Anfänge
Über Persien und den Maghreb erreichte Schach Europa. Bereits seit dem Ende des 12. Jahrhunderts ist Schach in Wien belegt.[1] Turnierschach ist in Wien seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert nachzuweisen.
Das älteste in Wien erschienene Buch ausschließlich zum Schachspiel (die vorher erschienen Bücher hatten neben dem Schach auch andere Brett-, Karten- und Glücksspiele zum Thema) waren die "Regeln des Schachspiels .... nebst Anmerkungen des großen Schachspielmeisters A. D. Philidor und des berühmten Arabers Philipp Stamma von Aleppo in Syrien gebürtig .... Herausgegeben von C. A. v. B." aus dem Jahre 1784. Dieses Buch war allerdings nur ein Auszug der das Schach betreffenden Teile eines Spielebuches von 1756.
Das erste selbständige Schachbuch Wiens war die "Abhandlung über die Natur und Grundsätze des Schachspiels" von Friedrich von Graw aus dem Jahre 1787. Ende 1795 erschien mit Johann Baptist Allgaiers "Neuer theoretisch-praktischer Anweisung zum Schachspiel" das erste inhaltlich selbstständige Schachbuch im deutschsprachigen Raum. Allgaier (1763-1823) ließ 1796 noch einen zweiten Teil dieses Werkes folgen ("Der Anweisung zum Schachspiel zweyter Theil"). 1847 gab Anton Schmid, der Begründer der Musiksammlung der k.k. Hofbibliothek, mit "Tschaturangavidja. Literatur des Schachspiels" die erste bedeutende Schachbibliographie heraus.
Wiener Schachspieler
Zu den bedeutendsten Schachspielern bis ins beginnende 20. Jahrhundert zählte auch der Begründer der "Wiener Partie", Karl Hamppe (1814-1873); der erste Weltmeister war 1886 der in Prag geborene Wilhelm Steinitz (1836-1900). Seinen Höhepunkt erlebte das Schachspiel in Österreich und Wien mit der Entwicklung der "Wiener Schachschule", deren international bedeutendster Vertreter der Wiener Weltklassespieler Carl Schlechter war (1874-1918; 1910 Kampf um die Weltmeisterschaft mit unentschiedenem Ausgang; Carl-Schlechter-Weg). Im Zuge des auf zehn Partien angelegten Weltmeisterschaftskampfes zwischen Schlechter und dem Deutschen Emanuel Lasker vom 7. Jänner bis 10. Februar 1910 wurden die ersten fünf Partien in Wien ausgetragen.
Wiener Schachvereine
Als erster Wiener und österreichischer Schachverein wurde am 1. Oktober 1857 die "Wiener Schachgesellschaft" gegründet, an deren Spitze seit 1872 Albert Salomon Anselm von Rothschild stand und die mit Ignaz von Kolisch einen weiteren bedeutenden Förderer hatte. 1888 wurde der "Neue Wiener Schach-Club" ins Leben gerufen. Beide Vereine fusionierten sich 1897 zum "Wiener Schach-Club" (später "Wiener Schachklub"), dem ab nun führenden Schachverein Wiens und Österreichs, der bis zu seiner Auflösung 1938 viele bedeutende Schachturniere in Wien veranstaltete.
Kaffeehaus
Die Verbindung zwischen dem Schachspiel und der Wiener (beziehungsweise Prager) Kaffeehauskultur sollte nicht übersehen werden. Als erstes Wiener Schachcafé gilt das 1719 von Jakob Kramer gegründete Kramersche Kaffeehaus in der Schlossergasse (Konskriptionsnummer 598b). Im ersten Stock des anliegenden Hauses "Zur goldenen Krone" trafen sich vor 1820 die besten Schachspieler Wiens. Das bedeutendste Schachcafé der Biedermeierzeit war das Silberne Kaffeehaus der Familie Neuner, in dem zwischen 1820 und 1853 eine dauerhafte Schachrunde bestand. Auch im benachbarten Café Leibenfrost kamen regelmäßig bekannte Schachspieler zusammen. In den 1860er und 1870er Jahren waren das Café Maendel, das Café Weghuber und das Café Français Zentren des Wiener Schachlebens. Seit den 1880er Jahren wurde das Café Central zum Inbegriff des Schachcafés schlechthin. Hier trafen sich nicht nur Wiener Spitzenspieler zum Schachspiel, auch ausländische Weltklassespieler wie Maróczy, Tarrasch und Bogoljubow waren oft zu Gast. Mitte der 1920er Jahre gab es in Wien ungefähr 40 Kaffeehäuser mit täglichem Schachbetrieb.
Jüngere Geschichte
In der Zwischenkriegszeit waren Rudolf Spielmann (1884-1942), Ernst Grünfeld (1893-1962), Hans Kmoch (1894-1973), Josef Lokvenz (1899-1974) und Erich Eliskases (1913-1997) die herausragendsten Spieler. Nachdem Österreich nach 1945 seine Rolle als bedeutende Schachnation eingebüßt hatte, kam es bei der Schacholympiade 1960 in Leipzig zu einer Wende: Der Kärntner Karl Robatsch erreichte das beste Ergebnis am ersten Brett und erhielt daher 1961 den Titel eines Schachgroßmeisters; ihm folgte 1988 als weiterer Großmeister der Salzburger Josef Klinger. Als erstem Wiener Spieler nach Ernst Grünfeld (1950) wurde Nikolaus Stanec (* 1968) im November 2003 der Großmeistertitel verliehen.
Quellen
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt.119, A10/2.154 - Wiener Schachgesellschaft
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 119, A32.1769/1931 - Wiener Schachklub
Literatur
- Michael Ehn: Geniales Schach im Wiener Kaffeehaus. Wien: Edition Steinbauer 2017
- Michael Ehn: Politische Partien. Aufstieg und Fall des Wiener Schachcafés. In: Manfred Zollinger: Geschichte des Glücksspiels. Vom 17. Jahrhundert bis zum Zweiten Weltkrieg. Wien / Köln / Weimar: Böhlau 1997, S. 122-132
- Michael Ehn: Schach. Wien hatte Weltgeltung. In: Manfred Zollinger: Geschichte des Glücksspiels. Vom 17. Jahrhundert bis zum Zweiten Weltkrieg. Wien / Köln / Weimar: Böhlau 1997, S. 333-351
- Richard Bamberger [Hg.]: Österreich-Lexikon in zwei Bänden. Wien: Verlags-Gemeinschaft Österreich-Lexikon 1995
Einzelnachweise
- ↑ Michael Ehn: Schach. Wien hatte Weltgeltung. In: Manfred Zollinger: Geschichte des Glücksspiels. Vom 17. Jahrhundert bis zum Zweiten Weltkrieg. Wien / Köln / Weimar: Böhlau 1997, S. 333