Postsparkassenamt
48° 12' 35.99" N, 16° 22' 50.50" E zur Karte im Wien Kulturgut
Postsparkassenamt (1., Georg-Coch-Platz 2). Das Postsparkassenamt gehört zu den bedeutendsten Werken des Architekten Otto Wagner und wird als Schlüsselwerk der Wiener Moderne gesehen. Es ist zudem eines der bekanntesten Jugendstilgebäude Wiens. Das Gebäude war bis 2017 Zentrale der Bank BAWAG P.S.K. Heute wird es als Wissenschaftscampus der Universität für angewandte Kunst, der Kunstuniversität Linz und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften genutzt.
Planung und Bau
Das Gebäude wurde als Zentrum des Stubenviertels (dessen frühere Verbauung durch die hier stehende Franz-Joseph-Kaserne und das Franz-Joseph-Tor verhindert wurde) in zwei Etappen (1904 bis 1906, 1910 bis 1912 [Kassenraum für den Effektenverkehr]) nach Plänen von Otto Wagner auf einem trapezförmigen, symmetrischen Areal für die Postsparkasse errichtet, weil die rasche Expansion des Instituts eine Umsiedlung in ein größeres Gebäude erforderlich gemacht hatte. Die Postsparkasse war am 12. Jänner 1883 von (Georg Coch) gegründet worden; vor dem Gebäude befindet sich das Cochdenkmal. Die Grundlage der Bebauung bildete der 1892/93 von der Baubehörde genehmigte Bebauungsplan der von Otto Wagner selbst verfasst worden war. Die Ausschreibung des Architektenwettbewerbs fand im Frühjahr 1903 statt. Die Jury prämierte fünf Entwürfe und entschied sich schließlich sehr eindeutig für jenen Otto Wagners. Der Spatenstich erfolgte am 12. Juli 1904. Bereits am 17. Dezember 1906 konnte die Postsparkasse den Betrieb im neuen Gebäude aufnehmen.
Erinnerung an eisenbeschlagene Schatztruhe
Im Hinblick auf die Entwicklung der modernen Architektur handelt es sich wohl um das wichtigste Werk Otto Wagners. Für die Gestaltung war Wagners Konzept der Materialökonomie und ein metaphorischer Funktionalismus bestimmend. Das achtgeschoßige Gebäude wurde als Ziegelmauerbau mit Decken aus Eisenbeton errichtet. Die nichtragenden Bürotrennwände können ohne Probleme verändert werden. Das Flachdach besteht aus einer Holzzementeindeckung. Als neuartige Bodenbeläge fanden Granito mit Randmuster und Linoleumbeläge Verwendung. Die Materialwahl für die Außengestaltung hat die Wirkung des Gebäudes wesentlich beeinflusst. Die Granitplatten des Sockels sind mit versenkten, die (nur 2 cm starken) Marmortafeln der Obergeschoße mit erhabenen Bolzen mit Aluminiumköpfen fixiert, woraus sich ein zartes Ornament ergibt. Dadurch entsteht der Eindruck, die Platten wären mit Metallbolzen auf das Mauerwerk genagelt, eine "symbolische Aufnagelung", da die Platten im Mörtelbett verlegt sind.[1] Damit erinnern die aluminiumverkleideten Eisenbolzen an der Fassade an eine eisenbeschlagene Schatztruhe. Das Prinzip der Punktverankerung mittels Befestigung der Fassadenbekleidung an der tragenden Ziegelkonstruktion bestimmt die äußere Wirkung des Gebäudes.[2] Den Mittelrisalit (vorspringenden Gebäudeteil) des streng axial und symmetrisch angelegten Baus wurde an jener Stelle errichtet, an der sich das frühere Franz-Joseph-Tor der abgerissenen Kaserbe befand; ihn bekrönt ein mit Lorbeerkränzen dekorierter Attikaaufsatz; die 4,3 Meter hohen Eckfiguren (erstmals aus Aluminiumguss) schuf Othmar Schimkowitz.
Im Vestibül befindet sich eine Büste Franz Josephs I. von Richard Luksch.
"Tempel des Geldverkehrs"
Die Kunstform als Zweckerfordernis bestimmt auch die Innenaustattung, doch versteckt hinter der sachlichen Außenerscheinung ein "Tempel des Geldverkehrs".[3] Sie wurde nach den Prinzipien der Typisierung (große Stückzahlen, gleiche oder verwandte Formen) und der Hierarchisierung (Ausstattungs- und Ausführungsqualität nach dem Status) von Wagner durchgeplant. Dabei sind drei Bereiche erkennbar: der Direktionsbereich, der Bereich der internen Manipulation und der Bereich für den Kundenverkehr.[4] Das Prunkstück, die Kassenhalle, ist 554 Quadratmeter groß, mit einem verglasten Satteldach versehen, welches durch ein gläsernes Zwischendeck vom Saal getrennt ist. Für den Zwischenraum erfand Wagner eine neuartige Beheizungsform. Der Kassensaal ist mit seinem dreischiffigen, basikalen System - hohes Mittelschiff, niedrige Seitenschiffe - einem Sakralbau nachempfunden, was die Assoziation mit einem "Tempel" verstärkt.
