Boxsport

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Plakat zu einer Boxveranstaltung (um 1950)
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In der Antike fanden bereits 3000 vor Christus die ersten nachgewiesenen Faustkämpfe in Ägypten statt. Von den Griechen wurde der Faustkampf bei den 23. Olympischen Spielen (688 vor Christus) eingeführt und bei den Römern wurde mit dem Schlagring "C(a)estus" zugeschlagen (Latein caedere bedeutet zuschlagen). Im Mittelalter und in der frühen Neuzeit wurde dem Faustkampf keine besondere Bedeutung zugemessen. Die Reglementierung des modernen Boxsportes geht auf Jack Broughton (1750) zurück und wurde vom Marquis of Queensberry redigiert (1875).

Schwergewichtskampf zwischen dem Wiener Josef Weidinger und Francis Jacques aus Frankreich in der Freilichtarena auf dem Vogelweidplatz (13. Juni 1948)
Boxkampf zwischen Josef Weidinger und Francis Jacques, Weidinger siegt durch K.O. (13. Juni 1948)
Boxkampf am Wiener Heumarkt (17. Juni 1949)

Anfänge des Boxsports in Wien

Wien galt schon seit der Jahrhundertwende als "Stadt der starken Männer", was sich allerdings in erster Linie auf Gewichtheber bezog.[1] Der Boxsport erreichte, von England ausgehend, zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch Österreich, war aber wegen seiner Konnotation zum Berufssport zunächst verpönt.

Die erste Boxsektion in Wien wurde 1908 in dem von der Wiener bürgerlichen Gesellschaft frequentierten „Wiener Athletiksport-Club" (WAC) gegründet. Bis 1919 waren öffentliche Boxkämpfe polizeilich verboten, sodass nur bei Veranstaltungen mit geladenen Gästen geboxt werden konnte. Klubkämpfe gab es nur vereinzelt. Anfang 1910 fand der erste „große" Kampfabend im Klublokal des WAC statt. Erst 1911, als mit internationaler Besetzung ein neuerliches Turnier stattfand (Ringrichter war der junge Medizinstudent Richard Strauß), nahm auch die Sportpresse vom Boxsport Notiz. Der damals boxende dänische Meister Waldemar Holberg begeisterte nicht nur die Zuschauer, sondern ließ sich nach Ende seiner Boxkarriere in Wien nieder, um als Boxtrainer zu arbeiten und am Aufbau des heimischen Boxsports mitzuwirken.

Boxsport in der Zwischenkriegszeit

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs bemühte man sich um den Aufbau des Berufs- und Amateur-Boxens. Maßgeblich beteiligt daran waren Berufskämpfer wie August Kudernatsch, der in englischer Kriegsgefangenschaft das Boxen erlernt hatte und nun in Wien zu etablieren versuchte. Am 6. Juni 1919 fand in Wien im Rahmen des Sportfests der Volkswehr die erste öffentliche Boxkampfveranstaltung statt, am 8. Juni 1919 erteilte die Polizei die Erlaubnis zum ersten Berufsboxmeeting (veranstaltet im "Auge Gottes", 9., Nußdorfer Straße), weitere Boxkämpfe folgten.

Der erste Versuch, einen österreichischen Boxverband zu gründen, erfolgte im März 1920. Im Café Dom kam es zur Konstituierung, Präsident wurde Willi Kurtz, sein Stellvertreter Dr. Stern (WAC), Schriftführer Wilhelm Hager (Volkswehr), Kassier Willi Fuchs (Boxclub Iron), Beiräte Dr. Richard Strauß (WAC) und Kosterschitz (Polizei SV). Hauptziel war es, die Bedenken der Polizei gegenüber dem Boxsport auszuräumen.[2] Außerdem bemühte man sich, die damals geltenden 50% Lustbarkeitssteuer auf Boxveranstaltungen aufzuheben, da diese sowohl bei Amateur- als auch Profikämpfen abzuführen war und sich massiv negativ auf die Finanzierung von Boxveranstaltungen auswirkte. Bereits am 10. November 1920 wurde der österreichische Boxverband mangels Aktivitäten wieder aufgelöst.

