Kriminaljustizsenat
Der Kriminaljustizsenat (Senat in judicialibus criminalibus) war einer der drei 1783 im Zuge der Magistratsreform Josephs II. eingerichteten Senate der städtischen Verwaltung, der einem der beiden Vizebürgermeister unterstand (der andere leitete den Ziviljustizsenat). Sein Sitz befand sich in der Alservorstadt. Der Kriminaljustizsenat wurde 1841 in Kriminalgericht umbenannt.
Reform Joseph II.
Im August 1783 wurde in Folge einer neuer Gerichtsordnung Josephs II. mit Wirksamkeit 1. November auch die Organisation des Wiener Magistrats neu geregelt. Für die Strafgerichtsbarkeit wurde an Stelle des Stadt- und Landgerichts ein neu geschaffener Kriminalsenat (in judicialibus criminalibus) des Magistrats mit zwölf Räten und drei Sekretären zuständig.
1841 änderte sich seine Bezeichnung in Kriminalgericht der k.k. Haupt- und Residenzstadt Wien. Die Leitung des Senats oblag einem Vizebürgermeister, dieser unterstand in dieser Funktion bis 1841 dem Bürgermeister. Der Einfluss des Bürgermeisters war jedoch auch danach durch seine Funktion als Patrimonialherr gegeben. Der Kriminalsenat entschied grundsätzlich in Mindestbesetzung (Fünfersenat) ohne Beisitzer, nur bei besonders schweren Verbrechen in voller Ratsversammlung. Mit der Aufhebung des Untertänigkeitsverbandes am 7. September 1848 endeten die obrigkeitlichen Jurisdiktionsrechte des Magistrats. Mit kaiserlicher Entschließung vom 14. Juni 1849 (RGBl 278) wurden die Grundzüge der neuen Gerichtsverfassung genehmigt. Die Übergabe der Geschäfte an die staatlichen Gerichte, die ihre Arbeit mit 1. Juni 1950 aufnahmen, beaufsichtigten am 16. Juni 1849 eingesetzte Landeskommissionen.
Gerichtsorganisation
Am 1. Mai 1781 wurde unter Joseph II. eine neue Allgemeine Gerichtsordnung erlassen. Eine Änderung der Gerichtsorganisation musste folgen, da die Allgemeine Gerichtsordnung drei Instanzen vorsah. 1782 wurde die erstinstanzliche gerichtliche Zuständigkeit in Wien auf zwei Gerichtsstände beschränkt: das Landrecht für Adelige, das magistratische Gericht und die Patrimonialgerichte für nichtadelige Personen (gewisse Ausnahmen: Militärgerichtsbarkeit, Merkantilgericht). Als 2. Instanz wurde ein Appellationsgericht für Österreich ob und unter der Enns eingerichtet (Ausnahme: kaiserlicher Reichshofrat, kaiserliche Reichskanzlei), als 3. Instanz bestand die Oberste Justizstelle. Diese in der josephinischen Zeit geschaffene Gerichtsorganisation blieb im Wesentlichen bis 1848 erhalten.
Zuständigkeiten
Die Kompetenz des Wiener Stadt- und Landrichters (bis 1783) hatte sich örtlich auf den Bereich des Burgfriedens beschränkt. „Durchlöchert wurde diese Zuständigkeit im Bereich der „niederen Gerichtsbarkeit vor allem durch rechtliche Befugnisse der Patrimonialen Herrschaften, die außerhalb des Burgfriedens lagen.
Im Jahr 1787 fielen nun wichtige Entscheidungen hinsichtlich der Normierung des Strafrechts bezüglich Kriminalstrafen und politischen Verbrechen: Das Kriminalprivileg der niederösterreichischen Stände wurde aufgehoben. Der Jurisdiktionsbereich des Magistratischen Kriminalsenats erstreckte sich auf die Stadt samt Vorstädten innerhalb der Linie. Dazu übernahm er die Zuständigkeit für die landesfürstlichen Beamten, die landständischen Mitglieder, die Personen geistlichen Standes, die immatrikulierten Mitglieder der inländischen Universitäten, sowie für die Verbrechen des Hochverrats, der Verfälschung öffentlicher Kreditpapiere und der Münze in Niederösterreich. Am 1. August 1788 trat die neue Kriminalgerichtsordnung (Strafprozessordnung hinsichtlich der Kriminalverbrechen) in Kraft.
1789 wurde dem Magistrat die Verurteilung der Untertanen der k.k. Staatsherrschaft Purkersdorf (Landgericht Purkersdorf) übertragen. 1807 folgte die Jurisdiktion über Fünfhaus, Sechshaus und Währing (Herrschaft Barnabiten),1808 musste der Magistrat auch die Strafgerichtsbarkeit über die Untertanen der Stiftherrschaft Klosterneuburg übernehmen, 1809 über Traiskirchen, in weiterer Folge über die Landgerichte Jedlersdorf und Ebersdorf, 1820 über die Herrschaft St. Veit, 1822 folgte Leopoldsdorf.
Ab 1803 schritt der Wiener Magistrat in seinem örtlichen Wirkungsbereich sowohl bei Verbrechen als auch bei "schweren Polizeiübertretungen" ein. 1806 wurde die Zuständigkeit der "minderen" Delikte (heutige Verwaltungsübertretungen) jedoch der neu gegründeten Wiener Polizei übertragen, ansonsten verblieben sie meist in der Kompetenz des politisch-ökonomischen Senats. 1847 kam es zur Schaffung einer eigenen Senatsabteilung für schwere Polizeiübertretungen.
Das Kriminalgericht befand sich in der Schranne in Wien 1., Hoher Markt 5. 1839 übersiedelte es in das neue Gebäude ("graues Haus") auf der bürgerlichen Schießstätte in der Alservorstadt (8., Landesgerichtsstraße 7-9).
Quelle
Literatur
- Josef Pauser: Verfassung und Verwaltung der Stadt Wien, in: Karl Vocelka / Anita Traninger [Hg.]: Die frühneuzeitliche Residenz (16. bis 18. Jahrhundert) (Peter Csendes / Ferdinand Opll [Hg.]: Wien. Geschichte einer Stadt. Band 2), Wien/Köln/Weimar: 2003, S. 80–86