Otto Tausig
Otto Tausig, * 13. Februar 1922 Wien, † 10. Oktober 2011 Wien, Schauspieler, Regisseur.
Biografie
Otto Tausig stammte aus einer Familie jüdischer Herkunft und war das einzige Kind von Franziska und Aladar Tausig. Nach dem Einmarsch Hitlers kam der damals 16-jährige Otto mit einem Kindertransport nach England; die Eltern konnten nach Shanghai fliehen. Seinen Vater, der dort starb, sah er nie wieder.
Im englischen Exil war er als Land- und Fabrikarbeiter tätig, schloss sich aber schon bald einer Theatergruppe an. Er spielte zu Beginn Frauenrollen, die Daja in Lessings "Nathan der Weise" oder Lady Barthwick in Galsworthys "Silverbox". Später trat er im Austrian Centre beziehungsweise der Jugendorganisation Young Austria (unter anderem in Schillers "Die Räuber") auf und führte selbst Regie.
In seiner Lebensgeschichte "Kasperl, Kummerl, Jud" beschrieb Tausig die Zeit im Internierungslager und erzählte von seinem kommunistischen Engagement, welches ihm damals als einziger Ausweg aus dem Elend und der Armut denkbar schien.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kehrte Tausig nach Wien zurück und studierte Schauspiel am Max Reinhardt Seminar. 1948 ging er ans Neue Theater in der Scala, das sich als linke, revolutionäre Bühne verstand. Hier inszenierte Bertolt Brecht 1953/1954 "Die Mutter" mit Helene Weigel, Ernst Busch und Otto Tausig. Kurz darauf, 1955, inszenierte er selbst Tolstois "Krieg und Frieden" in der Fassung des Avantgarde-Regisseurs Erwin Piscator.
Als die Bühne 1956 geschlossen wurde und es in Wien zu einer "Kommunistenhatz" kam, ging Tausig nach Ost-Berlin. Dort arbeitete er am Deutschen Theater und an der Volksbühne.
Nach Berlin wirkte er an den Städtischen Bühnen Münster, war als Drehbuchautor und Regisseur bei der DEFA aktiv, reüssierte am Schauspielhaus Zürich und kehrte schließlich wieder nach Wien, vorerst ans Theater in der Josefstadt, zurück.
1971 folgte ein Engagement ans Burgtheater, an dem er vor allem in komischen Rollen besetzt wurde: Tausig stand als Nestroys "Zerrissener" und Rostands "Cyrano de Bergerac" auf der Bühne, er übernahm die Rolle des Truffaldino in Goldonis "Der Diener zweier Herren" und mimte Shakespeares "Sommernachtstraum"-Zettel. Tausig gastierte auch in Frankfurt, Köln und München, sein Repertoire war breit und die Rollen höchst unterschiedlich. So spielte er zum Beispiel in Hofmannsthals "Schwierigem", Beaumarchais "Der tolle Tag", Handkes "Ritt über den Bodensee", Sobols "Ghetto", Sartres "Kean" und Schillers "Wallenstein".
Am Wiener Volkstheater sah man ihn unter anderem als wunderlichen Konservatoriumsdirektor in Gert Jonkes "opus 111", als spießigen Obrigkeitsbüttel in Nestroys "Freiheit in Krähwinkel" oder als Schnoferl in "Das Mädel aus der Vorstadt", seiner letzten Rolle auf der Bühne.
Einen Namen als Schauspieler und Regisseur machte sich Otto Tausig auch in Film- und Fernsehproduktionen. So trat er zum Beispiel mit Walter Giller in der TV-Serie "Locker vom Hocker" auf.
1979 war Tausig Mitbegründer des Dario-Fo-Theaters, das in Gemeindehöfen und Werkshallen spielte. Tausig wollte seinem politischen Engagement auch künstlerisch eine Form geben und Theater für jene machen, die nicht den Weg in die "Hochburgen der hehren Kunst" fanden. Sich am Namenspatron Dario Fo orientierend, beschäftigten sich die Stücke der Theatertruppe stets mit aktuellen politischen und sozialen Problemen.
Neben den kulturpolitischen Initiativen und der eigenen künstlerischen Arbeit engagierte sich Tausig in der Friedensbewegung und für humanitäre Projekte. Mit seinen Gagen finanzierte er Kinderheime oder auch die Renovierungsarbeiten eines Flüchtlingshauses in Niederösterreich. Vor allem setzte er sich für den Entwicklungshilfeklub ein, sammelte als Nestroys Schnoferl im Volkstheater für diese Organisation und gründete das Laura-Gatner Heim für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Bei der Namenspatronin handelt es sich um Tausigs Großmutter, die zusammen mit ihrem Mann 1942 in Treblinka umgebracht wurde.
Unter den wenigen Auszeichnungen, die der Schauspieler annahm, waren der Nestroy-Preis (2009) für sein Lebenswerk und der Bruno-Kreisky-Preis, den er 1997 für sein Engagement für Menschenrechte und humanitäre Hilfe erhielt. 2013 wurde in Wien-Wieden der Tausigplatz nach ihm und seiner Mutter Franziska benannt.
Quellen
Literatur
- Otto Tausig: Kasperl, Kummerl, Jud. Wien: Mandelbaum 2010
- Franziska Tausig: Shanghai Passage. Emigration ins Ghetto. Wien: Milena 2007