Am 7. Mai 1921 wurde der Österreichische Amateur-Box-Verband (ÖABV) gegründet, wo Richard Strauß und Dr. Stern ebenfalls im Vorstand tätig waren. 1921 fanden die ersten Staatsmeisterschaften statt. Immer wieder erlassene Verbote gegen Boxveranstaltungen durch die Polizeidirektion erschwerten jedoch einen nachhaltigen Aufschwung des Boxsports.[3] Am 1. Mai 1924 führte das Auftreten des Weltmeisters Georges Carpentier im Rahmen des ersten großen internationalen Boxmeetings auf der Hohen Warte (19.) zu einer verstärkten Boxbegeisterung, doch schon am 13. Juni 1924 wurden öffentliche Profi-Boxkämpfe durch Bürgermeister Karl Seitz und Polizeipräsident Schober neuerlich verboten. Nach andauernden internationalen Protesten wurde in dem am 1. Jänner 1929 in Kraft tretenden Theatergesetz die Überwachung von Boxmeetings dem Magistrat übertragen. Boxen konnte sich sowohl als Amateur- als auch als Profisport zunehmend etablieren.

1929 wurde der "Berufs-Boxverband" gegründet. 1929 bis 1938 erlebten die Professionals ihre erste große Blütezeit. Poldi Steinbach wurde 1931 Europameister im Mittelgewicht, Heinz Lazek 1935 und 1938 Europameister im Halbschwer- und Schwergewicht, Ernst Weiss 1936 Europameister im Fliegengewicht.

Boxsport nach 1945

Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es zu einem regelrechten Boom im Boxsport. Verantwortlich dafür waren unter anderem die zahlreichen Boxschulen wie etwa die von Karl Blaho, der seine Schule im ausgebombten Dianabad errichtet hatte und in der auch Ernst Weiss seine Schützlinge trainierte. Auch die meisten Allround- und Fußballvereine nahmen den Boxsport wieder in ihr Programm auf. Mehrmals in der Woche fanden nun Boxveranstaltungen statt.

Der Amateurboxsport blühte nicht zuletzt durch die Aktivitäten des 1945 gegründeten „Österreichischen Amateur-Boxverband“ auf. Seit 1946 wurden Österreichische Staatsmeisterschaften durchgeführt. Der Wiener Leo Potesil errang 1957 in Prag die Silbermedaille bei der Amateureuropameisterschaft, der Wiener Anton Schnedl 1965 in Ostberlin einen dritten Platz im Halbmittelgewicht.

Immer wieder Kritik gab es am Verband der Berufsboxer. Die fehlenden finanziellen Mittel erlaubten es kaum, Boxer von internationalem Ruf nach Wien zu holen. Ausnahmetalente wie der aufstrebende Boxer Joschi Weidinger füllten dennoch die Veranstaltungshallen. Sein Boxkampf gegen Stefan Olek vor 35.000 Zuschauern im ausverkauften Praterstadion war die erste Großveranstaltung im Wien der Nachkriegszeit. Dieses Sportereignis markierte einen Höhepunkt, aber auch Wendepunkt der Boxeuphorie in Wien. Die mangelnden beruflichen Perspektiven der Profiboxer führten zu deren Abwanderung ins Ausland und ohne Vorbilder ließ auch das Interesse der Amateure nach.

Dennoch waren immer wieder Erfolge zu feiern. Als Mitte der 1950er Jahre die Glanzzeit Weidingers und Kurt Schiegls vorbei war, wurde bei den Veranstaltungen in der Stadthalle der ungarische Olympiasieger und Wahlwiener Lászlo Papp, der 1957 bis 1964 als Berufsboxer mit einer österreichischen Lizenz in Wien kämpfte, besonders populär. In den 1960er Jahren errang der Wiener Hans Orsolics zwei Europameistertitel, der Wiener Franz Dorfer errang 1974 bei der Europameisterschaft in Kattowitz eine Bronzemedaille. Der Kärntner Josef "Jo Tiger" Pachler wurde 1978 in Liegen durch Disqualifikation seines Gegners zum Champion im Weltergewicht.

