Ziviljustizsenat
Der Ziviljustizsenat ist ein durch die Magistratsreform Josephs II. 1783 geschaffener Senat (in judicialibus civilibus), der bis 1848 bestand und danach durch Einrichtungen des staatlichen Gerichtswesens ersetzt wurde. Er wurde durch einen Vizebürgermeister geleitet und hatte seinen Sitz in der Schranne am Hohen Markt.
Reform unter Joseph II.
Am 1. Mai 1781 wurde unter Kaiser Joseph II. eine neue Allgemeine Gerichtsordnung erlassen, die teilweise bis zu den Reformen am Ende des 19. Jahrhunderts in Kraft blieb. Es folgte eine Änderung der Gerichtsorganisation, da die Allgemeine Gerichtsordnung als Neuerung drei Instanzen vorsah. Mit Patent vom 11. April 1782 wurde die erstinstanzliche gerichtliche Zuständigkeit der Niederösterreichischen Regierung teils dem Niederösterreichisches LandrechtNiederösterreichischem Landrecht (für Adelige, Untertanen des Osmanischen Reichs), teils den Patrimonialgerichten beziehungsweise Magistraten übertragen.
Im August 1783 wurde mit Wirksamkeit vom 1. November die Organisation des Wiener Magistrats neu geregelt: statt Stadtanwalt, Stadtrat und Stadtrichter wurde der Magistrat der Stadt Wien eingerichtet, geteilt in drei Senate: Der Politisch-ökonomischer Senat (Senat in publico-politicis et oeconomicis) besorgte die Verwaltung, der Ziviljustizsenat (Senat in judicialibus civilibus) war zuständig für Streitsachen und Außerstreitsachen und der Kriminaljustizsenat (Senat in judicialibus criminalibus) für die Kriminalgerichtsbarkeit. Die beiden letzteren waren dem Niederösterreichischen Appellationsgericht untergeordnet, Vorsitzende der beiden Senate war jeweils ein Vizebürgermeister.
Magistratisches Zivilgericht
Der Ziviljustizsenat, später Magistratisches Zivilgericht genannt, war mit 18 Räten und sechs Sekretären ausgestattet. Die geltenden Zuständigkeitsnormen wurden in der Jurisdiktionsnorm für Niederösterreich vom 27. September 1783 und einem Hofdekret vom 21. August 1788 zusammengefasst (JGS 192, 879): Der Magistrat war dort, wo er die Ortsobrigkeit besaß, für Streit- und Außerstreitsachen zuständig. Ausnahmen betrafen das Niederösterreichische Landrecht (Adelige), das Merkantil- und Wechselgericht, das Obersthofmarschallische Gericht (Hofbedienstete und fremde Gesandte inklusive Gesandtschaftspersonal), Militärgerichte und das Berggericht. Alle anderen Sondergerichte (zum Beispiel Universität) wurden aufgehoben. Einschränkungen betrafen weiterhin die ´Verlassenschaftsabhandlungen, die Vormundschaftssachen und Grundbuchsgeschäfte sowie gewisse Streitsachen, für die bis 1848/1850 die jeweilige Grundobrigkeit auf Wiener Boden zuständig blieb.
1849 wurde die bestehende Gerichtsorganisation außer Kraft gesetzt und in Wien durch die neuen Bezirksgerichte sowie Landesgericht für Strafsachen und Landesgericht für Zivilrechtssachen ersetzt.
Quelle
Literatur
- Josef Pauser: Verfassung und Verwaltung der Stadt Wien, in: Karl Vocelka / Anita Traninger [Hg.]: Die frühneuzeitliche Residenz (16. bis 18. Jahrhundert) (Wien. Geschichte einer Stadt, 2), Wien/Köln/Weimar: 2003, S. 80–86