Harald Sicheritz
Harald Sicheritz, * 25. Juni 1958 Stockholm, Drehbuchautor und Regisseur.
Biographie
Harald Sicheritz wuchs im Wiener Gemeindebezirk Favoriten in den 1960er Jahren auf. Schon im Gymnasium, gefördert von Eltern und Lehrerinnen und Lehrern, entwickelte er eine Vorliebe für den kreativen Bereich und schrieb Texte und musizierte. Der für zeitgenössische Jugendliche naheliegende Wunsch, Rockmusiker oder Schriftsteller zu werden, sollte sich nach der Matura nicht sofort umsetzen lassen. So wandte sich Sicheritz dem Film als seiner dritten großen Faszination zu. Dies scheiterte vorerst jedoch an einer unfreundlichen Sekretärin bei der Einschreibung an der Wiener Filmhochschule, wie er sich später erinnerte. So entschied er sich rasch um und studierte erfolgreich Politik- und Kommunikationswissenschaft an der Universität Wien. 1983 wurde er mit seiner Dissertation "Wie unterhält das Fernsehen?" zum Dr. phil. promoviert.
Parallel zum Studium ist die Musik jedoch immer ein Thema geblieben. Mit seiner Band "Wiener Wunder" entwickelte er diesen Bereich zu einem professionellen Standbein. Ein Großteil der Musik von Niki Lists 1980er-Jahre-Klassiker "Müllers Büro" ist dieser Band zu verdanken. 1986 wurde sein Titel "Loretta" ein Nummer-1-Hit in den österreichischen Charts.
Die Fernseharbeit lernte er über einen Neben-Job als Kabelträger beim ORF kennen. Er arbeitete sich hoch zum Redakteur und gestaltete in der Folge von 1981 bis 1985 das TV-Magazin "Ohne Maulkorb". Daneben war er als freier Journalist tätig und schrieb Feuilletons bei der "Neuen AZ" (1982−86). Ende der 1980er Jahre erlebte Harald Sicheritz eine schwere Krise. Er erkrankte an Knochenkrebs und musste der Krankheit sein Knie und, wie er retrospektiv oft betonte, viele Illusionen opfern. Nach der erfolgreichen Heilung orientierte er sich auch beruflich neu. Mit dem klaren Ziel, Kino machen zu wollen, besuchte er Filmseminare und machte eine Regieausbildung in Los Angeles am renommierten American Film Institute.
Seine Filmkarriere begann in der Folge 1991 bei dem Besuch der Uraufführung eines Bühnenstücks mit den zu dieser Zeit noch wenig bekannten Kabarettisten Roland Düringer und Alfred Dorfer. Der Name des Stücks war "Muttertag". Begeistert schlug er vor, daraus einen Film zu machen, welcher schließlich 1993 in die Kinos kam. Mit dem großen und vor allem nachhaltigen Erfolg dieser schwarzen Komödie bekam Sicheritz bald den Ruf, einer der bedeutendsten österreichischen Regisseure zu sein. Statistisch gilt "Muttertag" bis dato als der meist gesehene österreichische Film.
Sicheritz beschäftigte sich aber auch mit dem Genre des Dokumentarfilms, wie zum Beispiel 1993 mit "Otto Preminger − Anatomy of a Filmmaker". Parallel erweiterte er stets seine professionelle Perspektive und besuchte etwa 1994 ein Seminar für Filmanalyse bei dem Regisseur Krysztof Kieślowski sowie 1994 bis 1995 Drehbuch-Workshops bei Inga Karetnikova.
Seit 1994 schrieb er hauptsächlich Drehbücher, verfasste zahlreiche Treatments und Bearbeitungen für Spielfilme und TV-Serien. Auch gestaltete er TV-Werbekampagnen, TV-Magazine und Musikvideos und produzierte mehrere sehr erfolgreiche Fernsehprogramme für den ORF ("Kaisermühlen Blues", "Die Gipfelzipfler", "MA 2412").