Ein Wiederaufleben der Boxbegeisterung ist seit dem Beginn des 21. Jahrhunderts merkbar. Auch das Frauenboxen, das seit der Zwischenkriegszeit in Wien nachweisbar ist, hat seitdem an gesellschaftlicher Akzeptanz zugenommen.

Liste bekannter Boxer

  • Karl Blaho, 1940 Europameister im Leichtgewicht
  • August Kudernatsch, maßgeblich am Aufbau des Boxsports in Österreich beteiligt, mehrfacher Österreichischer Meister
  • Wilhelm Kurtz, mehrmaliger Staatsmeister, ermordet in Auschwitz 1942
  • Heinz Lazek, mehrmaliger Staatsmeister, 1940 Deutscher Meister im Schwergewicht
  • Hans Orsolics, 1967 Europameister im Halbweltergewicht, 1969 Europameister im Weltergewicht
  • Edip Sekowitsch, 1988 WAA-Weltmeister im Halbmittelgewicht, 1989 Europameister im Halbmittelgewicht
  • Leopold Steinbach, 1931 Europameister im Mittelgewicht
  • Josef Weidinger, 1950 Europameister im Schwergewicht
  • Ernst Weiss, erfolgreichster österreichischer Boxer, 1936 Europameister im Fliegen-, 1939 im Bantam- und 1941 im Federgewicht

Boxbewerbe

siehe: Bewerbe (Boxsport)

Wiener Boxklubs

siehe: Wiener Boxklubs

Literatur

  • Bernhard Hachleitner / Matthias Marschik / Georg Spitaler [Hg.]: Sportfunktionäre und jüdische Differenz. Zwischen Anerkennung und Antisemitismus − Wien 1918 bis 1938. Berlin: de Gruyter 2019
  • Wolfgang Paterno: Faust und Geist. Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen. Wien: Böhlau Verlag 2018
  • Matthias Marschik: Vom Idealismus zur Identität. Der Beitrag des Sportes zum Nationsbewußtsein in Österreich (1945-1950). Wien: Turia + Kant 1999, S. 90-139
  • Katrin Schneider: Zur soziokulturellen Entwicklung des Boxsports in Österreich. Dipl.-Arb. Univ. Wien. Wien 1998
  • Wilhelm Svoboda: Es lebe der Sport! Beiträge zu einer Geschichte des Wiener Sports. Boxen - Landhockey - Rudern - Tennis. Wien: Stadt- und Landesarchiv 1990 (Veröffentlichungen des Wiener Stadt- und Landesarchivs, Reihe B: Ausstellungskataloge, 29), S. 5 ff.
  • 50 Jahre Österreichischer Amateur-Boxverband. Graz 1971
  • Tony Eichholzer und Hans Huber: Modernes Boxen. Eine Schule des Boxsports. Wien: Globus-Verlag 1949
  • Boxsport Almanach. Illustriertes Jahrbuch für den Boxsport. Wien 1922

Einzelnachweise

  1. Matthias Marschik: Vom Idealismus zur Identität. Der Beitrag des Sportes zum Nationsbewußtsein in Österreich (1945-1950). Wien 1999, S. 90
  2. Katrin Schneider: Zur soziokulturellen Entwicklung des Boxsports in Österreich. Dipl.-Arb. Univ. Wien. Wien 1998, S. 67 f.
  3. Der Verband österreichischer Faustkämpfer bekämpfte im Feber 1924 das Verbot zur Abhaltung von Profi-Boxkämpfen durch eine umfassende Stellungnahme, siehe Die Stunde, 24.2.1924, S. 10