Paul Lendvai
Paul Lendvai, * 24. August 1929 Budapest, Journalist.
Biografie
Paul Lendvai wurde in Budapest als Sohn jüdischer Eltern geboren. Nur knapp entging er im Herbst 1944 der Deportation in ein Todeslager. Nach der Matura begann er ein Studium der Rechtswissenschaften und arbeitete daneben als Journalist. Obwohl zu diesem Zeitpunkt überzeugter Marxist, wurde er 1953 als "politisch Unzuverlässiger" verhaftet und interniert. In weiterer Folge erhielt er Berufsverbot und drei Jahre lang keine Anstellung. Über den ungarischen Volksaufstand 1956 berichtete er offen und setzte sich schließlich über mehrere Stationen nach Wien ab.
In Österreich begann Lendvai seine journalistische Laufbahn als Osteuropa-Korrespondent bei der Tageszeitung "Die Presse" und erlangte 1959 die österreichische Staatsbürgerschaft. Von 1960 bis 1982 wirkte er als Korrespondent für das Londoner Blatt "Financial Times" sowie als Kolumnist für verschiedenste Zeitungen und Rundfunkanstalten, darunter die "Times", die "New York Times", "Die Welt" und in Österreich neben der "Presse" auch die "Kleine Zeitung", "Die Furche", "Die Zukunft" oder die "Wochenpresse". 1973 gründete er die "Europäische Rundschau", eine Vierteljahresschrift für Politik, Wirtschaft und Zeitgeschichte, die er bis 2020 als Chefredakteur und Mitherausgeber leitete.
Größere Bekanntheit erreichte der Journalist mit außenpolitischen Kommentaren im ORF, wo er auch am Aufbau einer Osteuropa-Redaktion beteiligt war. 1982 wurde er zum Chefredakteur dieser Einheit berufen. Als Intendant wechselte Lendvai 1987 zu Radio Österreich International und blieb hier bis 1998 tätig. Bis heute leitet er die international besetzte TV-Diskussionssendung "Europastudio" und schreibt regelmäßige Kolumnen für österreichische Tageszeitungen.
Darüber hinaus ist Paul Lendvai Autor zahlreicher Bücher, vorrangig über den mittelosteuropäischen Raum, die auch in mehrere andere Sprachen (wie Englisch, Ungarisch, Französisch, aber auch Japanisch, Hebräisch oder Estnisch) übersetzt wurden. Zu seinen publizistischen Erfolgen zählen etwa "Kreisky. Portrait eines Staatsmannes" (1972), "Die Grenzen des Wandels. Spielarten des Kommunismus im Donauraum" (1977), "Das einsame Albanien" (1985), "Die Ungarn" (1999), "Mein Österreich. 50 Jahre hinter den Kulissen der Macht" (2007), "Mein verspieltes Land" (2010), "Orbáns Ungarn" (2016) und zuletzt "Vielgeprüftes Österreich: Ein kritischer Befund zur Zeitenwende" (2022). 2013 erschienen seine Lebenserinnerungen unter dem Titel "Leben eines Grenzgängers".
Außerdem war Lendvai Gastprofessor an der Universität von Kalifornien und hielt im In- und Ausland zahlreiche Vorträge über internationale Fragen. Er wurde mit vielen Ehrungen für sein journalistisches wie publizistisches Werk ausgezeichnet.
Quellen
Literatur
- Alois-Mock-Europastiftung: Lebenslauf von Prof. Paul Lendvai [Stand: 22.05.2023]
- Paul Lendvai: "Wir alle in Österreich sind verdorben vom Wohlstand". In: Kleine Zeitung online, 18.09.2022 [Stand: 22.05.2023]
- "Ich hasse den Verrat der Intellektuellen." Zum 90. Geburtstag: Der Publizist Paul Lendvai im Gespräch über den Zweiten Weltkrieg, Österreich und Peter Handke. In: Falter 35/19, 28.08.2019, S. 22 ff.
- Paul Lendvai: Leben eines Grenzgängers. Erinnerungen; aufgezeichnet im Gespräch mit Zsófia Mihancsik. Wien: Kremayr & Scheriau 2013