Im Zentrum seines Interesses befand sich jedoch der Film und er produzierte eine ganze Reihe bedeutender und höchst erfolgreicher Werke wie "Qualtingers Wien" (1997), "Fink fährt ab" (1999), "Wanted" (1999), "Poppitz" (2002), "Darum" (2007) oder zuletzt auch den Animationsfilm "Hexe Lilli: Die Reise nach Mandolan" (2011).
Daneben beschäftigte er sich als Lektor am Institut für Kommunikationswissenschaft der Universität Wien mit der Vermittlung seiner Kenntnisse und bemühte sich, die Zukunft des Mediums Film auch strukturell aktiv mitzugestalten. So war er 2009 Mitbegründer der Akademie des Österreichischen Films. Außerdem war er als Mitglied des Entwicklungsteams für den Fachhochschul-Bachelorstudiengang "Film-, TV- und Medienproduktion" aktiv und leistete wertvolle Vermittlungsarbeit als Lehrbeauftragter für "Film und Musik" an der Abteilung Film und Fernsehen der Universität für Musik und Darstellende Kunst in Wien.
Mit "Bad Fucking" setzte er 2013 sehr wirkungsvoll Kurt Palms Krimi-Debüt filmisch um. Dieses Genre bearbeitete er bereits seit 2009 im Rahmen der Regie für mehrere Folgen der Fernsehkrimireihe "Tatort". Zuletzt konnte er mit seiner ORF-TV-Serie "Vorstadtweiber" einen weiteren Erfolg verbuchen.
Seine Spezialität waren stets durchwegs bitterböse Komödien, die er als Spiegel der österreichischen Gesellschaft gekonnt in Szene zu setzen und damit, wie kaum ein anderer heimischer Regisseur, den Nerv des Publikums zu treffen wusste.
Werke(Auswahl)
- Muttertag. Österreich: Fernsehfilmproduktion Dr. Heinz Schneiderbauer 1993
- Freispiel. Österreich: Fernsehfilmproduktion Dr. Heinz Schneiderbauer 1995
- Qualtingers Wien. Österreich: MR Filmproduktion 1997
- Hinterholz 8. Österreich: Dor Film Produktionsgesellschaft 1998
- MA 2412. TV-Serie. ORF: 1998−2002
- Wanted. Österreich: MR Filmproduktion 1999
- Zwölfeläuten. Österreich: MR Filmproduktion 2000
- Poppitz. Österreich: Dor Film Produktionsgesellschaft / Seven Islands Film 2002
- Mutig in die neuen Zeiten 1 − Im Reich der Reblaus. Österreich: MR Filmproduktion 2005
- Mutig in die neuen Zeiten 2 − Nur keine Wellen. Österreich: MR Filmproduktion 2006
- Mutig in die neuen Zeiten 3 − Alles anders. Österreich: MR Filmproduktion 2008
- Darum. Österreich: Allegro Film 2008
- 3faltig. Österreich: MR Filmproduktion / Falcom Media / Österreichisches Filminstitut 2010
- Hexe Lilli − Die Reise nach Mandolan. Österreich/BRD/Spanien: Blue Eyes Fiction / Trixter Productions / Buena Vista International Film 2011
- Bad Fucking. Österreich: MR TV-Film 2013
- Vorstadtweiber. TV-Serie. ORF: 2015−2017
- Baumschlager. Österreich: Dor Film Produktionsgesellschaft / United Channel Movies 2016
Literatur
- Biographie Harald Sicheritz. In: Persönliche Homepage von Harald Sicheritz. [Stand: 02.06.2017]
- Harald Sicheritz. In: IMdb. [Stand: 02.06.2017]
- Harald Sicheritz. In: Austria Forum. [Stand: 02.06.2017]
- Im Gespräch mit Harald Sicheritz. "Auf Augenhöhe, mit Toleranz". In: Österreichisches Filminstitut. 03.2014 [Stand: 02.06.2017]
- Verena Randolf: Harald Sicheritz. Vom Rocker zum Filmemacher. In: Niederösterreichische Nachrichten. 29.04.2014 [Stand: 02.06.2017]