Josef Weidinger
Josef ("Joschi") Weidinger, * 25. April 1923 Wien, † 26. Juni 2002 Wien, Boxer, Europameister im Schwergewicht 1950.
Biografie
Der Ottakringer Josef Weidinger begann seine Karriere als Boxer beim "Box Klub Schwarz-Weiß".[1] Bereits 1939 wurde er mit 16 Jahren "Ostmarkmeister“ im Schwergewicht. In der Zeit des Nationalsozialismus war Josef Weidinger spätestens ab April 1942 Soldat der Wehrmacht, nahm als Amateurboxer aber auch an zahlreichen Kämpfen etwa in Wien, Magdeburg oder Krakau teil. Die "Österreichische Zeitung" vom 7. September 1945 berichtete über die Rückkehr Weidingers nach Wien und erwähnte, dass er wegen Zersetzung der Wehrkraft einer Strafkompanie zugeteilt gewesen war. Dafür konnten allerdings keine weiteren Belege gefunden werden.
Der berühmte Boxer Ernst Weiss erkannte das Potential des Athleten und wurde nach dem Zweiten Weltkrieg für mehrere Jahre Manager des nunmehrigen Profiboxers. In seiner Zeit als Profi in den Jahren 1946 bis 1951 Zeit bestritt Weidinger 46 Kämpfe, von denen er 31 gewann und einer mit Remis endete. Ab 1946 nahm er an internationalen Bewerben in Frankreich und Dänemark teil. Nach einem Managerwechsel zu Gaston Charles Raymond erreichte Weidinger im Herbst 1947 als Außenseiter einen Sensationserfolg im europäischen Schwergewichtsturnier in Brüssel und führte in den darauffolgenden Monaten die Ranglisten als "bester Europäer". Als neue "weiße Hoffnung" reiste Weidinger 1948 und 1949 durch die Vereinigten Staaten von Amerika, wo er vom berühmten Ex-Weltmeister Jack Dempsey gemanagt wurde. Weidinger gewann vier von acht Kämpfen, bevor er aufgrund einer schweren Verletzung 1949 als Nummer 8 der Weltrangliste gegen den Weltranglisten-Dritten Lee Oma nach Punkten knapp verlor. Um seine internationale Karriere zu befördern, verpasste sich Weidinger ein neues Image: Er trat mit dem nicht Deutsch klingenden Namen "Jo Weidin" oder "Joe Weidin" bei Bewerben an, gab sich als Jude aus, behauptete, dass sein Vater von Nationalsozialisten ermordet worden war und er selbst mehrere Konzentrationslager überlebt habe. Nichts davon entsprach den Tatsachen. Auf der Website BoxRec wird Joschi Weidinger alias "Jo Weidin" noch heute [Stand: 25.07.2024] in der Kategorie "Jewish Boxers" gelistet.
Zurück in Europa gewann er am 3. Juni 1950 vor 35.000 Zuschauern im ausverkauften Praterstadion einen Punktesieg über den französisch-polnischen Boxer Stefan Olek. Mit dem Sieg errang er nicht nur den Europameistertitel im Schwergewicht, sondern auch den dritten Platz in der Weltrangliste. Dieser Wettkampf markierte den Höhepunkt seiner Karriere. Gleichzeitig handelte es sich um die erste Großveranstaltung in Wien nach dem Krieg. 1951 verlor Weidinger den Titel an den Briten Jack Gardner. Wenige Monate nach einer Niederlage gegen den deutschen Boxer Hein ten Hoff 1952 beendete Weidinger seine Karriere aufgrund einer Augenverletzung. Weidinger wurde insgesamt viermal wegen Netzhautablösung nach Fremdeinwirkung operiert. Auf dem rechten Auge erblindete er.
Nach seiner Karriere als Boxer führte Weidinger von 1951 bis 1955 ein Textilgeschäft. Für einige Zeit war er Vorstandsmitglied des Sportklubs Rapid, trennte sich jedoch bald wieder im Streit vom Verein, da er dessen Trainingsmethoden zur Steigerung der Fitness für veraltet hielt. Weidinger war Präsident des Österreichischen Berufsboxverbandes und Vizepräsident des World Boxing Councils (WBC). Aufgrund massiver gesundheitlicher Probleme durch das Boxen distanzierte er sich in späteren Jahren von diesem Sport. Von 1956 bis zu seiner Pensionierung arbeitete Weidinger als Angestellter bei der Casino AG im Spielcasino Baden. Eine Verbindung zum Café Weidinger in Ottakring besteht nicht.
Quellen
- ANNO: Schwergewichtsmeister Josef Weidinger (…). In: Kleine Volks-Zeitung, 16.04.1942, S. 9
- ANNO: Josef Weidinger (…). In: Illustrierte Kronen Zeitung, 13.07.1942, S. 5
- ANNO: Neun Mann hoch nach Magdeburg. In: Das kleine Volksblatt, 25.07.1942
- ANNO: Joschi Weidinger wieder in Wien. In: Österreichische Zeitung, 07.09.1945, S. 4
- Joschi Weidinger: Schatten der Vergangenheit. In: Neues Österreich, 30.03.1949
Literatur
- Matthias Marschik, Georg Spitaler [Hg.]: Helden und Idole. Sportstars in Österreich. Innsbruck 2006, S. 230-237
- Ernst Bruckmüller [Hg.]: Personen Lexikon Österreich. Wien 2001
- "Goldener Rathausmann" für Joschi Weidinger. In: Rathauskorrespondenz, 19.06.2000 [Stand: 25.07.2024]
- Matthias Marschik: Vom Idealismus zur Identität. Der Beitrag des Sportes zum Nationsbewußtsein in Österreich (1945–1950). Wien 1999, S. 90–139
- Website BoxRec: Jo Weidin, dort mit Hinweis auf einen Artikel im Cincinnati Enquirer, 17.10.1948 [Stand: 25.07.2024]
- Faustkämpferverband – Austria: Josef Weidinger [Stand: 25.07.2024]
- Wikipedia (englisch): Jo Weidin [Stand: 24.07.2024]
Einzelnachweise
- ↑ Der Verein "Box Klub Schwarz-Weiss" wurde 1934 gegründet. Ende 1939 wurde der Verein aufgelöst und in die Reichsbahn-Sportgemeinschaft eingegliedert (WStLA, M.Abt. 119, A32: 7696/1934).