1970 wurde mit einer Generalsanierung des Gebäudes begonnen (1974/1975 Renovierung des Kassensaals), die bis 1985 im wesentlichen abgeschlossen werden konnte, jedoch auch in den 1990er Jahren noch fortgesetzt wurde (auch Bau einer Tiefgarage).
21. Jahrhundert
In den Jahren 2004-2005 fand erneut eine Generalsanierung statt. Nach der Fusion der Österreichischen Postsparkasse (P.S.K.) mit der Bank für Arbeit und Wirtschaft (BAWAG) 2005, war das Gebäude Sitz der BAWAG P.S.K. Diese verkaufte es 2013 an die SIGNA Prime Selection und übersiedelte 2017 in ihre neue Zentrale am Hauptbahnhof.
Die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) schloss für das Postsparkassenamt 2019 einen Baurechtsvertrag mit der SIGNA. Dies ermöglichte die heutige Nutzung des Gebäudes als Wissenschaftscampus der Universität für angewandte Kunst, der Kunstuniversität Linz und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.
Bilder
Quellen
Literatur
- Michaela Tomaselli, Thomas Hasler: Des Nagels Kern und seine Hülle. Über die kontruktive Wahrheit des legendären Scheinnagels. In: Andreas Nierhaus, Eva-Maria Orosz: Otto Wagner (418. Sonderausstellung des Wien Museums), Wien: Wien-Museum, Residenz Verlag 2018, S. 96-109
- Christa Veigl: Otto Wagners Postsparkasse und ihre "Fleckerlpatschen". Rezeptionsgeschichte einer Plattenbefestigung. In: Wiener Geschichtsblätter 72 (2017), S. 297-306
- Otto Wagner: Die Österreichische Postsparkasse. The Austrian Postal Savings Bank. Wien: Österreichische Postsparkasse, Falter Verlag 1996
- Das k. k. Österreichische Postsparkassenamt in Wien. 1913
- Andreas Lehne: Jugendstil in Wien. Architekturführer. Wien: J & V Ed. ²1990, S. 17 ff.
- Renate Wagner-Rieger [Hg.]: Die Ringstraße. Bild einer Epoche. Die Erweiterung der Inneren Stadt Wien unter Kaiser Franz Joseph. Band 4. Wiesbaden: Steiner 1969-1981, S. 328 ff.
- Heinz Geretsegger, Max Peintner: Otto Wagner. 1964, Register
- Felix Czeike: Wien. Kunst und Kultur-Lexikon. Stadtführer und Handbuch. München: Süddeutscher Verlag 1976, S. 73
- Felix Czeike: Wien. Innere Stadt. Kunst- und Kulturführer. Wien: Jugend und Volk, Ed. Wien, Dachs-Verlag 1993, S. 66
- Technischer Führer durch Wien. Hg. vom Österreichischen Ingenieur- und Architekten-Verein. Red. von Martin Paul. Wien: Gerlach & Wiedling 1910, S. 319 f.
- Paul Kortz: Wien am Anfang des 20. Jahrhunderts. Ein Führer in technischer und künstlerischer Richtung. Hg. vom Oesterreichischen Ingenieur und Architekten-Verein. Wien: Gerlach & Wiedling 1906. Band 2, 1906, S. 139 f.
- Ottokar Uhl: Moderne Architektur in Wien von Otto Wagner bis heute. Wien [u.a.]: Schroll 1966, Register
- 75 Jahre Österreichisches Postsparkassenamt. 1958
- Friedrich Achleitner: Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert. Ein Führer. Band 3/1: Wien. 1.-12. Bezirk. Salzburg: Residenz-Verlag 1990, S. 15 ff.
- Katalog zur Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien. Wien 1959-2003. Band 93, S. 88 ff.
- Ferdinand Lettmayer [Hg.]: Wien um die Mitte des XX. Jahrhunderts - ein Querschnitt durch Landschaft, Geschichte, soziale und technische Einrichtungen, wirtschaftliche und politische Stellung und durch das kulturelle Leben. Wien: 1958, S. 745 ff.
Einzelnachweise
- ↑ Christa Veigl: Otto Wagners Postsparkasse und ihre "Fleckerlpatschen". Rezeptionsgeschichte einer Plattenbefestigung. In: Wiener Geschichtsblätter 72 (2017), S. 304
- ↑ Michaela Tomaselli, Thomas Hasler: Des Nagels Kern und seine Hülle. Über die kontruktive Wahrheit des legendären Scheinnagels. In: Andreas Nierhaus, Eva-Maria Orosz: Otto Wagner (418. Sonderausstellung des Wien Museums), Wien: Wien-Museum, Residenz Verlag 2018, S. 97
- ↑ Otto Wagner: Die Österreichische Postsparkasse. The Austrian Postal Savings Bank. Wien: Österreichische Postsparkasse, Falter Verlag 1996, S. 50.
- ↑ Otto Wagner: Die Österreichische Postsparkasse. The Austrian Postal Savings Bank. Wien: Österreichische Postsparkasse, Falter Verlag 1996, S. 56.