48° 12' 24.51" N, 16° 22' 29.67" E zur Karte im Wien Kulturgut
Rottalpalais (1, Singerstraße 17-19, Kumpfgasse 8-10, Grünangergasse 9).
Vorgängerbauten
Haus Stadt 886 / Singerstraße 17-19, Kumpfgasse 10, Grünangergasse 9
Auf dem Areal von 4283 Quadratmetern standen ursprünglich mindestens sieben Häuser, deren Besitzer im dem letzten Viertel des 14. Jahrhunderts bekannt sind. Die Abgrenzungen zwischen den einzelnen Gebäuden sind heute nicht mehr genau feststellbar. Während für das 15. Jahrhundert verlässliche Daten fehlen, sind im 16. Jahrhundert folgende Häuser verzeichnet:
"Zum Pfau"
Dieses an der Ecke Singerstraße/Grünangergasse stehende Haus gehörte 1363 dem Bistum Regensburg, führte das Schild "Zum Pfau" und wurde von diesem 1528 an Stefan Kisling verkauft. Vor 1674 kam es in den Besitz der Grafen Rottal. Welcher der Grafen Rottal das ursprüngliche Rottalpalais erbauen ließ, ist unklar. Es entstand wohl im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts und dürfte von einem Mitglied der Familie Carlone errichtet worden sein. Ein Stich des frühen 18. Jahrhunderts zeigt es als vornehmes einstöckiges Gebäude mit weit ausladendem Erker. Adam Graf Rottal verkaufte es 1741 an den Wiener Stadt-Banco.
"Billiottesches Stiftungshaus"
Dieses Haus lag in der Singerstraße und grenzte an das Haus "Zum Pfau". Aus der Frühzeit des Gebäudes fehlen Daten, da es sich um ein der Georgskapelle des Freisinger Hofes dienstbares Haus handelte. Es war ursprünglich ein "Zuhaus" (Nebengebäude) des bischöflich-regensburgischen Hauses und wurde 1528 gemeinsam mit diesem an Stefan Kisling verkauft. 1678 kam es an die Stiftung des Dr. Franz Billiotte (Armenambulatorium; Billiottesches Stiftungshaus) und 1741 ebenfalls an den Stadt-Banco.
"Zum schwarzen Rädl"
Im Jahr 1533 wird an der Ecke Singerstraße/Kumpfgasse eine Brandstätte erwähnt, die mehrere Jahre lang unverbaut geblieben war. Daher wurde sie von der Stadt eingezogen und an einen Priester verkauft, der das Gebäude vor 1542 neu errichten ließ. Zwischen 1556 und 1570 wurde ein "Stöckl" abgetrennt, das bis 1652 ein eigenständiges Objekt bildete. 1621 beziehungsweise 1652 erwarben der Käsestecher Wolf Rädl und seine Frau Ursula die beiden Gebäude. Von diesem Ehepaar leitet sich wohl der Schildname "Zum schwarzen Rädl" ab, der im 17. Jahrhundert erstmals nachweisbar ist. Am 3. August 1754 kamen die Häuser in den Besitz der Stadt Wien und wurden 1756 von der k. k. Ministerial-Banco-Hof-Deputation (Nachfolgerin des Stadt-Banco) erworben.
Haus Stadt 830 / Kumpfgasse 8
Am 5. November 1423 wird dieses Haus erstmals urkundlich erwähnt. Kurz darauf wurde es zu einer ewigen Messe im Stephansdom gestiftet. Zwischen 1566 und 1587 wird es als einstöckiges Benefiziatenhaus ausgewiesen. Da es sehr baufällig war, wurde es im Jahr 1699 verkauft. 1795 wird es als dreistöckig angegeben.
Rottalpalais
Nach dem Entwurf, der wahrscheinlich von Franz Anton Hillebrand stammt, entstand um 1750 ein die drei erstgenannten Parzellen umfassender Neubau (mit Prunktreppe und Festsaal), der auch ältere Teile einbezog. Die dreizehnachsige Fassade in der Singerstraße verrät durch ihre beiden dreiachsigen Risalite, dass hier zwei Häuser verbunden wurden, die wohl nicht gleichzeitig entstanden waren. Die Einfahrtshalle und die prächtige Treppe zählen zu den besten Werken der Wiener Barockkunst. Im ersten Stock (hofseitig) befindet sich eine kleine Kapelle mit Stuckmamor und Vergoldungen.
1842 (nach anderen Angaben 1845) wurde ein Stockwerk aufgesetzt und an der neuen Attika Figuren angebracht, die aus dem Winterpalais des Prinzen Eugen in der Himmelpfortgasse stammten.
Als man vor 1910 das Rottalpalais umfassend sanierte, wurde das ehemalige Kumpfgasse 8 (Haus Stadt 830) um einen Stock erweitert und in das Palais miteinbezogen, das damit an der Kumpfgasse die Doppelnummer 8-10 erhielt.
Das Rottalpalais ist bis heute Sitz staatlicher Institutionen (1848 Cameral- und Credit-Hauptcassen der allgemeinen Hofkammer, 1910 k. k. Staatszentralkasse, ab 1946 Zentralbesoldungsamt beziehungsweise Bundesrechenzentrum; heute wird es von der Finanzprokuratur und der Volksanwaltschaft gemeinsam genutzt).
Literatur
- R. Perger: Die Grundherren im mittelalterlichen Wien 1. In: Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 19/20. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 1963/1964, S. 66 f.
- Bruno Grimschitz: Wiener Barockpaläste. 1947, S. 37 f.
- Technischer Führer durch Wien. Hg. vom Österreichischen Ingenieur- und Architekten-Verein. Red. von Martin Paul. Wien: Gerlach & Wiedling 1910, S. 311 f.
- Paul Harrer-Lucienfeld: Wien, seine Häuser, Menschen und Kultur. Band 4, 3. Teil. Wien ²1955 (Manuskript im WStLA), S. 658-668
- Udo Weiler: Zur Baugeschichte des Palais Rottal. In: Manfred Kremser [Hg.]: Anwalt und Berater der Republik. Festschrift zum 50. Jahrestag der Wiedererrichtung der österreichischen Finanzprokuratur. 1995, S. 325 ff.