Rafael Schermann
Rafael Schermann, * 18. März 1874 Krakau, † um 1943 Sowjetunion, Graphologe, Hellseher.
Biografie
Rafael Hirsch Schermann besuchte zunächst den Cheder, anschließend eine Realschule und eine Handelsschule in Krakau. Danach arbeitete er in der Krakauer Filiale der Versicherungsgesellschaft Phönix als Versicherungsangestellter. 1909 heiratete er Anna Römer, das Paar ließ sich 1919 wieder scheiden. Ab 1910 arbeitete er in der Wiener Zentrale der Versicherungsgesellschaft, wurde im Ersten Weltkrieg allerdings eingezogen und kämpfte in der österreichischen Armee an der Front.
Nach dem Krieg wurde er Experte auf dem Gebiet der Graphologie und Hellseherei und hielt 1918 im Wiener Konzerthaus seinen ersten öffentlichen Vortrag. Er unternahm in weiterer Folge Vortragsreisen nach Ungarn, Rumänien, in die Tschechoslowakei und die Schweiz, 1923/24 sogar durch die USA. Einige Forscher untersuchten seine angeblichen Fähigkeiten, um diese zu belegen beziehungsweise zu widerlegen. Die zeitgenössischen Forscher kamen allerdings zu widersprüchlichen Ergebnissen. Seine Popularität zu verdanken hatte er vor allem seinen berühmten Kunden wie Oskar Kokoschka, Adolf Loos und Karl Kraus. Karl Kraus konsultierte ihn vermutlich um 1916, als er sich nicht nur beruflich, sondern auch aufgrund der schwierigen Liaison mit Sidonie Nádherný in einer persönlich herausfordernden Lebenslage befand und durch Schermann die Zukunftsaussichten dieser Bindung ergründen wollte. Zudem legte Kraus ihm anonyme Schriftproben von Nádherný zur charakterlichen Analyse vor. Nicht als Betrüger zu gelten, war eines der Hauptanliegen Schermanns, wobei berühmte Kunden sein Ansehen und seinen Ruf verbesserten. In den 1920er Jahren galt er als Berühmtheit und kannte zahlreiche Persönlichkeiten, so auch Albert Einstein und Bertolt Brecht.
Er verfasste mehrere Bücher und trat als Darsteller in Filmen auf, die auf seinen Fällen basierten; etwa "Das Geheimnis der Schrift", "Vier Nächte einer schönen Frau", "Der Schriftmagier", "Die Tragödie einer Frau" und "Der Fall Schermann". 1927 übersiedelte er nach Berlin. 1929 erschien sein Buch über die Graphologie und 1939 in französischer Übersetzung in Paris. 1929 wurde er zudem Mitglied in einer Freimaurer-Loge in Berlin. Nachdem die Nationalsozialisten 1933 an die Macht kamen, floh Schermann nach Polen in seine Geburtsstadt Krakau, wo er seine Werke in polnischer Sprache herausbrachte. Nachdem die Nationalsozialisten 1939 auch in Polen einfielen, floh er nach Lemberg, das nach dem Hitler-Stalin-Pakt an die Sowjetunion fiel. Von dort wurde er deportiert und starb wahrscheinlich 1943 in einem Zwangsarbeiterlager in Kasachstan. Sein Tod ist bis heute ungeklärt.
Quellen
- ANNO: Wie man aus der Handschrift den Beruf erkennt. In: Pilsner Tagblatt, 31.05.1928, S. 2
- ANNO: Diesseits und Jenseits. In: Innsbrucker Nachrichten, 02.05.1927, S. 6
- ANNO: Bescheidenheit ist eine Zier. In: Danzers-Armee-Zeitung, 23.05.1925, S. 5
Literatur
- Katharina Prager / Simon Ganahl [Hg.]: Karl Kraus- Handbuch. Leben–Werk–Wirkung. Berlin: Springer 2022
- Karl May Wiki: Rafael Schermann [Stand: 07.02.2024]
- Deutschlandfunk Kultur: Roman "Schermanns Augen". Von der Hackordnung und den Träumen im Gulag, 13.08.2018 [Stand: 07.02.2024]
- Wikipedia: Rafael Schermann [Stand: 07.02.2024]
- Wikipedia en: Rafael Schermann [Stand: 07.02.2024]
Rafael Schermann im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.