Helene Koller-Buchwieser
Helene Koller-Buchwieser, * 26. November 1912, † 4. März 2008 Hinterbrühl, Architektin, Baumeisterin.
Biografie
Die Tochter des Architekten Bruno Buchwieser arbeitete schon während ihrer Schulzeit als Maurerlehrling auf den Baustellen ihres Vaters. Nach der mit Auszeichnung bestandenen Matura am Mädchen-Realgymnasium Wiedner Hauptstraße 39 studierte sie von 1932 bis 1937 bei Karl Holey an der Technischen Hochschule Architektur und war daneben bereits als Bauleiterin im väterlichen Betrieb tätig. Hier konnte sie vor allem Erfahrungen mit Sakralbauten sammeln, da die katholische Kirche eine wichtige Auftraggeberin war.
Nach dem Abschluss ihres Studiums unternahm Helene Buchwieser eine Studienreise nach England, um Material für eine weiterführende Ausbildung bei Karl Holey, der seit 1937 auch Dombaumeister war, vorzubereiten. Die Meisterklasse kam nicht mehr zustande, da Holey nach dem sogenannten "Anschluss" entlassen worden war.
Helene Buchwieser fand indes eine Anstellung als Leiterin des Baureferats am Kunsthistorischen Museum, das aufgrund von Entlassungen des jüdischen Personals und der Übernahme von Raubgut umstrukturiert wurde. An ihrem Arbeitsplatz lernte die Architektin ihren Mann, den Kunsthistoriker Lothar Kitschelt, kennen. Nach der Hochzeit 1939 musste sie gemäß den Bestimmungen für weibliche Personen im Bundesdienst ihre Anstellung aufgeben. Sie kehrte daraufhin in den als stellvertretende Betriebsleiterin in das Unternehmen ihres Vaters zurück. Obwohl Lothar Kitschelt bereits illegal der NSDAP beigetreten war, wurde er zur Wehrmacht eingezogen und fiel 1944. Seine Witwe äußerte sich nie politisch und war nach derzeitigem Wissensstand auch nie Parteimitglied.
Als erste Frau legte Helene Kitschelt-Buchwieser – wie sie damals hieß - 1940 die Baumeisterprüfung ab und erlangte 1945 die Zulassung als Zivilingenieur für Hochbau.
Da sich Dombaumeister Karl Holey zu Kriegsende in Salzburg aufhielt und aufgrund der Zonengrenzen nicht sofort nach Wien zurückreisen konnte, spielte Helene Kitschelt-Buchwieser bei den Sicherungs- und Wiederaufbauarbeiten nach dem Dombrand eine wesentliche Rolle. Aufgrund der Expertise für historische Sakralbauten wurde die Firma Buchwieser mit den Renovierungsarbeiten beauftragt. Während ihr Bruder, ein ausgebildeter Jurist und Wirtschaftswissenschaftler, organisierend tätig war, hatte Helene interimistisch die Bauleitung inne. Als Holey im Herbst 1945 nach seiner Rückkehr nach Wien in seiner Funktion als Dombaumeister die Bauleitung übernahm, wurde Helene Kitschelt-Buchwieser entlassen.
Ein Stipendium der UNRRA (Hilfs- und Wiederaufbauverwaltung der Vereinten Nationen) ermöglichte der Architektin 1946/1947 einen Studienaufenthalt in den USA, bei dem sie neue Wohnungs- und Siedlungsbauweisen kennenlernte.
Nach der Heirat mit dem Beamten Josef Koller (1947) führte sie den Namen Koller-Buchwieser. 1948 trat sie aus dem Familienbetrieb aus und machte sich mit einem eigenen Architekturbüro selbständig. Nach wie vor gehörten Restaurierungen und Neu- bzw. Erweiterungsbauten von Kirchen und Klöstern zum Portfolio, doch auch zahlreiche Entwürfe für den öffentlichen und den privaten Wohnbau stammen von Helene Koller-Buchwieser. Ab 1952 war sie außerdem gerichtlich beeidete Sachverständige und Schätzmeisterin und von 1975 bis 1993 Prüforgan für geförderte Bauvorhaben beim Amt der Wiener Landesregierung.
In den 1970er-Jahre realisierte sie im Auftrag des Erzbistums Ouagadougou in Burkina Faso (damals Obervolta) Kirchen- und Gemeinschaftsbauten.
Projekte in Wien (Auswahl)
- Beginn des Wiederaufbaues Stephansdomes (1945)
- Instandsetzung der Pfarrkirche St. Leopold (1947)
- Neumargaretener Kirche (1950, gemeinsam mit Hans Steineder)
- Wipplingerstraße 14 (1955)
- Instandsetzung der Karmeliterkirche, Stefan-Fadinger-Platz (1957)
- Klosterkirche St. Josef, Quellenstraße (1961/1962)
- Hotel Tigra Tiefer Graben 14 (1969)
Literatur
- Ute Georgeacopol-Winischhofer: "Koller-Buchwieser, Helene, geb. Buchwieser". In: Brigitta Keintzel (Hrsg.): Wissenschafterinnen in und aus Österreich. Leben - Werk - Wirken. Wien: Böhlau 2002, S. 396-399
- Ingrid Holzschuh / Sabine Plakolm-Forsthuber [Hrsg.]: Pionierinnen der Wiener Architektur. Basel: Birkhäuser 2022
- Christina Zeßner-Spitzenberg: Der Beitrag der Architektin Helene Koller-Buchwieser zum Wohnbau der Nachkriegsmoderne in Österreich. Masterarbeit, Univ. Wien 2022