Konrad Lorenz
- Direktor des Max Planck-Instituts für Verhaltensforschung (1961 bis 1973)
Lorenz Konrad Zacharias, * 7. November 1903 Wien, † 27. Februar 1989 Wien (Friedhof Andrä-Wördern, Niederösterreich), Verhaltensforscher, Zoologe (Begründer der modernen Verhaltensforschung), Gattin Margarete, Sohn des Orthopäden Adolf Lorenz.
Biografie
Studierte 1922-1928 an den Universitäten New York und Wien Medizin (Dr. med. univ. 1928) und 1928-1933 Zoologie (Dr. phil. 1933). 1928-1935 war Lorenz Assistent am II. Anatomischen Institut der Universität Wien, 1937 habilitierte er sich an der Universität Wien für vergleichende Anatomie und Tierpsychologie, 1938 war er Mitbegründer der „Zeitschrift für Tierpsychologie" (ab 1986 „Ethology"). 1940 wurde Lorenz ordentlicher Professor für Psychologie und Leiter des Instituts für Psychologie an der Universität Königsberg (Ostpreußen), 1941-1944 war er Militärarzt (1944-1948 sowjetrussische Kriegsgefangenschaft).
In der Zeit der NS-Herrschaft ließ Lorenz eine deutliche Nähe zu nationalsozialistischem Gedankengut erkennen. Als Militärarzt in Posen nahm er 1942 an rassenkundlichen "Studien" an "deutsch-polnischen Mischlingen" teil. In Aufsätzen aus dieser Zeit setzte er sich unter anderem für die "Ausmerzung ethisch Minderwertiger" ein und bewertete den "rassische[n] Gedanken als Grundlage unserer Staatsform" als positiv. Teilweise behielt Lorenz die Diktion, derer er sich in der NS-Diktatur bedient hatte, auch nach 1945 bei, indem er etwa 1973 in seinen "Acht Todsünden der zivilisierten Menschheit" Menschen, bei denen seiner Meinung nach keine Reifung "sozialer Verhaltensnormen" stattgefunden hätte, als "Parasiten der Gesellschaft" bezeichnete und sie mit "bösartigen Tumoren" verglich. Die seiner Meinung nach steigende Jugendkriminalität sah er als Zeichen eines "genetischen Verfalls". 1988 bekundete er "eine gewisse Sympathie für Aids" als "Mittel" gegen die weltweite "Überbevölkerung".
1949 gründete er die Station für vergleichende Verhaltensforschung in Altenberg bei Greifenstein an der Donau (Niederösterreich), 1951 wurde er Leiter des Max-Planck-Instituts für Verhaltensphysiologie in Buldern/Westfalen und 1961-1973 des Instituts in Seewiesen (Bayern). 1973 kehrte er nach Österreich zurück und übernahm bis 1982 die Leitung der Abteilung für Tiersoziologie des Instituts für vergleichende Verhaltensforschung der Akademie der Wissenschaften in Grünau am Almsee, anschließend bis 1989 die Leitung der Forschungsstelle für Ethologie. Lorenz hat unter anderem an Dohlen, Kolkraben und (den sein wissenschaftliches Werk dominierenden) Graugänsen Instinktverhalten und Ausdrucksbewegung, Sexual- und Aggressionsverhalten studiert.
Er engagierte sich auch in der Österreichischen Ökologie- und (1978) in der Anti-Atom-Bewegung; er gehörte zu den aus wissenschaftlichen Erkenntnissen überzeugten Verfechtern des Umweltschutzes. Zahlreiche wissenschaftliche Veröffentlichungen (darunter Das sogenannte Böse, 1963; Über tierisches und menschliches Verhalten, 1965; Die acht Todsünden der zivilisierten Menschheit, 1973; Der Abbau des Menschlichen, 1983).
Nobelpreis für Medizin (1973; geteilt mit Karl von Frisch und Nikolaus Tinbergen, Niederlande); Preis der Stadt Wien für Naturwissenschaften (1959), Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse (1964), Ehrenmedaille in Gold (1969), Paracelsus-Ring Villach (1973), Ehrenbürger von Wien (18. Februar 1983) und andere Auszeichnungen; Ehrendoktorate (Leeds, Basel, Yale, Oxford, Chicago, Durham, Birmingham, Universität für Veterinärwissenschaften Wien). 2015 widerrief die Universität Salzburg aufgrund des Engagements von Konrad Lorenz im NS-Regime das Ehrendoktorat.
Konrad-Lorenz-Institut (Beschäftigung mit vergleichender Verhaltensforschung).
Literatur
- Robert Teichl: Österreicher der Gegenwart. Lexikon schöpferischer und schaffender Zeitgenossen. Wien: Verlag der Österreichischen Staatsdruckerei 1951
- Isabella Ackerl / Friedrich Weissensteiner: Österreichisches Personenlexikon der Ersten und Zweiten Republik, Wien: Ueberreuter 1992
- Alec Nisbett: Konrad Lorenz. London: Dent 1976
- Max Amberg: Konrad Lorenz. Verhaltensforscher, Philosoph, Naturschützer. Greven: Kilda-Verlag 1977
- Antal Festetics: Konrad Lorenz. Aus der Welt des großen Naturforschers. München [u.a.]: Piper 1983
- Franz M. Wuketits: Konrad Lorenz. Leben und Werk eines großen Naturforschers. München [u.a.]: Piper 1990
- Alfons Schanse: Evolutionäre Erkenntnistheorie und biologische Kulturtheorie. Konrad Lorenz unter Ideologieverdacht. Würzburg 2005
- Klaus Taschwer/Benedikt Föger: Konrad Lorenz. Biographie. Wien: Zsolnay 2003
- Benedikt Föger/Klaus Taschwer: Die andere Seite des Spiegels. Konrad Lorenz und der Nationalsozialismus. Wien: Czernin 2001
- Österreichische Akademie der Wissenschaften: Almanach. Band 139. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 1989, S.239 ff.
- Lorenz und die Folgen. Tierpsychologie, Verhaltensforschung, physiologische Psychologie. In: Roger Alfred Stamm / Hans Zeier [Hg.]: Die Psychologie des 20. Jahrhunderts. Band 6. Zürich: Kindler 1978
- Karl Hermann Spitzy: Laudatio anläßlich der Verleihung der Ehrenmitgliedschaft an Nobelpreisträger Hrn. Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Konrad Lorenz. In: Arzneimittelpraxis 14 (1984), S. 551 f.
- Österreichische Ärztezeitung. Organ der Österreichischen Ärztekammer 44 (1989), S. 21
- Hanns Jäger-Sunstenau: Die Ehrenbürger und Bürger ehrenhalber der Stadt Wien. Wien: Deuticke 1992 (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte, 23), S. 78
- Rendezvous Wien. Vierteljahreszeitschrift für Freunde Wiens in aller Welt. Wien: Wiener Tourismusverband 3/1984, S. 20 ff.
- Profil, 06.03.1989, S. 75 ff.
- Wiener Zeitung, 14.10.1983
- Standard, 01.03.1989
- Wochenpresse, 31.01.1984, S. 4
- Uni Salzburg widerruft Ehrendoktorat für Konrad Lorenz. In: derStandard.at, 17.12.2015