans Koller war ein kompromissloser Avantgardist und die Plattenaufnahmen jener Zeit gehören zu den eigenständigsten Leistungen des Europäischen Cool-Jazz. 1957 wirkte er in der von dem amerikanischen Arrangeur und Trompeter der Swingära und des Modern Jazz, Eddie Sauter (1941-1981), geleiteten Big Band des Südwestfunks. 1958 spielte Hans Koller gemeinsam mit dem Modern Jazz-Saxophonisten Zoot Sims (1925-1980) im Rahmen der Weltausstellung in Brüssel im Orchester Benny Goodmanns. 1958/59 folgte ein weiterer Meilenstein in der Entwicklung der europäischen Cool-Ära: die Gründung eines Quartetts, dem der ungarische Jazzmusiker Attila Zoller (1927-1998), der Geige, Kontrabass, Flügelhorn und Gitarre spielte sowie der Bassist Oscar Pettiford (1922-1960) und zeitweise der Schlagzeuger Kenny Clarke (1914-1985), also zwei amerikanische Bebop-Pioniere, angehörten. Von 1958 bis 1965 leitete Koller die Workshops des NDR in Baden-Baden. In dieser Zeit komponierte er auch Filmmusik. 1960 erhielt er beim Jazzfestival in Antibes die Auszeichnung als bester Jazzmusiker überhaupt und ab 1961 gehörte er den Europäischen All Stars an.
Im Laufe der 60er-Jahre war Kollers Musik so komplex geworden, dass er keine längerfristige Formation gründen und leiten konnte und er beschäftigte sich zunehmend mit dem Playback-Verfahren, das bei seinen Plattenaufnahmen, beispielsweise bei der LP "Vision" (1966) und "Relax my Horns" zum Einsatz kamen. Sein Fokus lag auf Kollektivimprovisationen, wie zum Beispie beim Song "Indiana" mit dem Posaunisten Paul Russo (1953), „3+3“ mit Ronnie Ross und Arne Domnerus in Berlin 1961 eingespielt oder "Painters lament" von einem sechsstimmigen Saxophonsatz für den Song "Saba" aufgenommen (1963); 1967/68 hielt sich Hans Koller vorübergehend in Wien auf und schrieb seine große Suite "Jean Ccocteau".
Für die Spielzeit 1968/69 übernahm Hans Koller die musikalische Leitung im Deutschen Schauspielhaus Hamburg.
Ein Jahr später, 1970, kehrte er, nach 20 Jahren in Deutschland, in seine Heimat nach Wien zurück. Anfangs spielte er mit dem Grazer Bassisten Adelhard Roidinger (geb. 1941) in verschiedenen Formationen, auch mit dem Erich Kleinschuster- Quintett und gründete schließlich die Gruppe Free Sound, zu der unter anderem der deutsche Keyboarder und Jazzpianist Wolfgang Dauner (1935-2020) und der polnische Jazz-Geiger Zbigniew Seifert (1946-1979) gehörten. Zwischen 1975 und 1980 leitete Koller die International Brass Company, der unter anderem sein alter Spielgefährte Albert Mangelsdorff (1928-2005) und der kanadische Jazz-Trompeter Kenny Wheeler (1930-2014) angehörten. Zu einer seiner späten Formationen gehörte auch ein siebenköpfiges Saxophon-Ensemble, in dem alle Saxophone vom Sopranino bis zum Bass-Sax vertreten waren und sich kollektiver Improvisation hingaben.
Trotz zahlreicher Angebote aus Amerika zog Hans Koller es vor in Europa zu bleiben. Seit den sechziger Jahren widmete er sich außerdem intensiv der Malerei in Kombination mit Komposition. Koller: "Meine Musik und meine Malerei haben sich gegenseitig unglaublich beeinflusst. Nachdem ich ein Bild fertig gestellt hatte, konnte ich oft drei Kompositionen auf Anhieb schreiben, auch wenn mir davor wochenlang nichts eingefallen war. Auf der anderen Seite habe ich mir Klänge oft bildlich, mittels Farben vorgestellt. Die Farbe ist eigentlich die Musik in den Bildern." Damals begann er auch einige herausragende Alben für das deutsche Label MPS aufzunehmen.
Anlässlich seines 65. Geburtstages wurde Hans Koller im Wiener Rathaus mit dem Goldenen Ehrenzeichen für Verdienste um Wien ausgezeichnet.
1993 veranstaltete der Verein "Wiener Musik Galerie" im Wiener Konzerthaus das dreitägige Festival Hans Koller – "The Man who Plays Jazz", bei dem Kollers Werk und Persönlichkeit in ihren vielfältigen Schichtungen noch einmal zur Darstellung gelangte. So wurden etwa seine Kompositionen wie die "Hommage à Jean Cocteau" (1968) oder "Eleven / Four" (1967) von langjährigen Mitstreitern, wie der Posaunist und Pianist William Russo (1928-2003), Kenny Wheeler (1930-2014), der Gitarrist Jimmy Raney (1927-1995) und Koller selbst aufgeführt, außerdem fanden sich der Bandoneon-Spieler Dino Saluzzi (geb. 1935) und der Pianist Pierre-Laurent Aimard (geb.1957) als Mitwirkende ein. Das Programmbuch zu diesem Festival beinhaltet u. a. die erste umfassende Hans-Koller-Biographie.
1995 zog er sich, 74-jährig- aus dem öffentlichen Musikleben zurück. Zu seinem 80. Geburtstag im Februar 2001 eröffnete die Fernwärme Wien die 22. Ausstellung der Serie "Kunst im Foyer" mit einer Ausstellung mit 70 Gemälden Hans Kollers mit dem Titel "Licht und Schatten".
Hans Koller starb am 22. 12. 2003 im Wilhelminenspital in Wien an den Folgen einer Lungenentzündung.
Zu Kollers Ehren stiftete das österreichische Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur im Jahr 1996 den Hans-Koller-Preis, die höchste Auszeichnung Österreichs für JazzmusikerInnen. Ein Prominenter Preisträger war 2002 der Jazzmusiker Joe Zawinul.