Marianne Mislap-Kapper, * 3. Oktober 1900 Wien, † 4. April 1978 London (Großbritannien), Sängerin.
Biografie
Herkunft und frühe Jahre
Marianne Caroline Mislap-Kapper war die Tochter von Edmund Kapper, einem Bankprokuristen beim Wiener Bankverein und der Pianistin, Komponistin und Klavierlehrerin Ida Mikulasch. Marianne Kapper besuchte das Mädchen-Lyzeum am Kohlmarkt, über ihre musikalische Ausbildung ist wenig bekannt. Nachweisbar ist, dass sie private Gesangstunden von Henny (Henriette) Dima erhielt, einer damals bekannten rumänisch-deutschen Opernsängerin. Marianne Kapper gehörte der gleichen Generation an wie Josefine Stransky und Erika Rokyta, hatte ihre Karriere als Konzertsängerin allerdings früher als die anderen beiden begonnen, nämlich 1921. Ihre ersten Rezensionen datieren aus dem Jahr 1925. Am 30. Mai 1920 heiratete sie Georg Fischer im Stadttempel, das Paar ließ sich allerdings bereits am 2. Mai 1923 wieder scheiden. Spätestens ab 1924 war sie mit Paul Mislap verheiratet und trat unter dem Namen Marianne Mislap-Kapper auf. Paul Mislap wurde 1944 im KZ Auschwitz ermordet.
Zwischenkriegszeit
Marianne Mislap-Kapper war eine sehr angesehene und gern gebuchte Mezzosopranistin und Interpretin österreichischer Kunstmusik in den Zwischenkriegsjahren und spielte als Vermittlerin zeitgenössischer österreichischer Konzertlieder eine besondere Rolle. Sie galt als weltoffen, da sie sich mit einem breiten Spektrum des Liederrepertoires ihrer Gegenwart beschäftigte. 1928 integrierte sie in die Programme ihrer Liederabende im Wiener Konzerthaus Komponisten wie Béla Bartók, Paul Hindemith, Sergej Prokofjew und andere. Zudem verhalf sie vielen jungen österreichischen Komponisten wie Erich Zeisl, Hugo Kauder, Alfons Blümel, Leopold Welleba, Carl Lafite zu ersten Erfolgen und machte sich auch für weibliche österreichische Komponistinnen wie Trude Kandl und Julie Fürst stark. Durch Marianne Mislap-Kapper gelangten allein 1928 Konzertlieder von 14 zeitgenössischen österreichischen Komponisten an die Öffentlichkeit. Bekannt war sie auch dafür, dass sie an ungewöhnlichen Orten wie der Burggartenbühne auftrat oder bei einem Abend, der vom Verein zur Förderung jüdischer Musik veranstaltet wurde und bei dem sie von Wilhelm Grosz für Gesang und Klavier bearbeitete jüdische Volkslieder aufführte. Zudem gab sie unentgeltlich ein Kinderkonzert im "Haus der Kinder" in der Troststraße am 21. Oktober 1931.
Mit Franz Mittler, der auch ihr bevorzugter Klavierbegleiter war, verband sie eine lange und künstlerisch intensive Zusammenarbeit. Im Jahr 1928 veranstalteten sie sechs gemeinsame Konzerte und in vier davon sang sie einige seiner Lieder. Den Beginn ihrer Zusammenarbeit kann man zwischen 1921, dem Jahr von Franz Mittlers Rückkehr nach Wien, und 1925 datieren, dem Jahr ihres ersten dokumentierten gemeinsamen Konzertes im Wiener Konzerthaus. Zwischen Februar 1925 und Mai 1937 haben die beiden alleine im Konzerthaus 19 gemeinsame Abende mit Liedern zahlreicher zeitgenössischer österreichischer Komponisten gestaltet und diesen somit die Möglichkeit geboten, sich im Konzertleben zu etablieren. Franz Mittler widmete ihr auch einige Lieder. Auch als Interpretin seiner "Zigeunerlieder" erachtete er sie als so passend, dass er sie zur Uraufführung dafür auswählte. In der Tagespresse wurde ihr Auftreten regelmäßig und sehr positiv kommentiert. Einer der letzten gemeinsamen Auftritte fand am 10. Jänner 1938 auf Radio Wien in der Sendung "Aus neuem Liedschaffen" statt.
Exil
Die Zusammenarbeit zwischen Marianne Mislap-Kapper und Franz Mittler wurde jäh im März 1938 unterbrochen, als beide aufgrund ihrer jüdischen Abstammung das Land verlassen mussten. Franz Mittler emigrierte mit Zwischenstationen in die USA, Marianne Mislap-Kapper nach Großbritannien. In London war sie Mitglied im Austrian Labour Club und verfolgte ihre Gesangskarriere auch im Exil weiter. 1947 heiratete sie in England Friedrich Johannes Ehrenfest-Egger.
Quellen
- ANNO: Beethoven-Abend im Austrian Labour Club. In: London Information of the Austrian Socialists in Great Britain, Heft 18, 1942, S. 6
- ANNO: Kinder singen Brahms. Gespräch mit Marianne Mislap-Kapper. In: Neues Wiener Journal, 21.10.1931, S. 5
- ANNO: Klavierabend Julie Fürst. In: Wiener Salonblatt, 18.01.1931, S. 10
- ANNO: Vorträge und Vereinsnachrichten. In: Neues Wiener Tagblatt, 05.11.1924, S. 9
- ANNO: Namensverzeichnis der Schülerinnen des Lyzeums. In: Jahresbericht des Mädchen-Lyzeums am Kohlmarkt, 1911, S. 30
Literatur
- Judith Kopecky: 1928: Wien und das zeitgenössische österreichische Konzertlied, Hollitzer Verlag 2023, S. 160–164
- Gerold Gruber: Cluster „The Vocal Oevre of Exil Composers“ [Stand: 11.09.2023]
- biografiA: Ida Mikulasch [Stand: 11.09.2023]
- GENi: Marianne Caroline Ehrenfest-Egger [Stand: 13.09.2023]
- GENi: Paul Mislap [Stand: 13.09.2023]